Nachruf für Friedrich von Klitzing (1933-2021)

Friedrich von Klitzing, geb. 1933 in Hinterpommern. Seit 1945 nach Flucht und Vertreibung aufgewachsen in Mecklenburg. Studium der Mathematik in Rostock und der Architektur in Dresden. 1969 Übersiedlung aus der DDR in den Westen Deutschlands durch Freikauf. Beruflich tätig als Systemanalytiker für Planungsinformation im Rheinland, von 1982 bis ins achte Lebensjahrzehnt in selbständiger Tätigkeit.
Infolge eines ersten Besuches in Demerthin im Jahre 1986 nachhaltige Erkenntnis von der familien- und landesgeschichtlichen Bedeutung dieses Orts. Seither engagiert in der Aufarbeitung seiner Geschichte.

Mit diesen wenigen Sätzen skizzierte Friedrich von Klitzing sein eigenes Leben als Mitherausgeber unseres vor wenigen Wochen erschienenen Buches „Demerthin – Das Dorf – die Kirche – das Schloss“. Nur eine Woche vor der Auslieferung durch den Verlag verstarb Friedrich von Klitzing an den Folgen eines häuslichen Unfalls.

Unsere Zusammenarbeit hatte im Oktober 2013 auf Vermittlung von Kara Huber begonnen, als er sich um Rat an den FAK wandte: Als Mitglied der ehemaligen Patronatsfamilie engagiere er sich bereits seit Jahren für Schloss und Kirche in Demerthin und habe unlängst eine Fotodokumention zu den Wandmalereien in der Kirche anfertigen lassen und er könne auch eine Interpretation durch zwei Theologen zu den einzelnen Bildmotiven beisteuern. Aus dieser Anfrage entstand die von uns gemeinsam im Lukas Verlag herausgegebene und maßgeblich vom von-Klitzingschen Familienverein mitfinanzierte Broschüre „Die spätmittelalterlichen Wandmalereien in der Dorfkirche zu Demerthin“, die zum Tag des offenen Denkmals des Landkreises Prignitz 2014 vor Ort präsentiert werden konnte.

Angeregt durch diese Publikation konnte der FAK zusammen mit dem Landesdenkmalamt und erneut mit finanzieller Unterstützung durch den Familienverein im Juni 2015 eine sehr gut besuchte Fachtagung mit dem Thema „Mittelalterliche Wandmalerei in der Mark Brandenburg“ durchführen.

Nicht zuletzt durch den ständigen Einsatz der für die Demerthiner Kirche verantwortlichen Pfarrer Hans-Georg  Scharnbeck und Daniel Feldmann, die mit ihren Konfirmanden die Wandmalereien besichtigen und sich mithilfe der Broschüren informieren konnten, war im Herbst 2019 die gesamte Auflage im Lukas Verlag vergriffen.

Nach längeren Überlegungen mit Friedrich von Klitzing zu einer einfachen zweiten Auflage der Wandmalerei-Broschüre oder eines ganz neu konzipierten Buches zur Geschichte des Dorfes, der ehemaligen Patronatskirche und des Renaissanceschlosses Demerthin obsiegte die letztere Konzeption mit wesentlich erweitertem Inhalt und zusätzlich gewonnenen Fachautoren. Der große Verband der Familie von Klitzing machte sich erneut sehr verdient um einen bedeutenden Anteil der Finanzierung, so dass die neue Publikation trotz der aktuellen Schwierigkeiten zur Zeit der Pandemie Anfang März dieses Jahres ausgeliefert werden konnte, nur wenige Tage nach dem tragischen Tod des Mitherausgebers.

In diesen gut sieben Jahren der Zusammenarbeit war mir Friedrich von Klitzing ein fast freundschaftlich verbundener Ratgeber und Mitstreiter geworden. Darüber hinaus ließ er mich immer wieder an seiner Lebensgeschichte teilnehmen:

Geboren ist er als ältestes von acht Kindern in dem vor 1945 zum Amt Stargard gehörenden Bauerndorf Grassee (Studnica) in der damaligen Provinz Pommern, ca. 80 km östlich von Stettin, in einer recht kargen, landwirtschaftlich geprägten Gegend. Wenn man bedenkt, dass Grassee seinerzeit nur auf Sandwegen zu erreichen war, muss das vom Architekten Martin Gropius errichtete, malerisch am Seeufer stehende väterliche Gutshaus einen deutlichen Kontrast abgegeben haben.

Über die Flucht und Vertreibung bei Kriegsende 1945 hat er gemeinsam mit zwei ehemaligen Bauernsöhnen, mit denen er zusammen mit etwa 50 Kindern in acht Jahrgängen in einem einzigen Raum der Dorfschule in Grassee unterrichtet wurde, im Jahr 2007 einen

beeindruckenden Bericht geschrieben. Der Fluchttreck der Familie endete in Waren (Müritz), wo die kinderreiche Familie erst einen Raum, später zwei Räume in einem Gutshaus zugewiesen bekam. Seine Mutter wurde als Neusiedlerin registriert, mit Anspruch auf etwas Wald, Wiese und schlechtem Acker. Als „Sohn einer Neusiedlerin“ durfte der Sohn Friedrich schließlich Mathematik und Architektur studieren.

Der Architektur galt später sein ganz besonderes Interesse: Zusammen mit zwei Dresdner Kommilitonen wurde er z.B. mit besonderer Genehmigung der Hochschule Anfang 1960 nach Potsdam zur Dokumentation des zerstörten Stadtschlosses und der Sprengung geschickt. Das Fotomaterial hat Friedrich von Klitzing in einer Vortragsveranstaltung im Jahr 2018 der Stadt Potsdam überreicht.

Aus gleichem Interesse an der Architektur und aus familiären Gründen resultierte seine Beschäftigung mit Martin Gropius, der mit Entwürfen zu Gutshäusern verschiedener Klitzingscher Familienzweige in Pommern beauftragt war, aber in seiner Jugend für einige Zeit vom Berliner Elternhaus „zur besseren Erziehung“ zur Verwandtschaft ins Demerthiner Schloss geschickt worden war. Über Martin Gropius und zur Familiengeschichte richtete Friedrich von Klitzing 2010 und 2012 im Schloss Demerthin zwei Tagungen aus, verbunden mit einer kleinen Ausstellung.

Vor allem aber hat sich Friedrich von Klitzing um eine erste Instandsetzung der Schlossfassade, um verschiedene, später verworfene, Vorschläge zur angemessenen Umnutzung des Schlosses und um die würdige Wiederherstellung des ehemaligen Patronatsfriedhofes verdient gemacht.

Wolf-Dietrich Meyer-Rath

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