Aus Gotteshäusern werden Begegnungsstätten

Fachworkshop „Kirche im ländlichen Raum“ informierte über Möglichkeiten der Nutzungserweiterung

Baukultur, Dorfgemeinschaft, Bildung, Kunst und Musik, Nachbarschaftshilfe. Diese Bereiche sind durch fehlende Infrastrukturen oder mangelnde Wirtschaftskraft in ländlichen Regionen selten gewordene, wertvolle Schätze. Sowohl die Regionalentwicklung als auch die Kirchen im ländlichen Raumwidmen sich diesen Aufgaben auf unterschiedliche Art und Weise. Begrenzte Ressourcen in ländlichen Räumen fordern dazu auf, kirchliche Aktivitäten und Dorfentwicklung zusammenzudenken. So können die identitätsstiftenden Kirchengebäude als Begegnungsorte genutzt werden und Raum für unterschiedliche Angebote bieten. Voraussetzung für eine gelungene Kooperation sind u.a. die Neugier, neue Wege zu beschreiten sowie die Offenheit der Dorfgemeinschaften, Kirche neu zu denken.

Mit diesen Sätzen lud das „Forum ländlicher Raum – Netzwerk Brandenburg Mitte August zu einem Fachworkshop in die Heimvolkshochschule am Seddiner See ein.

In den letzten Jahren konnten – regional unterschiedlich gestreut – etliche Kirchen mit Mitteln des LEADER-Programms der Europäischen Union instandgesetzt werden. Diese EU-Förderung ist kein Denkmalschutzprogramm, sondern ein finanzielles Instrument zur Stärkung ländlicher Räume. So müssen mit den recht umfangreichen Antragsunterlagen auch detaillierte Nutzungskonzepte eingereicht werden. Immer mehr Kirchengemeinden öffnen sich und ihre Kirchengebäude, um die Nutzung zu erweitern. So werden Kirchenräume regelmäßig für Veranstaltungen und Begegnungen unterschiedlichster Art genutzt werden, sie werden zu Raststationen für Wanderer, Pilger oder Radfahrer oder neue kulturelle Angebote ziehen Besucher aus dem eigenen Dorf, der Region oder von noch weiter her an.

Koordiniert wird die Vergabe der LEADER-Mittel durch Lokale Aktionsgruppen (LAG) in den Regionen Brandenburgs. Zwei Vertreter dieser Einrichtungen – Marcus Kolodziej von der LAG Havelland und Katrin Lohmann von der LAG Spree-Neiße-Land stellten eindrucksvolle Beispiele gelungener Projekte vor und erläuterten  die Modalitäten der Antragstellung und Projektdurchführung.

 In Laubst (SPN) entstand unter dem Motto „Kirche Plus“ ein Gemeinschaftsort und eine Begegnungsstätte für alle Bürger, Vereine und Interessegemeinschaften des Dorfes. Es gelang, den maroden Kirchturm instand zu setzen, das Kirchenschiff umfangreich zu sanieren sowie Toiletten und einen Küchenraum einzubauen. Möglich war dies durch ein verlässliches Netzwerk aus Kirchengemeinde, örtlichen Vereinen, der Kommune und sogar der Jagdgenossenschaft, das sich auch über die Bauzeit hinaus als tragfähig erweist.

AUFSETZEN des Turmhelms der Dorfkirche Laubst, die ein Gemeinschaftsort für alle Bürger des Ortes ist                                               Foto: Ev. Kirchengemeinde

Ein weiteres erfolgreiches Projekt stellte Andreas Flender vom Förderverein Kirche Pessin (HVL) vor. Über einen Zeitraum von etlichen Jahren konnte der imposante Bau mit den durch einen Dachüberstand beim barocken Umbau 1739 entstandenen einzigartigen Lauben auf der Süd- und Nordseite bis 2012 grundlegend saniert werden. Für einen Ort mit 600 Einwohnern wäre die Kirche als reiner Gottesdienstraum viel zu groß. Nun jedoch finden Konzerte und Ausstellungen in Zusammenarbeit mit Kultureinrichtungen der Region statt. Eine Heimatstube entstand im Turm.  Eine Partnerschaft gibt es unter anderem mit dem Naturschutzbund NABU. Immer häufiger besuchen Touristen die Kirche mit ihren festen Öffnungszeiten. Die Durchführung der Veranstaltungen und die Bewirtschaftung erfolgen ausschließlich ehrenamtlich.

Generalsuperintendentin Heilgard Asmus wies in ihrem Beitrag über das Selbstverständnis der Kirche im ländlichen Raum darauf hin, dass der größte Teil der 1.646 Kirchen und Kapellen in Brandenburg unter Denkmalschutz stehen. Dies erfordert bei der Planung von Um- bzw. Einbauten, die bei geplanten Nutzungserweiterungen nötig werden Fingerspitzengefühl und eine möglichst frühe intensive Abstimmung mit den Denkmalschutzbehörden. Hier war unter den Teilnehmern häufig Kritik zu hören. Von Seiten der amtlichen Denkmalpflege ist vielleicht manchmal mehr Pragmatismus gefordert, von den Akteuren vor Ort jedoch auch mehr Einsicht in die Belange des Umgangs mit historisch gewachsenen Räumen.

Die zum Abschluss des Workshops in Arbeitsgruppen durchgeführten Diskussionen zeigten, dass Kirche im ländlichen Raum bereits an vielen Orten ein wichtiger Faktor zur Stabilisierung des Gemeinwesens darstellt. Dies kommt dem soziokulturellen Leben in den Dörfern ebenso zugute wie den zahlreichen Kirchengebäude, die auch in Zukunft noch das Dorfbild prägen werden. Gegenwärtig läuft eine Periode für LEADER-Förderung aus; die Fördergrundsätze für eine neue Periode sind noch nicht bekannt. Bleibt zu hoffen, dass auch weiterhin Kirchengebäude von den EU-Mitteln profitieren können.  

Bernd Janowski

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