Das Kreuz leuchtet wieder weit ins Land
Die wundersame Geldvermehrung in Derwitz
Zu den ersten Mutmachern gehörte der Förderkreis Alte Kirchen Berlin-Brandenburg. Der hatte den Derwitzern gleich nach Gründung ihres Vereins zur Sanierung der Dorfkirche einen Scheck über 2.500 Euro als Startkapital überreicht. Aber was sind schon zweieinhalbtausend Euro für ein Projekt, das hunderttausende kosten wird? Es ist jedenfalls ein guter Anfang in den Händen ideenreicher Enthusiasten, die durch Werbung weiterer Sponsoren und Unterstützer eine wundersame Geldvermehrung in Gang setzten.
Sichtbares Zeichen erster Sanierungserfolge: Kreuz und Kugel krönen nach Erneuerung bzw. Restaurierung wieder die Turmspitze der alten Dorfkirche. Für die Derwitzer war die Rückkunft der alten Turmzier willkommener Anlass für ein fröhliches Fest, das die ganze Dorfgemeinschaft und viele Gäste vereinte.
Nach einer Andacht, gehalten von Superintendent Thomas Wisch und Gemeindepfarrer Sebastian Mews, galt die Aufmerksamkeit Kugel und Kreuz. Zu den erhaltenen Turmbeigaben der Vorfahren kamen nun Zeugnisse unserer Zeit hinzu: Tageszeitung, Dokumente, Münzen… und ein Coronatest war auch dabei.
Für den Versand dieser Botschaften an die Zukunft hatte Superintendent Thomas Wisch die Jüngsten unter den Versammelten zum Befüllen der Turmkugel eingeladen. Martha (6) und Emil (7) werden unter jenen sein, die in den kommenden Jahrzehnten das Kirchengebäude als „Gemeinschaftsort aller Derwitzer und ihrer Nachbarn“ nutzen werden. So legte es Thomas Wisch den Bewahrern des Hauses ans Herz.
In eben diesem Sinne hatte sich 2018 innerhalb der Kirchengemeinde ein Förderkreis für die Erhaltung des mehr als 500 Jahre alten Sakralbaus gegründet. „Bei uns ziehen alle am gleichen Strang“, sagte Heinz Grützmacher, Vorsitzender des Förderkreises. „Kirchengemeinde, Ortsbeirat, Feuerwehr- und Freizeitverein wirken eng zusammen, wo es um die Gestaltung eines vielseitigen gesellschaftlichen Lebens im Ort geht. Die Kirche im Zentrum des Dorfes will auch dafür ihre Pforten offen halten.
Überhaupt wird es hier künftig an Besuchern nicht mangeln, denn die Feldsteinmauern bergen eine Sensation: 17 Totenkronenbretter und Schlummerkissen, waren auf dem Dachboden entdeckt worden. Es sind Zeugnisse eines alten christlichen Brauchs. Totenkronen waren ledig Verstorbenen gewidmet, deren Begräbnis man als Hochzeit der Seele mit dem Bräutigam Christus beging. Auf Konsolbrettern wurden sie im Kirchenraum präsentiert. Reich bestickte Schlummerkissen in Vitrinen erinnerten an früh verstorbene Kinder.
Ein so reicher Fund ist in Brandenburg bisher einmalig und hatte sofort die Kunsthistorikerin und Expertin auf dem Gebiet des Totenkronenbrauchs Dr. Sylvia Müller-Pfeifruck auf den Plan gerufen. Sie begleitete den weiteren Werdegang der Derwitzer Funde, dokumentierte die Restaurierung und stöberte in Kirchenbüchern nach näheren Angaben über die Verstorbenen.
Nach ihrer aufwändigen Überarbeitung können die anrührenden Zeugen der Ortsgeschichte wieder in der Kirche betrachtet werden. Für ihre Präsentation hatten die Restauratoren jeweils strikte Auflagen mitgegeben: Vor Sonnenlicht schützen, in verglasten Kästen aufbewahren und vor allem in trockener Umgebung! Aber die mittelalterliche Feldsteinkirche ist wie viele ihrer Art feucht. Gegen Kondenswasser lässt sich kaum ankommen. Man löste auch dieses Problem. In klimatisierten Vitrinen sind die kostbaren Erinnerungsstücke nun endgültig geschützt.
Die geplanten Gesamtkosten belaufen sich zurzeit auf 618.000 Euro. In einem Informationsblatt zum Turmkrönungsfest hatte Andreas Kirsch, der Baubeauftragte des Gemeindekirchenrates, die Förderungen der drei Bauabschnitte akribisch belegt. Die Liste der Sponsoren, die für die Projekte gewonnen werden konnten, ist viel zu lang, um hier aufgeführt zu werden.
Neben diesen zumeist großzügigen Förderern sind aber mit gutem Recht auch jene zu erwähnen, die ihren ganz persönlichen Beitrag aus eigener Tasche dazulegten. Viele goldene Quilting-Sterne auf blauem Tuch, das beim Turmzier-Fest den Altar unter freiem Himmel schmückte, erzählen davon. Sie tragen die Namen der Spender, die zumeist aus dem Ort oder der Nachbarschaft stammen.
Weitere Bauabschnitte für die Sanierung der Fassade und des Innenraums der Kirche werden später noch einmal beträchtliche Kosten fordern. Helle Freude löste auch deshalb der Auftritt von Manuela Saß aus. Die Bürgermeisterin der Stadt Werder (Havel), zu der Derwitz als Ortsteil gehört, überreichte einen Scheck über 30.000 Euro.
So geht das mit der wundersamen Geldvermehrung in Derwitz…
Eva Gonda