Buchbesprechung

Nur eine säkulare Insel im regiösen Meer?

Alexander Garth, welterfahrener evangelischer Theologe und Pfarrer an der Stadtkirche St. Marien zu Wittenberg und Autor mehrerer Bücher, bezeichnet sich selber als „lutherisch gesinnter Christ mit katholischem Herzen, pfingstlichen Sympathien und ökumenischem Horizont“. Er geht der Frage nach, wie Glaube und Kirche in einer säkularen, postmodernen Welt noch zukunftsfähig sein können.

In seinem Buch mit dem Titel „Gottloser Westen? Chancen für Glaube und Kirche in einer entchristlichen Welt“ untersucht Alexander Garth, warum, trotz weltweiter Ausbreitung von Religion, insbesondere im Christentum Asiens, Afrikas und La- teinamerikas, wo überall neue kraftvolle Gemeinden entstehen, sich die Kirchen in Westeuropa leeren und die gesellschaftliche Gestaltungsform des Christentums schwindet. Ostdeutschland und Tschechien gelten nach repräsentativen Umfra- gen des World Religious Monitor inzwischen als die religionsfernsten Gebiete der ganzen Erde. Garth geht in seiner Einschätzung so weit, dass er „Europa als eine säkulare Insel im religiösen Meer“ bezeichnet.

In neun sehr aufschlussreich untergliederten Kapiteln fragt der Autor zunächst, ob Religion nur noch ein „Auslaufmodell“ sei und begegnet der Frage aber sogleich mit der Feststellung, dass außerhalb Europas Religionen „boomen“. Sodann geht er den Ursachen und Wirkungen der Säkularisierung in Europa nach, insbesondere vor dem Hintergrund seiner spezifischen Geistesgeschichte wie vor allem der Aufklärung und des dialektischen Materialismus.

Im weiteren Verlauf untersucht er die Pluralisierung der sozialen Milieus und der westlichen Lebensstile, wo Kirchen am „religiösen Markt“ zunehmend mit anderen Sinn versprechenden Angeboten konkurrieren. Im weiteren Kapitel geht er dann auf Luthers Glaubensgrundsätze ein und leitet von dort her zur Möglichkeit der Entstehung einer, wie er sagt, „spirituell lebendigen Kirche“ über. Diese würde kleiner, weniger behördenlastig, vielfältiger und nicht notwendigerweise parochial gegliedert, dafür aber intensiver sein und würde das Evangelium, wie einst Luther, wieder ins Zentrum ihres Verkündigungsauftrages stellen. Abschließend entwirft Garth Gedanken für eine sich wandelnden Kirche in einer globalisierten Welt, einer Kirche mit der Kraft auch der Inkulturation und zudem der Chance als Großkirche.

Alexander Garth schließt mit dem Fazit: „Wenn die Kirche, diese vielleicht noch schlafende Riesin, erwacht, wenn sie ihr enormes Potenzial nutzt, wenn sie ihre Bürokratie zähmt und effektiviert, wenn sie sich nicht in unzähligen Aktivitäten verzettelt und ihre Ressourcen für ihren eigentlichen Auftrag bündelt, wenn sie für ihre Botschaft eine einladende und begeisternde Sprache findet, … dann hat auch diese ehrwürdige alte Dame, diese stolze Riesin, diese kraftvolle Bewegung der suchenden Liebe Gottes noch ihre besten Zeiten vor sich … – auch in der säkularen Kultur des Westens.“ Das Buch vermittelt insgesamt eine schonungslose Situationsanalyse, übt eine überfällige Kritik und setzt einen mutigen Impuls für ein zukünftiges lebendiges Christentum.

Dr. Uwe Otzen

Alexander Garth: Gottloser Westen? Chancen für Glaube und Kirche in einer entchristlichten Welt. Evangelische Verlagsanstalt. Leipzig 2017; ISBN 978-3-374-05026-0;15,00 Euro.

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