Ein ehrenamtliches Lebenswerk

Nach zwölf Jahren kann in Dargersdorf endlich eine Feier geplant werden

Dorfkirche Dargersdorf

Besonders langwierige Sanierungsprojekte brauchen oft eine spezielle Form der Patenschaft, also eine Frau oder einen Mann mit viel Ausdauer und Geduld, die das Projekt trotz all der Rückschläge vorantreiben und die Hoffnung auf ein gutes Ende nie aufgeben. So ein Mann ist der 74 Jahre alte Bernhard Haertel aus Vietmannsdorf in der Schorfheide. Seit zwölf Jahren ist er die treibende Kraft bei der Sanierung der Dorfkirche Dargersdorf, die zusammen mit Gollin und Vietmannsdorf zur Kirchengemeinde Polsensee gehört. Bei dem Projekt hat in all den Jahren nicht nur der Pfarrer gewechselt, auch im Architekturbüro und im Kirchbauamt der evangelischen Landeskirche EKBO gab es personelle Veränderungen. Doch der Kirchenälteste und Baubeauftragte ist noch immer derselbe, und wenn man mit Bernhard Haertel jetzt zur Baustelle von Dargersdorf fährt, dann überlegt er schon, wann er wohl den Festgottesdienst planen kann.

Die Sanierung in Dargersdorf ähnelt einem ehrenamtlichen Lebenswerk. Ständig gab es Planänderungen, Rückschläge und jahrelange Verzögerungen, es mussten immer wieder auf’s neue größere Finanzmittel beschafft werden. Auch der Förderkreis Alte Kirchen musste mehrfach die Auszahlung seiner zwei zugesagten Gelder von zusammen 6000 Euro verschieben, weil die Sanierung jahrelang stockte. Doch Haertel, der ehemalige Leiter des städtischen Gartenamtes in Templin, ließ sich nicht entmutigen. Er sorgte vorsichtshalber dafür, dass die neuen Kanthölzer für die Fachwerkkirche, die er rechtzeitig in benachbarten Wäldern der Schorfheide gekauft hatte, schön trocken gelagert wurden.

Das kleine Gotteshaus liegt idyllisch auf einem kleinen Hügel unter großen Bäumen. Eine erste Kirche in Dargersdorf wurde im Dreißigjährigen Krieg zerstört, ein Nachfolgebau brannte ebenfalls nieder, sodass man 1734 einen Fachwerkbau erstellte. Am Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Kirche beschädigt, weil in der Nähe das Göring-Refugium „Carinhall“ am Großen Döllnsee lag, das die russischen Streitkräfte bombardierten. 1953 musste die Kirche wegen Baufälligkeit sogar zeitweise geschlossen werden. Auch danach wurde sie in der DDR-Zeit von Bau-Brigaden leider nur notdürftig repariert.

Vor zwölf Jahren bemerkten Haertel und andere Kirchenälteste, dass sich der Turm neigte. Dies drohte das Kirchenschiff zu beschädigen, wenn nicht gar zum Einsturz zu bringen. Daher durften die zwei Glocken nicht mehr läuten. Keiner der Fachleute, die der Gemeindekirchenrat zu Rate zog, wollte 2015 die weitere Stabilität des Turmes garantieren. Also wurde beschlossen, den Turm abzutragen und neu aufzubauen. Doch weil dies 350.000 Euro gekostet hätte, präsentierte das kirchliche Bauamt eine vermeintlich bessere Variante: Eine Teil-Sanierung des Turms, bei dem einige Balken wiederverwendet wurden. Dies wurde indes kaum billiger. Die Neuplanung und die Beschaffung des Geldes verzögerten das Projekt um zwei Jahre.

Als 2021 der neue Kirchturm mit Posaunen-Schall gekrönt wurde, war dies leider kein festlicher Abschluss des Projekts, sondern lediglich eine unerwartete Zwischenetappe. Denn als die Zimmerleute die morschen Balken des Fachwerk-Turms ersetzten, da zeigte sich, dass der Hausschwamm und andere Holzschädlinge sich auch schon in die Bohlen des Kirchenschiffs hineingefressen hatten. Somit war schnell klar, dass es nach dem Turm einen weiteren Bauabschnitt geben musste, der in zwei Tranchen aufgeteilt wurde. Nach dem ersten Schrecken über die gewaltigen Kosten von etwa 520.000 Euro mobilisierte die Gemeinde wieder ihr Netzwerk, um Fördermittel zu beschaffen. Dabei half, wie schon bei der Turm-Sanierung, eine Nachbarin der Kirche, die ehemalige Finanzsenatorin von Berlin Annette Fugmann-Heesing. Sie besitzt in Dargersdorf seit vielen Jahren ein Ferienhaus. Zusammen mit dem SPD-Bundestagsabgeordneten Stefan Zierke gelang es, Mittel des Bundes aus einem Sonderprogramm des Denkmalschutzes zu beschaffen. Mit den bereits zugesagten 260.000 Euro war somit bereits die Hälfte der geschätzten Sanierungskosten gedeckt, für den Rest sorgten etliche Institutionen aus Kirche und Denkmalschutz.

Doch selbst die jetzige, letzte Phase bot wieder unangenehme Überraschungen. Bei genaueren Vermessungen des sanierten Fachwerks in Dach und Kirchenschiff wurde festgestellt, dass sich das Gebäude im Lauf der letzten Jahrzehnte um 27 Zentimeter geneigt hatte. Haertel vermutet, dass dies auch mit jener russischen Bombe zusammenhängen könnte, die 1945 in der Nähe der Kirche einschlug. Also musste die Kirche in vierwöchiger Arbeit mit Hilfe von hydraulischen Werkzeugen millimeterweise einseitig angehoben werden. „Ich bin rausgerannt, weil es im Gebälk so laut knackte“ sagt Haertel. Doch das hölzerne Kirchenschiff hat die Hebung unbeschadet überstanden.

Wenn bis Jahresende auch der Innenausbau vollendet ist, wird die Gesamt-Summe der Sanierung etwa 970.000 Euro erreichen. Wäre dieser Betrag schon vor zwölf Jahren für diese kleine und kunsthistorisch eher bescheidene Kirche geschätzt worden, so ist es wohl fraglich, ob man überhaupt mit der Sanierung begonnen hätte. Doch nach der Turm-Krönung wäre es sinnlos gewesen, das Schiff den Schädlingen zu überlassen. Hinzu kommt, dass die Kirchengemeinde recht vermögend ist und etwa 100.000 Euro an Eigenmitteln aufbringen konnte. Die sind indes aufgebraucht, wenn demnächst die elektrischen Leitungen gelegt sind. Doch Haertel hätte gerne noch 15.000 Euro zur Verfügung, um im Kirchenschiff schöne Holzdielen zu verlegen. Er überlegt schon, wo er dieses Geld noch beschaffen kann.

Konrad Mrusek

Zur Kirche
Vorheriger Beitrag
Wenn Kirchtürme sprechen könnten

Wenn Kirchtürme sprechen könnten – sie würden uns von Geheimnissen erzählen, von vergessenen Dingen, die einst in ihnen gelagert oder versteckt waren. Auch brandenburgische Dorfkirchtürme halten zuweilen Überraschungen bereit.

weiterlesen
Nächster Beitrag
Wenn jemand einen Kirchturm saniert, dann …

Segen und Fluch liegen oft dicht beieinander. Seit 1847 schmückt die spätromanische Feldsteinkirche von Wittbrietzen eine anmutige hölzerne Kirchturmspitze, Stolz und Zierde des ganzen Dorfes

weiterlesen