Lebendiges Hugenottenerbe

Die Dorfkirche Klein Ziehten (Barnim)

Historisch gehörten die zwischen Joachimsthal und Angermünde gelegenen Dörfer Groß Ziethen und Klein Ziethen zur Uckermark. Durch die DDR-Kreisreform 1952 gelangten die Orte zum Kreis Eberswalde im Bezirk Frankfurt (Oder), was schließlich dazu führte, dass sie 1993 dem Landkreis Barnim zugeteilt wurden.
Klein Ziethen wurde 1329 erstmals urkundlich erwähnt. 1466 geriet es in den Besitz des Klosters Chorin und gehörte nach der Säkularisation 1542 zum kurfürstlichen Amt Chorin. Bei einem „Ketzerprozess“ im Jahre 1458 gehörte auch der Klein Ziethener Schulze Johannes Goreß zu den Angeklagten, die beschuldigt wurden, Anhänger der Bewegung der Waldenser zu sein; die gesamte Bauerngemeinde von Klein Ziethen wurde zur Aussage nach Angermünde einbestellt. Den Dreißigjährigen Krieg überlebten in Klein Ziethen nur ein Bauer und ein Kossät mit ihren Familien. Die wüst gefallenen Hofstellen wurden – ebenso wie im benachbarten Groß Ziethen – 1686 mit französischen Glaubensflüchtlingen (Hugenotten) aus dem Hennegau besetzt, denen durch das Edikt von Potsdam zahlreiche Privilegien gewährt wurden.
Die französisch-reformierten Kirchengemeinden in Groß Ziethen und Klein Ziethen waren rechtlich selbständig; der jeweilige Pfarrer wohnte in Groß Ziethen. Bei getrennten Kirchenkassen waren Rivalitäten zwischen den beiden Gemeinden unvermeidlich. Auch die Pfarrerswahl führte gelegentlich zu Konflikten. Die wenigen lutherischen Einwohner waren damals nach dem benachbarten Herzsprung eingemeindet. Eine Gottesdienstordnung von 1730 berichtet, dass an den Sonntagen Vormittags- und Nachmittagsgottesdienste abwechselnd in beiden Dörfern abgehalten wurden. Noch bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts erfolgten bei den Gottesdiensten Liturgie und Predigt in französischer Sprache. Der französisch-reformierte Status blieb bis heute erhalten.

Dorfkirche Klein Ziethen Foto: Wikipedia

Die Klein Ziethener Kirche ist ein verputzter Feldsteinbau des 13. Jahrhunderts. Ein Fachwerkturm von 1745 wurde 1880/81 durch den jetzigen Backsteinturm nach Entwürfen des Bauinspektors Blaurock ersetzt. Der Innenraum wurde 1898/99 gründlich umgestaltet. Zuvor konstatierte das Presbyterium, dass nicht nur der Putz an der Kirche abfällt und der Farbanstrich im Inneren verschwindet, was eine gründliche Renovierung innen wie außen erfordert, sondern dass auch die Kirche auf jeden Besucher einen sehr gedrückten, „dumpfen“ Eindruck macht. Bei dem schließlich erfolgten Umbau wurden die alte Holzdecke durch eine hölzerne Flachtonne ersetzt, Seitenemporen abgerissen, ein neues Gestühl aufgestellt und die Orgelempore neu aufgeführt. Bereits 1890 war eine von der Eberswalder Firma Friedrich Kienscherf gefertigte Orgel angeschafft to worden. Dem Engagement der hugenottischen Gemeinde ist es zu verdanken, dass die originalen Orgelpfeifen aus Zinn und die beiden historischen Bronzeglocken während des Ersten Weltkrieges durch Ausgleichszahlungen erhalten werden konnten.
Bemerkenswert ist die Kanzel in Formen der Spätrenaissance, die aus der 1. Hälfte des 17. Jahrhunderts – und damit aus „vorhugenottischer“ Zeit stammt und leider 1885 mit weißer Ölfarbe überstrichen wurde. Am Kanzelkorb sind rundbogige Nischen sichtbar, in denen wohl ursprünglich Bildreliefs eingefügt waren, was in einer reformierten Kirche schlicht nicht vorstellbar ist. Da die Klein Ziethener Kirche nach dem Dreißigjährigen Krieg laut der Chronik des Pfarrers Devaranne ein „Trümmerhaufen“ war, ist nicht anzunehmen, dass ausgerechnet die Kanzel erhalten blieb. Ist sie vielleicht aus einer anderen Kirche hierher verbracht worden, eventuell sogar aus Groß Ziethen, wo laut Bauakten bei einem Umbau 1864 die Kanzel entfernt wurde? Die Frage muss vorerst offen bleiben.
In seiner hugenottischen Schlichtheit bietet der Innenraum der Klein Ziethener Kirche doch einen sehr ansprechenden Raumeindruck. Nur müssten dringend Sanierungs- und Restaurierungsarbeiten vorgenommen werden. So sollte als erstes die Dacheindeckung aus Betondachsteinen erneuert werden, um Folgeschäden vorzubeugen. Die zahlenmäßig recht kleine, nichts desto trotz sehr aktive reformierte Kirchengemeinde und der Verein Lebendiges Hugenottenerbe e.V. haben baulich in den letzten Jahren viel geschafft: Die zum Pfarrsprengel gehörende Kirche im benachbarten Senftenhütte wurde umfassend instandgesetzt. Das Pfarrhaus in Groß Ziethen wurde saniert und zur Pilgerherberge ausgebaut. Beide Maßnahmen hat finanziell auch der Förderkreis Alte Kirchen unterstützt. Nun beschloss der Vorstand des Förderkreises, die Kosten für ein Sanierungsgutachten für die Kirche in Klein Ziethen zu übernehmen.


Bernd Janowski

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