Die Ethik beim Restaurieren

Annett Xenia Schulz und Konrad Mrusek sprachen mit Dörte Busch, der neuen Amtsrestauratorin des Brandenburgischen Landesamtes für Denkmalpflege.

Wir sprachen mit Dörte Busch

Dörte Busch
Amtsrestauratorin
des Brandenburgischen
Landesamtes für Denkmalpflege

Im Landesdenkmalamt Brandenburg ist offenbar der teils harte Personalabbau beendet. Das ist auch für Dorfkirchen eine gute Nachricht, weil Pfarrer, Gemeindekirchenräte und Mitglieder von Fördervereinen schneller fachkundige Auskunft erhalten, wenn etwa der Holzwurm einen Kanzelaltar zerbröselt oder die Farbschicht einer Schnitzfigur abblättert. Dörte Busch heißt die neue Diplom-Restauratorin, die seit dem Sommer 2022 beim Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege in Wünsdorf bei Zossen tätig ist. Sie ist Nachfolgerin des langjährigen und höchst angesehenen Restaurators Werner Ziems, der nicht nur, aber vor allem als Taufengel-Retter berühmt wurde. Als wir vor gut einem Jahr Herrn Ziems für die „Offenen Kirchen 2022“ besuchten, war zunächst nicht klar, ob es eine Nachfolge gibt und ob nicht womöglich die Zahl der Fachleute auf zwei schrumpft. Nun sind es doch wieder drei. Dörte Busch empfand den Jobwechsel sogar als besonders angenehm, weil Werner Ziems sie zwei Monate vor dem Beginn seiner Rente noch in die Verwaltungsarbeit einarbeiten konnte. „Er hat mir sogar seine Büroblumen vermacht.“

Der norddeutsch tönende Vorname Dörte deutet schon darauf hin, woher Frau Busch stammt. 1975 wurde sie in Rostock geboren, wuchs aber in Dresden auf. Sie studierte dort nach einem zweijährigen Vorpraktikum seit 1997 Restaurierung an der Hochschule für Bildende Künste. (Auch ihr Vorgänger Werner Ziems erhielt an dieser Hochschule seine akademische Ausbildung.) Die fünfjährige Ausbildung zur Diplom-Restauratorin war und ist seit der DDR-Zeit anders angelegt als im restlichen Deutschland: Man vermittelt dort nicht allein wissenschaftliche Arbeitstechniken und handwerkliche Fähigkeiten, sondern legt auch viel Wert auf eine umfangreiche künstlerische Ausbildung, die es ermöglicht, nicht nur konservatorisch, sondern auch restauratorisch, also wiederherstellend zu arbeiten. Die Dresdner Hochschule ist die einzige Hochschule in Deutschland, die historische Maltechnik als Unterrichtsfach anbietet.

Nach dem Examen 2002 arbeitete sie zwei Jahre lang als Restauratorin am Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg. Danach war sie zeitweise als Dozentin in Dresden tätig, ehe sie sich 2008 in Berlin selbständig machte. In regionaler Hinsicht umfasste ihr Tätigkeitsgebiet nicht allein Berlin und Brandenburg, sondern auch Sachsen und Sachsen-Anhalt, sodass Dörte Busch viele Einblicke in die teils unterschiedlichen Methoden gewonnen hat, wie die drei Landesdenkmalämter sakrale und säkulare Kunst restaurieren. „In dieser Zeit hatte ich tolle Projekte“, schwärmt sie.

Einer der Höhepunkte war für das Luther-Jubiläum 2017 die Restaurierung der Epitaphe in der Stadtkirche Wittenberg, jenem Gotteshaus am Marktplatz, in dem der Reformator einst predigte.

Warum dann aber statt der Freiheit der Selbständigen der Wunsch nach einem festen Job? Am Geld lag es offenbar nicht für die Berlinerin, die am Prenzlauer Berg wohnt, sondern an der Art ihrer Tätigkeit. „Als Freiberufliche hat man viele Terminzwänge, es bleibt keine Zeit, sich kunsthistorisch mit größeren Werkgruppen oder mit der Restaurierungsgeschichte zu befassen. Auf der jetzigen Arbeitsstelle habe ich in dieser Hinsicht einen besseren Überblick über die brandenburgische Kunstlandschaft und Möglichkeiten der kunstwissenschaftlichen Aufarbeitung.“

Bisher habe sie die praktische Arbeit nicht vermisst, versichert Dörte Busch. Gleichwohl sähe sie es gerne, wenn sie an ihrem Arbeitsplatz in Wünsdorf, zu dem auch eine große Werkstatt gehört, Praktikanten oder Volontäre schulen könnte. Aber dafür hatte schon ihr Vorgänger leider keine Zeit. Denn die Tage sind ausgefüllt mit kunsthistorischer Recherche, mit Gutachten, Organisation und mit Touren über das Land. In der Regel erfahren die Amtsrestauratoren mit einem Anruf oder einer Mail, dass irgendwo in einer Kirche etwa die hölzerne Statue eines Altars abgebrochen oder ein anderer Schaden zu sehen ist. Daher beschränkt sich ihre Bürozeit in Wünsdorf auf zwei Tage pro Woche; an den anderen Tagen ist sie unterwegs, begutachtet Restaurierungen, erarbeitet Restaurierungskonzepte und vermittelt zwischen den Gemeinden und den freiberuflichen Restauratoren.

Zur Begleitung einer denkmalgerechten Restaurierung gehört nach Ansicht von Dörte Busch, dass man gegenüber den Kirchgemeinden oder Fördervereinen den Unterschied zwischen einer Restaurierung und einer Erneuerung deutlich machen muss, ihnen nicht etwa bei einem Gemälde oder einer Skulptur eine schöne Neufassung versprechen sollte. Schließlich habe auch das Fragmentarische oder die Patina eines alten Kunstwerks einen Wert; es gehe nicht vorrangig darum, eine Rekonstruktion eines Urzustandes zu versuchen. Sie erinnert daran, dass man auch Kirchenbänke aus dem Ende des 19. Jahrhunderts nicht einfach so entsorgen dürfe, sie seien ebenfalls Teil des Denkmals. Für Dörte Busch ist es wichtig, dass die Kirchgemeinden als Auftraggeber immer gut informiert werden über das, was in restauratorischer Hinsicht angemessen und auch möglich ist, dass sie auch bei Zwischenetappen eingeladen werden, um den Arbeitsprozess verfolgen und verstehen zu können.

Das Landesamt ist dabei fachliche Aufsicht; es sind letztlich die Kirchen, die die Aufträge an freie Restauratoren vergeben, die auch den Kostenvoranschlag unterbreiten.

Die Spendenaktionen zum Thema „Vergessene Kunstwerke“, die das Landesamt seit etlichen Jahren zusammen mit dem Förderkreis Alte Kirchen Berlin-Brandenburg veranstaltet (zuletzt für die Dorfkirche Blumenow im Landkreis Oberhavel), sollten nach Ansicht von Frau Busch unbedingt weitergeführt werden. Ähnlich wie ihr Vorgänger ist auch sie skeptisch, ob man Kunstwerke aus nicht mehr genutzten Kirchen in einem zentralen Depot lagern sollte: „Wenn die Ausstattung ausgelagert wird, dann gibt es keinen Anlass mehr, eine Kirche zu besuchen. Wir dürfen die Hoffnung nicht aufgeben, dass die Kirche ein lebendiger Ort bleibt oder eine politische Gemeinde zum Engagement für den Erhalt der Kunstwerke bewegt werden kann.“

Hat Dörte Busch eine Lieblingskirche in Brandenburg? Es ist vermutlich keine diplomatische Floskel, wenn sie beteuert, sich in dieser Hinsicht nicht entscheiden zu können. Offensichtlich hat sie aber ein großes Faible für Altäre, von der frühen Gotik bis zum Barock. Insofern trifft es sich, dass sie gegenwärtig einige Projekte in diesem Bereich hat, etwa die Restaurierung des Katharinenaltars in der St. Katharinenkirche in Brandenburg an der Havel oder das schöne, sehr früh entstandene Retabel aus der Sankt-Marien-Andreas-Kirche in Rathenow.

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