Aus den Augen ja, jedoch nie aus dem Sinn

Masterstudentin der Fachhochschule Potsdam rettet wertvollen Barockaltar

Sortierte Einzelteile

Inmitten des Dorfes Groß-Woltersdorf im Landkreis Prignitz steht seit mehr als 300 Jahren eine Fachwerkkirche. Alle Gebäude und Höfe sind rings um die Kirche herum angelegt worden, sie ist der Mittelpunkt des Dorfes. Leider können die Groß-Woltersdorfer ihre Kirche derzeit nur eingeschränkt nutzen, denn die zu Anfang der 1990er Jahre begonnene Sanierung des Gebäudes blieb unvollendet. Damals wurde das Dach neu gedeckt und die Renovierung des Innenraumes begonnen. Die Flachdecke wurde erneuert. Dann ging es jahrzehntelang nicht weiter: Der Innenraum sieht unfertig und „nach Baustelle“ aus. Dieser Eindruck entsteht vor allem durch die unverputzten Wände.

Das Schmuckstück der Kirche, ein wertvoller Barockaltar, war im Zusammenhang mit den Baumaßnahmen zerlegt und abgebaut worden. Restaurierungsbedürftig war er schon lange zuvor, doch konnten für Jahrzehnte nicht die nötigen Mittel für eine Restaurierung aufgebracht werden. So kam es, dass man die Einzelteile an verschiedenen Orten einlagerte, wobei sich ihr Zustand noch verschlimmerte. Es ist ein großes Glück, dass sich jetzt eine Studentin der Fachhochschule Potsdam im Rahmen ihrer Abschlussarbeit vorgenommen hat, den Barockalter zu retten.

Lina Horstmann hatte keine Angst vor der großen Aufgabe, alle vorhandenen Einzelteile zu sichten und zuzuordnen. Vom größten Bauteil, dessen Gewicht nur von drei Männern bewegt werden kann, bis zum kleinsten abgebrochenen Blatt, jedes Detail ist wichtig und hat seinen Platz. Welche Teilstücke verloren sind und ob aus den noch vorhandenen Teilen der Altar wieder fachgerecht zusammengesetzt werden kann- diese Fragen kann die Studentin nun beantworten. Als Expertin für Holzrestaurierung weiß sie außerdem, auf welche Weise die Einzelteile wieder zusammengefügt werden müssen. Dazu hat sie sich die Holzverbindungen in Groß-Woltersdorf und bei weiteren Altären aus der gleichen Werkstatt genau angesehen und ist beeindruckt: „Die Tischlerwerkstatt war wahrscheinlich die von Heinrich Joachim Schultz in Havelberg. Sie hat handwerklich ausgezeichnete Arbeit abgeliefert: man verwendete ausgewähltes, qualitativ gutes Holz und die Ausführung der Holzverbindungen zeugt von echtem handwerklichem Können.“

Linas großem Engagement ist es zu danken, dass sie außerdem die farbliche Gestaltung des Altars erforscht hat. Sie hat restauratorisch untersucht, ob sich unter der dicken Schmutzschicht noch Farbreste befinden. Wie der Altar zu seiner Entstehungszeit einmal ausgesehen hat und welche Renovierungen vorgenommen wurden, dazu kann sie schon einige Aussagen machen.

Damit ist tatsächlich der erste große Schritt zur Rettung des Barockaltars bereits erfolgt. Auf der Grundlage der Masterarbeit, kann bald die Restaurierung geplant und ausgeschrieben werden. Erste, dringend notwendige Konservierungsmaßnahmen an den Farbschichten werden mit Mitteln des Landes Brandenburg noch in diesem Jahr begonnen, damit die Einzelteile überhaupt transportiert werden können, ohne dass die Farbschichten abfallen. Dann können die weiteren Schritte der Rettung erfolgen: die Bekämpfung des sogenannten Holzwurms und die Reinigung vom Staub der letzten Jahrzehnte.

Die unmittelbaren Anwohner und Mitglieder der Kirchgemeinde, haben als Aktive vor Ort die Hoffnung nie aufgegeben und immer wieder den Zustand ihrer Kirche beklagt. Sie haben die Studentin sehr stark bei ihrer Arbeit unterstützt und zusammen mit dem Förderkreis Alte Kirchen die Voruntersuchung finanziert. Es ist jetzt wieder etwas in Bewegung gekommen, so dass die Zeiten der Auslagerung für den Barockaltar hoffentlich zu Ende sind und seine Restaurierung samt Wiederaufbau in den nächsten Jahren Wirklichkeit wird. „Aus den Augen“ war der Barockaltar, „- aus dem Sinn“ jedoch nie!

Dörte Busch

Wer für die Weiterarbeit an dem Altar gern etwas geben möchte, ist herzlich dazu eingeladen:
Förderkreis Alte Kirchen
Berlin-Brandenburg e.V.
DE94 5206 0410 0003 9113 90
Verwendungszweck: Altar Groß Woltersdorf

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