Gute Kontakte zahlten sich aus

Warum die Bronzeglocken der Paul-Gerhardt-Kirche aus Hamburg-Wilhelmsburg jetzt in der St.-Nikolai-Kirche zu Alt Ruppin läuten

Mit Entsetzen lass ich am 27. Februar 2014 im Hamburger Abendblatt einen Artikel, der die Überschrift: „Paul-Gerhardt-Kirche in Hamburg-Wilhelmsburg wird abgerissen!“ trug. Das empfand ich als eine echte Provokation „Wie kann man eine Kirche abreißen?“, fragte ich mich. Noch dazu eine vergleichsweise neue. Die Paul-Gerhardt-Kirche war ein Gotteshaus aus dem Jahre 1961, mit viel Beton gebaut, inzwischen in die Jahre gekommen und deshalb mit einem relativ hohen Sanierungsbedarf.

Aufgrund der Strukturen in den zwei dortigen Kirchengemeinden und den dazu gehörenden beiden Gemeindezentren entschied man sich schweren Herzens, die Paul-Gerhardt-Kirche abzureißen und deren wertvolle Bronzeglocken zu veräußern.

Der Förderkreis Alte Kirchen Berlin-Brandenburg hat sich ja bekanntlich zum Ziel gesetzt, die Instandsetzung, Erhaltung und angemessene Nutzung von Dorfkirchen zu fördern. Zu diesen Zielen gehört auch die Vermittlung von Ausstattungs-Gegenständen aus profanierten bzw. aufgegebenen Kirchen, der ich mich seit mehreren Jahren in besonderem Maße verschrieben habe. Aufgrund unserer Kontakte zu diversen evangelischen Landeskirchen und katholischen Bistümern war es in der Vergangenheit bereits des Öfteren möglich, Kirchengemeinden in Brandenburg in dieser Frage behilflich zu sein.

Voraussetzung ist aber, dass die Gemeinden, die ihre Kirchen aufgeben möchten, die dann nicht mehr benötigten Gegenstände nicht in den Nachbar- oder Patengemeinden platzieren wollen oder können.

Nach der Lektüre des Zeitungsartikels nahm ich mit Pastor Vigo Schmidt von der betroffenen Kirchengemeinde in Hamburg-Wilhelmsburg Kontakt auf. Diese Kontaktpflege dauerte bis zum 19.7.2018, also mehr als vier Jahre. Dann rief mich Pastor Vigo Schmidt eines Tages an und sagte: „Es ist soweit – unsere Kirche wird Anfang kommenden Jahres abgerissen“. Nun war das Projekt „Glocken aus Hamburg-Wilhelmsburg“ endgültig bei mir auf dem Tisch:

Ich habe die Regionalbetreuer des Förderkreises Alte Kirchenkontaktiert und ihnen das Projekt vorgestellt. Gleichzeitig habe ich aus früheren Aktivitäten – einer Glockenvermittlung aus dem Bistum Hildesheim nach Jühnsdorf im Landkreis Teltow-Fläming – Verbindung zu dem dortigen Pfarrer Steffen Wegener aufgenommen. Und dabei erwies sich einmal mehr der alte Spruch als wahr: Kontakte schaden nur dem, der sie nicht hat! Pfarrer Wegener hat gute Beziehungen nach Alt Ruppin und wusste, dass dort Not an der Kirche bzw. an den Glocken war!

Kirchturm von Alt Ruppin Foto: Bärbel Wunsch

Langer Rede kurzer Sinn: Ende Oktober 2018 trafen Herr Gregor Hamsch aus Alt-Ruppin und ich uns bei Pfarrer Schmidt in Hamburg-Wilhelmsburg. Da Herr Hamsch und Pfarrer Schmidt sich im Prinzip einig waren, kam der Vertrag über die Glockenübergabe zustande. Im Sommer 2019 wurden die Glocken aus dem Turm der Paul-Gerhardt-Kirche ausgebaut und nach Alt Ruppin verbracht. Das Ergebnis der Bemühungen von allen Beteiligten ist der Grund, weshalb im August dieses Jahres, also sechs Jahre, nachdem ich erstmals vom Kirchenabriss in Hamburg-Wilhelmsburg erfahren hatte, die Indienstnahme der neuen Glocken gefeiert werden konnte.

Joachim Killus bei der Indienstnahme der Glocken
Foto: Bärbel Wunsch

Mit anderen Worten: Es heißt schon dicke Bretter bohren und viel Geduld zu haben, wenn man solche Aktionen erfolgreich über die Bühne bringen will. An der Feier, die im Pfarrgarten unter alten Weidenbäumen am Rhin stattfand, nahmen rund 90 Personen teil. Auch aus Hamburg-Wilhelmsburg waren einige Teilnehmer angereist. Zur Feier des Tages wurden seitens der Gemeinde an die Besucher kleine Piccolo-Sektfläschchen mit dem Aufdruck verteilt: „Glockensekt anlässlich der Weihe am 16.8.2020“, eine Geste, die bei den Besuchern sehr gut ankam.

Ich hoffe, dass die neuen, alten Glocken in der St.-Nikolai-Kirche zu Alt Ruppin noch viele Generationen von Menschen aus Alt Ruppin mit ihrem Ruf begleiten werden.

Joachim Killus

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