Kein Mumien-Tourismus in Wagenitz

Die Gruft derer von Bredow wurde in jahrelanger Arbeit restauriert

Die beiden Wissenschaftler Dr. Regina und Dr. Andreas Ströbl leiten die Forschungsstelle Gruft in Lübeck

Blick in die Mittelkammer nach Abschluss der Arbeiten

Am 14. Oktober 2023 war es endlich vollbracht – nach jahrelanger Restaurierung konnten die Arbeiten in der Gruft derer von Bredow in Wagenitz bei Ribbeck mit einem Festgottesdienst abgeschlossen werden. Die Forschungsstelle Gruft (Lübeck), die das Projekt koordinierte und eine Dokumentation der dortigen Bestattungen erstellt, macht es sich seit vielen Jahren zur Aufgabe, Grüfte nicht nur vor dem Vergessen und dem Verfall zu retten, sondern die Verstorbenen auch abschließend zu würdigen. Ein Gottesdienst mit einer letzten Aussegnung derjenigen, die nach den Arbeiten wieder in ihren restaurierten Särgen liegen, wäre – so die Meinung der Kulturwissenschaftler – ganz in deren Sinne.

Einen „Mumien-Tourismus“ soll es in Wagenitz wie an manchen anderen Orten jedoch nicht geben. Die Särge sind und bleiben verschlossen, aber zu besonderen Anlässen wie beispielsweise dem „Tag des Offenen Denkmals“ soll es möglich sein, die Gruft im Rahmen von Führungen zu besichtigen.

Zu sehen sind dort 26 Holzsärge aus der Zeit zwischen 1691 und 1849 in einem nun wieder frisch getünchten Gewölbe, das der Stifter der Kirche, Hans Christoph I. von Bredow, wahrscheinlich mit dem Bau der Kirche im Jahre 1664 einrichten ließ. Die Wände der drei Kammern sind nicht nur wieder reinlich weiß. Auch der Boden wurde begradigt und mit Granitbänkchen versehen, sodass die darauf stehenden restaurierten Särge mit Luft umspült sind und erneute Fäulnis vermieden wird. Verantwortlich für die anspruchsvolle Wiederherstellung der Särge sind die Restauratorin Claudia Laue (Beeskow) und der Tischler Matthias Beckmann (Friesack). Bei besonders stark geschädigten Objekten fertigten die beiden neue Innen-Untersärge an und bauten die Originalteile der Außensärge an die Seiten, um belastbare Särge zu erhalten, die dennoch ihre eigene, bis zu 330 Jahre alte Geschichte erzählen. Zurückhaltende Leuchten erhellen die Räume, ohne die Grablege museal erscheinen zu lassen.

Finanziert wurde das Projekt vor allem mit Mitteln der Ostdeutschen Sparkassenstiftung und der Mittelbrandenburgische Sparkasse, des Bundes und des Landes Brandenburg, des Förderkreises Alte Kirchen Berlin-Brandenburg sowie mit Eigenmitteln der Evangelischen Kirchengemeinde Havelländisches Luch.

Ist es sinnvoll, so viel Geld und Energie für eine Familiengruft aufzuwenden, die auf den ersten Blick nicht mit Prunksärgen wie den Grablegen des Hochadels aufwarten kann und deren Bestand durch die Zeitläufe bereits arg in Mitleidenschaft gezogen wurde?

Nach einer Plünderung im späten 19. Jahrhundert hatte man den Zugang vermauert und die Fensteröffnungen stark verkleinert. Durch den fast vollständigen Luftabschluss waren die kostbaren Holzsärge stark fäulnisgeschädigt. Von manchen, gerade den ältesten Stücken, existierten nur noch einige Bretter. Auch die wertvolle Bespannung mit schwarzem Samt an einem der ältesten Särge war nur noch in wenigen Resten nachweisbar.

Gerade deshalb scheint es besonders sinnvoll, alles dafür zu tun, dass die Reste der Grablege derjenigen Familie, von der Fontane sagte „Von allen märkischen Adelsfamilien sind die Bredows die märkischste unter ihnen“ für künftige Generationen bewahrt werden. Zudem ist diese Gruft neben dem beeindruckenden Gemälde das Einzige, was in Wagenitz von dieser einst einflussreichen Familie übriggeblieben ist. Denn das wunderbare Schloss, das einst das Zentrum des Ortes war und als ein Tempel der Kunst weit über die Region hinausstrahlte, gibt es seit Kriegsende nicht mehr.

Trotz der Zerstörungen bilden die Särge in der Gruft die Entwicklung vom Hochbarock über das Rokoko, den Klassizismus und das Biedermeier bis zum beginnenden Historismus ab. Und auch wenn gerade die Eisenbeschläge zum großen Teil durch Korrosion verschwunden sind, lässt sich hier doch der ornamentale Formenwandel und vor allem die Entwicklung der hölzernen Kästen hervorragend ablesen.

Blick in die Südkammer zu Beginn der Arbeiten

Das Fehlen von Inschriften erschwerte die personelle Zuordnung. Sieben Särge lassen sich aufgrund der Inschriften zweifelsfrei zuweisen, zwei mit großer Wahrscheinlichkeit. Einige Särge, die laut Archivalien in der Gruft hätten stehen müssen, befinden sich nicht mehr darin und sind wahrscheinlich bei früheren Beräumungen entfernt und in der Erde bestattet worden.

Bei vier der ältesten Objekte sind die Deckel mit Scharnieren am Untersarg fixiert. Wie bei einer Truhe lassen sich die Särge mit einem in die gegenüberliegende Wangenseite eingebauten Schloss verschließen. Solche Schlösser sind an Särgen des 17. bis 19. Jahrhunderts immer wieder zu beobachten. Ihre Funktion ist jedoch nicht eindeutig geklärt. Die Särge des Stifters, Hans Christoph I. und seines gleichnamigen Sohnes, verfügen über Schlösser mit repräsentativen Beschlägen.

Der einzige Sarg mit zeittypischer Rokoko-Ornamentik in Form von asymmetrischen Inschriften- und Bildtafeln mit Rocaillenzier ist der des 1755 gestorbenen Reichsgrafen Ernst Wilhelm von Bredow, Reichshofrat in Wien und preußischer Staats- und Kabinettsminister unter Friedrich II. Auf diesem überaus repräsentativen Sarg stechen die vergoldeten Tafeln aus Buntmetall auf der Deckelplatte heraus. Unter einer Krone ist das Familienwappen nach der Erhebung in den Reichsgrafenstand zu sehen, darunter befindet sich ein Seifenblasen-Putto, unterhalb dessen die eigentliche Inschrift mit trauerndem

Putto und abschließend eine Chronos-Darstellung. Der Gott Chronos und die Seifenblasen versinnbildlichen als Vanitas-Symbole die Endlichkeit des menschlichen Lebens.

Der profilierte Korpus ist mit hellem Hirschleder bezogen, die Kanten sind durch Tausende von versilberten Buntmetall-Rundkopfnägeln verziert. Der Sarg nimmt eine prominente Stellung ein, die der des Verstorbenen entspricht.

Sarg von Ernst Wilhelm von Bredow (gest. 1755)
Gemälde der Familie von Bredow

Die Leichname waren größtenteils skelettiert; nur wenn die Körper keinen direkten Bodenkontakt hatten, waren sie mumifiziert. Die umherliegenden Knochen konnten alle den jeweiligen Särgen zugeordnet werden. Bei der Rückbettung wurden die Gebeine in eigens angefertigte Leinensäckchen gelegt – den Stoff hatte Dietlind von Bredow zur Verfügung gestellt, sodass die Überreste der Verstorbenen nun in altem Familienleinen ruhen.

Textilien waren aufgrund der schlechten Erhaltungsbedingungen meist nur noch in Resten vorhanden, aber das seidene Kleid der 1849 gestorbenen Clara Theodora Charlotte Wilhelmine von Bredow war ausgesprochen gut erhalten, sodass die Verstorbene wieder damit bedeckt werden konnte.

Hochinteressant waren unter den Beigaben frühe Beispiele von Zahnprothesen und mehrere Zahnbürsten aus der Zeit um 1830. Diese Funde sprechen für eine damals offenbar gute zahnärztliche Versorgung.

Über Details zu Särgen und Funden werden künftig Schautafeln in der Kirche informieren. Es bleibt zu hoffen, dass das Interesse an dieser besonderen Grablege so nachhaltig sein wird wie zum Festgottesdienst. Da war die Kirche mit Gemeindemitgliedern, Projektbeteiligten und Mitgliedern der Familie von Bredow gut gefüllt. Den Anwesenden wurde dabei deutlich, dass Grüfte keine Orte des Verfalls sein müssen, sondern Auferstehungs- und Erinnerungsorte sein können, die es zu bewahren und weiterhin zu pflegen gilt

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