Entdeckungen in der Krüssower Wallfahrtskirche

Seit einigen Jahren bemüht sich der Förderverein Wallfahrtskirche Alt Krüssow e.V. zusammen mit der ev. Kirchengemeinde um den Erhalt ihres außergewöhnlichen Kirchenbaus im Zentrum des 5 km östlich von Pritzwalk gelegenen Prignitzer Runddorfes. Erstmalig 1367 als „Crussow“ erwähnt, ragt inmitten des Ortes die schon weit aus der Ferne sichtbare überaus imposante Kirche empor. Bei dieser handelt es sich jedoch nicht um einen der typischen mittelalterlichen Sakralbauten, sondern vielmehr um eine der letzten größeren vorreformatorischen ländlichen Kirchen der Mark Brandenburg mit überregionaler historischer Bedeutung. Sie wurde vom Havelberger Bischof Johann von Schlabrendorff (1501 – 1520) gestiftet und der Überlieferung nach 1520 geweiht.

Anfänglich als märkischer Dorfkirchenbau in Feldstein-/ Backsteinbauweise begonnen, führte die bischöfliche Protektion durch Etablierung einer regionalen Annen-Wallfahrt zum Planwechsel in Form einer religiösen und baulichen Bedeutungssteigerung. Der ursprünglich bescheidene Kirchenbau wurde zu einem stattlichen Backsteinsaal erweitert, mit einem dem Südquerhausgiebel der Wilsnacker Wunderblutkirche architektonisch folgenden und überaus reich mit Formsteindekor geschmückten Ostgiebel. In einer fast quadratischen noch um 1513 (d) aus Feld- und Backstein errichten Kapelle an der Nordseite wurde im Spätmittelalter, einer Legende nach, der „Rock der Heiligen Anna“ gezeigt und verehrt. Diese Reliquie wurde 1877 in das Märkische Provinzialmuseum Berlin gegeben und gilt dort seit dem frühen 20. Jahrhundert als verschollen. Erst 1878/79 erhielt der Kirchenbau den zwar schon in der ersten Hälfte des 16. Jahrhundert geplanten, seinerzeit jedoch nie ausgeführten massiven West-Turm im neugotischen Stil. Er ersetzte damit einen 1726 errichteten hölzernen barocken Glocken-Dachturm auf dem nördlichen Kapellenanbau.

Die Kirche von Alt Krüssow

Im Rahmen der aktuell laufenden Baukampagne, die eine Innenraumrestaurierung der Nordkapelle einschließlich der Umsetzung einer Dauerausstellung zum spätmittelalterlichen „Annenkult“ zum Ziel hat und auch die Sanierung des Kirchturms inklusive des Einbaus einer Teeküche und WC-Anlage umfassen soll, waren die Denkmalbehörden von Anfang an eingebunden. Die seitens des Denkmalamtes geforderte baubegleitende archäologische Dokumentation der Bodeneingriffe für neue Medienführungen schien anfänglich keine Funde ans Tageslicht zu fördern. In den letzten Tagen der Baubegleitung kam es jedoch dann zu einer bedeutenden Entdeckung. Unter anderem wurden zwei identische fast unversehrte Pilgerzeichen gefunden.

Bei Pilgerzeichen handelt es sich um Abzeichen, die meist in Form kleiner Flachgüsse als Plaketten, und Medaillen aus einer Blei-Zinn-Legierung hergestellt und im Mittelalter an Wallfahrtsorten verkauft wurden. Pilger konnten diese „Marken“ also vor Ort erwerben und trugen sie dann auf ihrer Wallfahrt am Hut oder an der Kleidung.

Das bereits bekannte, jedoch bisher keiner Wallfahrtsstätte klar zuzuordnende Pilgerzeichen mit der Abbildung einer Anna selbdritt konnte nun durch den Experten Dr. Hartmut Kühne eindeutig dem Alt Krüssower Gnadenort zugewiesen werden. Kurz vor Ende der baubegleitenden Untersuchungen wurde noch ein weiteres, leider zum Teil beschädigtes Pilgerzeichen geborgen. Die Begutachtung durch den Experten führte auch in diesem Fall zur raschen Identifizierung. Ein glücklicher Umstand, denn erst 2013 gelang es, das ebenfalls eine Anna selbdritt zeigende markante Zeichen einer spätmittelalterlichen Wallfahrtsstätte zuzuschreiben. Es handelt sich um den Gnadenort der Hl. Anna im heutigen Bad Münder (Niedersachsen), wie auf einem Schriftzug „vor de stat mundere“ unter der Heiligendarstellung zu lesen ist. Der zentral bei dieser „Marke“ platzierte stehende Löwe  im Wappenschild erinnert dabei an den ehemaligen Landesherren, die Fürsten von Lüneburg (Auskunft H. Kühne, 2019).

Die Verteilung der bisherigen Fundorte Alt Krüssower Pilgerzeichen bestätigt, dass die Gnadenstätte „SANCT ANNA TO KRUSSOW“ der wohl bedeutendste spätmittelalterliche Annenwallfahrtsort Nordostdeutschlands war. Darüber hinaus muss er auch Anlaufpunkt vieler Pilger gewesen sein, die sich nur der Verehrung der Hl. Anna verschrieben hatten und ihre Wallfahrtstätten womöglich im gesamten deutschsprachigen Raum aufsuchten, – eine neue Erkenntnis, die so nicht zu erwarten war.

Diese und weitere Entdeckungen werden am 16. 07. 2019 im Rahmen des Forschungscolloquiums der Landesgeschichtlichen Vereinigung für die Mark Brandenburg e.V. unter dem Titel: „Annenkult in der Prignitz – der spätmittelalterliche Wallfahrtsort Alt Krüssow im Spiegel aktueller bau- und kunsthistorischen Forschungen“ durch den Verfasser vorgestellt.

Veranstaltungsort: Bibliothek der Landesgeschichtlichen Vereinigung im Haus 4 der Berliner Stadtbibliothek in Berlin-Mitte, Breite Straße 30-36.

Gordon Thalmann

Vorheriger Beitrag
Auf der Mitgliederversammlung notiert

Neue Homepage ist ein Glanzlicht Bilanz des Jahres 2018 kann sich sehen lassen Das Schöne an unseren jährlichen Mitgliederversammlungen ist nicht nur, dass man dort eine „geballte Ladung“ an Informationen […]

weiterlesen
Nächster Beitrag
Regionalbetreuer des Förderkreises berichten

Uwe Donath, Landkreis Märkisch-Oderland Nun grüßt wieder ein Turm Wer die Bundesstraße 168 in Richtung Fürstenwalde passiert, entdeckt an der Kurve in Trebus die markante Dorfkirche. Auffallend ihre teilverputzten Feldsteinmauern, […]

weiterlesen