Ein Arbeitstag in der Kirche in Zixdorf

Aus dem Tagebuch einer Restauratorin

Morgens um halb sieben in Garrey: Draußen ist es noch dunkel und wir schälen uns aus den weichen Daunendecken in Gabis Pension. Die Erste kocht Kaffee, der sporadisch im Flur zwischen Zimmer und Bad aufgeteilt wird. Mit unserer Ausrüstung, in Kisten bepackt, beladen wir das Auto. Gabi ist schon wach und Gisbert, ihr roter Kater, schleicht gerade von seiner Nachtschicht durch das Gebüsch Richtung Futternapf.
Auf dem Weg zur Kirche hängt der Nebel noch über der Landstraße, am rosaroten Horizont geht die Sonne auf. An der kleinen Feldsteinkirche in Zixdorf (Potsdam-Mittelmark) angekommen, schnappt sich jede eine Kiste und wir laufen zwischen den Grabfeldern zum Eingangsportal. In einem kleinen Verschlag, der besonders bei großen und dicken Spinnen beliebt ist, betätigt die Furchtloseste den Hauptschalter, woraufhin die Kirche in hellem Kunstlicht erstrahlt. Die farbenfrohe Bemalung auf der hölzernen Innenausstattung überrascht uns auch an diesem Morgen. An der Decke ranken sich Blätter- und Granatapfelbänder, von der Orgeltonne blicken pausbäckige Engelchen hervor, davor kringeln sich an der Schildwand dicke Weinblätter um zart beschriftete Medaillons. Auch an der Apsis finden sich die Reben mit dicken Trauben wieder, darüber schwebt an der Decke eine Friedenstaube.

Wir klettern das Gerüst hoch und nach einer kurzen Lagebesprechung fangen wir mit unserer Arbeit an. Die Ausstattung haben wir schon trocken gereinigt. Staub, Spinnweben, Vogelkot und was
sich sonst noch alles gern in alten Gemäuern sammelt ist bereits entfernt.

Die Farbschicht (Fassung) schält sich an der Decke in großen Stücken ab. Vorsichtig kleben zwei Kolleginnen die gelockerte Fassung und herabhängende Farbschollen wieder an. Um die abgelösten Bereiche beim Ankleben nicht zu verschieben oder zu verlieren, wird die Fassung mit einem Vlies bedeckt.

Ein Netzmittel und später das Klebemittel werden auf das Vlies aufgestrichen. Mit einem Wattekissen und einem warmen Heizspatel wird die Farbschicht fest angedrückt. So arbeiten wir uns Stück für Stück vor.

An manchen Bereichen müssen wir die Klebkraft von unserem Klebemittel verändern, weil der Schaden zu groß ist. Die Schwierigkeit bei dieser Arbeit liegt darin, dass man sehr zügig und dennoch sorgfältig arbeiten muss. In der Kirche ist es kalt und unsere warme Leimlösung geliert schnell. Durch den alten Wasserschaden sind auf der Bemalung bereits große Wasserränder entstanden.
Wo die Leimlösung auf der Oberfläche bleibt, muss sie also schnell entfernt werden, um die alten Flecken nicht zu verstärken. Wo die Farbschicht bereits verloren ist (Fehlstelle) sind die schönen Ornamente in ihrer geschwungenen Form unterbrochen und mancherorts kaum erkennbar. Eine Kollegin ergänzt die Fehlstellen mit Farbe. Dazu mischt sie sich auf einer kleinen Palette einen Farbton an. Damit die späteren Generationen wissen, dass unsere Farbergänzungen (Retusche) nicht zum Original zählen, muss der Farbton bei der nahen Betrachtung erkennbar bleiben. Die Schwierigkeit besteht darin, den richtigen Ton zu treffen, der aber etwas heller und kühler sein sollte. Wenn die Farbe auf der Palette perfekt scheint, sieht sie auf dem Kunstwerk meistens ganz anders aus. Feine Schmutzschleier, die Beschaffenheit des Holzes oder die Kombination der Farben verändern die Farbwirkung.
Schließlich mischen wir in einen Farbton für ein schwarzes Ornament auch blaue, rote, grüne,

gelbe und weiße Pigmente dazu. Neben diesen beiden hauptsächlichen Arbeitsschritten gibt es noch kleinere Arbeiten wie die Entfernung von einem braunen Harzüberzug (Firnis) auf dem Altarbild, das Entrosten von Nägeln oder die Ergänzung von Glasscheiben an der Emporentür. Auch wer dauerhaft mit einem Aufgabenbereich beschäftigt ist, wird immer wieder von dem Kunstwerk überrascht. Kaum ein Bereich gleicht dem anderen aufgrund der unterschiedlichen Schäden und Materialzusammensetzung. Gepaart mit unserem eigenen Perfektionismus üben wir uns in einer Engelsgeduld, um diese schöne Kirche in den bestmöglichen Zustand zu bringen.
Nach Feierabend – draußen ist es schon wieder dunkel – sitzen wir abends bei Gabi im Saal. Von unserer Konzentration ist nicht mehr viel übrig. Mit einem dekadenten Stullenbuffet und dem ein oder anderen Bier machen wir es uns im Tanzsaal gemütlich, lachen über Alltägliches und alte Geschichten aus Studienzeiten. Gabi trifft auf einen kleinen Plausch dazu und hängt mehrere Ständer Wäsche ab. Zufrieden mit unserem Tag bewegen wir uns langsam wieder auf die Zimmer, um für den nächsten Tag Kraft zu tanken.


Julia Zahlten, Restauratorin
Fotos: Andrea Molkenthin

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