Buchbesprechung
Wie der Havelberger Altar nach Rossow kam
Auf den ersten Blick scheint die Rossower Kirche ein Gotteshaus zu sein, wie es sie in der Mark Brandenburg und angrenzenden Regionen zu hunderten gibt. Der schlichte Feldsteinbau entstand zu Beginn des 16. Jahrhunderts. Der steile, durch Blenden gegliederte Ostgiebel ist bereits aus Backstein gemauert. Erst 1684, als die Region nach dem verheerenden Dreißigjährigen Krieg begann, sich zu erholen, entstand der freistehende Glockenturm.
Beim Betreten des Innenraumes hält der unvorbereitete Besucher erstaunt inne. Der gesamte Innenraum ist mit großflächigen Wandmalereien gestaltet. Entstanden sind die Bildzyklen in der Zeit um 1520/39 – also zu einer Zeit, als die Reformation bereits dabei war, auch in der „Provinz“ Fuß zu fassen. Eine Kreuzigungsszene an der Ostwand ist Mittelpunkt eines umfassenden Passionszyklus. Zu sehen sind jedoch unter anderem auch eine Marienkrönung, die Himmelfahrt der Maria Magdalena, eine Strahlenkranzmadonna und zahlreiche Heiligendarstellungen. Glanzstück der Ausstattung ist ein gewaltiger Altaraufsatz. Mit ziemlicher Sicherheit schmückte das Retabel bis zur Reformation den Hauptaltar des Havelberger Domes. Nach Rossow brachten ihn Mitglieder der Familie von Rohr, die als Patronatsherren von Rossow als Domherren in Havelberg wirkten. Lange Zeit ging man davon aus, dass es sich beim Rossower Altar um einen Export aus dem Rheinland handelt. Kürzlich jedoch konnten Peter Knüvener und Gordon Thalmann nachweisen, dass die Schöpfer dieses Kunstwerkes eine Werkstatt in der unmittelbaren Region betrieben. Der Mittelteil des in zwei Zonen gegliederten Schreins zeigt im oberen Teil eine Marienkrönung sowie darunter eine Kreuzigungsgruppe; eingerahmt werden beide Darstellungen von Figuren der zwölf Apostel.
Die Rossower Dorfkirche stellt einen großartigen Schatz innerhalb der Kulturlandschaft der Prignitz dar. Dankenswerterweise beschäftigt sich nun eine umfas- sende Publikation des Berliner Lukas Verlags mit der Kirche und ihrer Ausstattung, herausgegeben von Wolf-Dietrich Meyer- Rath, dem langjährigen Regionalbetreuer des FAK für die Landkreise Prignitz und Ostprignitz-Ruppin. Der Leiter des Brandenburger Domstiftsarchivs, Uwe Czubatynski, berichtet unter dem Titel „Das vergessene Fürstentum“ über die Geschichte des Bistums Havelberg und setzt damit den geographischen Rahmen. Einen detaillierten Aufsatz zur Baugeschichte des Rossower Kirchengebäudes liefert Gordon Thalmann. Antje Reichel, Leiterin des Prignitz-Museums, beschäftigt sich mit dem Wandel der Ausstattung des Havelberger Doms und zeigt die Verluste auf, die durch Umbauten, aber auch durch Änderungen der liturgischen Praxis zu beklagen sind. In diesem Zusammenhang ist die Umsetzung des ehemaligen Hauptaltars nach Rossow als wahrer Glücksfall zu betrachten. Mit der Geschichte des Retabels beschäftigt sich der Historiker Bernd Michael, bevor Peter Knüvener eine kunstgeschichtliche Einordnung vornimmt und Werner Ziems vom Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege den Rossower Altar aus kunsttechnologischer und restauratorischer Sicht betrachtet. Die spätmittelalterlichen Wandmalereien schließlich werden von dem Kunsthistoriker Kay Richter detailliert vorgestellt. Hans Burgers restauratorischer Blick auf die Ausmalung beschließt den Band
Dem reich bebilderten Buch ist zu wünschen, dass es die Leser dazu motiviert, die Kunstschätze der Rossower Kirche vor Ort zu bewundern.
B. Janowski
Wolf-Dietrich Meyer-Rath (Hg): Der Havelberger Altar und die Wandmalereien in der Dorfkirche zu Rossow. Lukas Verlag, Berlin 2018; 152 Seiten; 15,00 Euro; ISBN 978-3-86732-292-8