Glocken aus Hamburg-Barmbeck finden neue Heimat

Im Juni 2020 erfuhr ich, dass aus der aufgegebenen evangelischen Bonifatiuskirche in Hamburg-Barmbek drei Bronzeglocken samt frei stehendem Glockenturm zu vermitteln wären. Nach einer ersten Kontaktaufnahme teilte Pastorin Urbach mir mit, dass der Kirchgemeinderat sich auch vorstellen kann, die Glocken ohne Turm abzugeben. Wie schon mehrfach zuvor, wurde diese Information auf der Homepage des FAK – Bereich „Marktplatz“ – veröffentlicht. Mitte Juli 2020 erreichte mich ein Anruf von Jörg Naß, einem Orgelbauer aus Rheine/Westf., der auf das Glockenangebot gestoßen war. Herrn Naß kannte ich aus einer im vorletzten Jahr durchgeführten Aktion, einer erfolgreichen Vermittlung eines neugotischen Altars aus Hannover nach Willkischken/ Vilkyskiai im Memelland (Litauen). Da Herr Naß an den Glocken großes Interesse zeigte und bereits von der evangelischen Gemeinde in Kinten/ Kintai wusste, dass hier Bedarf an Kirchenglocken bestand, wurde der Kontakt nach Barmbek hergestellt. Schnell wurde man handelseinig.

Einweihung des neuen Glockenturms in Kinten mit Bischof Sabutis. Foto: Jörg Naß


In Kinten nutzt die katholische Gemeinde die ehemalige evangelische Kirche und die evangelische Gemeinde das daneben stehende Gemeindehaus. Beide Gemeinden haben weder Glocken noch einen Glockenturm. Da war das Angebot aus Hamburg-Barmbek wie ein Sechser im Lotto, zumal die Glocken sowie der Kirchturm nach Litauen verschenkt wurden. Die litauische Gemeinde sollte lediglich den Abbau und den Transport nach Litauen managen und die anfallenden Kosten tragen.
Nachdem die Corona-Pandemie den Transport längere Zeit verhindert hatte, war es Mitte Juni 2021 endlich soweit. Am 19. Juni gab es in Barmbek einen Abschiedsgottesdienst für den Glockenturm, bei dem die Glocken das letzte Mal in Hamburg läuteten. Danach begannen die Arbeiten für den Abbau. Der Turm mit Läutewerk und den darin festgezurrten Glocken wurde am 30. Juni als Ganzes auf einen Tieflader gelegt und von Hamburg nach Kiel transportiert. Mit einer der Baltikumfähren ging die Ladung nach Klaipeda, von wo aus der Turm weiter nach Kinten transportiert wurde. Am 20. Juli kam die Ladung an ihrem Bestimmungsort an.
Zwischenzeitlich hatte die litauische Gemeinde das Fundament vorbereitet. Der Glockenturm konnte mittels eines Kranwagens aufgerichtet und auf das Fundament gesetzt werden. Am 15. August fand die offizielle Einweihung des Glockenturms mit den drei Glocken statt, an der neben dem örtlichen Pfarrer Mindaugas Zilinskis auch der evangelische Pfarrer aus Plicken, Liudvikas Fetingis, sowie der evangelische Bischof für Litauen, Mindaugas Sabutis, teilnahmen. Ferner waren auch noch Gemeindemitglieder sowie Bürger aus Kinten und umliegenden Dörfern sowie auch Gäste aus Silute (Heydekrug), Klaipeda und aus Deutschland dabei, als nach fast 70 Jahren in Kinten am Kurischen Haff wieder die Kirchenglocken läuteten.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der hier stehende Glockenturm der evangelischen Kirche von den Sowjets zerstört. Ein Neubau durfte danach nicht entstehen! Erst seit der Wende im Baltikum besteht die Möglichkeit, dass insbesondere evangelische Kirchengemeinden im Baltikum ihre Gebäude restaurieren und mithilfe von Gemeinden in Deutschland mit Ausstattungsgegenständen versorgen können.
Somit hat der Förderkreis Alte Kirchen Berlin – Brandenburg e.V. auch dazu beitragen können, dass in ehemaligen deutschen Gemeinden in Litauen wieder Gottesdienste in einem stilvollen Rahmen stattfinden können.

Joachim Killus

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