Zu viele Kirchengebäude?
Ein Tag in Brandenburg an der Havel
Der Besuch einer Familienfeier brachte es mit sich, dass wir einen ganzen Tag, sogar mit Übernachtung, in der Stadt Brandenburg an der Havel zubrachten. Wir nutzen die Gelegenheit, wieder einmal die zahlreichen reich ausgestatteten und fast ausnahmslos vorbildlich sanierten Kirchengebäude zu besuchen. Über eine lange Zeit gab es drei eigenständige Siedlungen: 1715 schlossen sich Altstadt und Neustadt, jeweils von einer eigenen Stadtmauer umgeben, zur Stadt Brandenburg zusammen. Und erst zur Tausendjahrfeier 1929 wurde auch die Dominsel eingemeindet. Ausführlich über die Geschichte der Stadt zu schreiben, würde bei Weitem den Rahmen dieses kurzen Beitrags sprengen. Bleiben wir bei einem Blick auf die Kirchengebäude:
Wir beginnen unseren Rundgang an der St. Nikolaikirche, einer eindrucksvollen Backstein-Basilika, die wohl als Gotteshaus für eine früh wüst gefallene Kaufmannssiedlung namens Luckenberg entstand. Zu DDR-Zeiten im verwahrlosten Zustand, wurde sie in den neunziger Jahren von der St. Gotthardt-Gemeinde an die katholische Kirche abgegeben und vorbildlich instandgesetzt. Sie dient als Ort für ökumenische Gottesdienste und als Gebet- und Gedenkstätte für ungerechte Gewalt. Leider ist eine spontane Besichtigung des Kirchenraumes nicht möglich.
St. Gotthardt als Pfarrkirche der Altstadt besitzt in Teilen des Westbaus die ältesten erhaltenen baulichen Relikte im Stadtgebiet. Die spätgotische Hallenkirche erinnert mit zahlreichen Epitaphien und Grabdenkmälern an Bürgerfamilien vergangener Jahrhunderete und verwandelt die Kirche in ein Lexikon der Stadtgeschichte. In der Südkapelle ist der berühmte Einhornteppich aus dem 15. Jahrhundert zu bestaunen. Nicht weit davon erinnert ein verkohlter Paukenengel an die vor genau 50 Jahren, im Jahr 1972, bei einem Brand zerstörte grandiose Barockorgel von Joachim Wagner von 1736/37. Durch Zufall ergibt sich ein Gespräch mit Pfarrer Philipp Mosch, der sich dafür bedankt, dass der Förderkreis Alte Kirchen sich finanziell an der Sanierung der Glockenanlage beteiligt.
Auf dem Weg in die Neustadt passieren wir die direkt an der Jahrtausendbrücke am Ufer der Havel gelegene St. Johanniskirche, die Kirche des ehemaligen Franziskanerklosters der Stadt. Bei einem Luftangriff 1944 wurde das gesamte Westjoch zerstört; 1985 stürzte das Dach über dem Chor ein. Nach 1989/90 erhielt die Ruine ein Notdach, die Außenmauern wurden durch den Einbau einer gewaltigen Rüstung stabilisiert. Erst im Vorfeld der Bundesgartenschau 2015 gelang eine Sanierung nach Planungen des Architekturbüros Krekeler. Den westlichen Abschluss des Kirchengebäudes, das heute als kommunaler Veranstaltungsort genutzt wird, bildet eine große transparente Glasfront.
Die Pfarrkirche der Neustadt, St. Katharinen, entstanden um 1400 und eines der Hauptwerke norddeutscher Backsteingotik, wurde von dem Stettiner Baumeister Hinrich Brunsberg entworfen. Auch sie besticht durch eine reichhaltige Ausstattung. Bereits in den achtziger Jahren wurde die mittelalterliche Ausmalung, damals in ihrer Farbigkeit fast noch etwas befremdlich, freigelegt und restauriert. Auch hier gab es eine Orgel von Joachim Wagner, die – hinter einem barocken Prospekt von Johann Georg Glume – allerdings mehrfach umgebaut wurde und nach einer kürzlich erfolgten Erweiterung heute die größte Kirchenorgel des Landes Brandenburg darstellt. Gegenwärtig bittet die Kirchengemeinde um Spenden für die Restaurierung des gotischen Hochaltars.
Im Brandenburger Dom haben wir die Gelegenheit, uns spontan einer Führung anzuschließen. Besonders interessieren uns diesmal die Sandstein-Kapitelle in der Krypta mit ihren rätselhaften Darstellungen. Im Kirchenraum findet gerade ein Gottesdienst des Dom-Gymnasiums statt, den wir nicht stören wollen. Die Pause wird für einen Kaffee und ein Stück Kuchen im schattigen Innenhof genutzt.
Den Abschluss des Tages bildet – vorbei am ehemaligen Pauli-Kloster, in dem sich das Archäologische Landemuseum befindet – ein Spaziergang zur ehemaligen Hospitalkapelle St. Jakob, ursprünglich vor den Toren der Neustadt gelegen. Seitdem der Sakralbau im Rahmen einer Straßenerweiterung 1892 um 11 Meter verschoben wurde, trägt er im Volksmund den Namen „Verrückte Kapelle“. Seit einigen Jahren befindet sich die Kapelle im Eigentum der Stiftung Wredowsche Zeichenschule, die es für Ausstellungen und Kulturveranstaltungen nutzen möchte. Erst vor wenigen Wochen wurden Instandsetzungsarbeiten, an deren Finanzierung auch der Förderkreis Alte Kirchen beteiligt war, abgeschlossen.
Fazit: Brandenburg an der Havel, eine Stadt, die zur Wende 1989/90 in großen Teilen einen desolaten Eindruck bot, ist sich heute seiner reichen Geschichte bewusst, was der Besuch seiner zahlreichen Kirchengebäude eindrücklich belegt.
Text und Foto: Bernd Janowski