Zwischen Pommern und Brandenburg
Die Dorfkirche Blumberg in der Uckermark
Julia Topp ist Kunstwissenschaftlerin. Dr. Sascha Topp ist Zeit-und Wissenschaftshistoriker.
Zu allen Zeiten erfuhren Dorfkirchen Um- und Anbauten, doch ist es vor allem die konstante Nutzung und Pflege eines Gebäudes, das dieses erhält. Für den Ort Blumberg kann eine Linie gezogen werden vom Kirchenpatronat sowie von den ersten Pfarrern der nachreformatorischen Zeit bis heute. Dokumente bezeugen dies über Zugehörigkeiten, Kriege und Systemwechsel hinweg. Nicht jeder Pfarrer oder Patron wählte die gleiche Aufmerksamkeit und Schwerpunktsetzung, dennoch taten sie etwas für den Erhalt der Blumberger Dorfkirche und sind zugleich der Grund für das gute Gedächtnis dieses Ortes.
Die Kirche steht, bunter als viele ihrer Zeitgenossen, inmitten eines Ortes mit heute etwa 300 Einwohnern. In lebendigen Farben erhebt sich ihr Kirchturm mit seinen fast 45 Metern Höhe über das Randowtal und bestimmt die Sicht auf das Dorf aus dem Umland. Die Feldsteinkirche Blumbergs reiht sich ein in die Tradition der uckermärkischen Dorfkirchen und trotzte so den immer wieder verschobenen Landesgrenzen. Seit einer Gebietsreform von 1950 gehört Blumberg zumindest politisch nicht mehr zu Pommern, sondern zum Brandenburgischen.
Ein Vermerk in einer Schenkungsurkunde, in der Blumberg erste Erwähnung findet, ist auf den 22. März 1289 datiert. Ob in Blumberg anfangs eine Holzkirche stand, ist nicht bekannt. Die aus quaderbehauenen Feldsteinreihen errichtete Kirche, im Ursprung auf die Mitte bis zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts zurückgehend, ist das älteste baulich erhaltene Zeugnis der Besiedlung dieser Landschaft, anhand dessen die Wege der Christianisierung nachvollzogen werden können.
Im Dreißigjährigen Krieg wurde die Dorfkirche, wie viele Kirchen der Uckermark und Pommerns, stark beschädigt. In mehreren Erneuerungsphasen wurde sie im 17. und 18. Jahrhundert wieder auf- und umgebaut. Die jeweiligen Ausführungen waren durch die besonderen Herrschaftsverhältnisse in Blumberg bestimmt. Ort und Kirche unterstanden adliger Patronage, gut 300 Jahre als Lehen der Familie von Sydow bis 1763, danach der Familie von der Osten (ab 1780 als Allodialbesitz). Die Dorfkirche ist das sakrale bauliche Dokument eines über Epochen hinweg ununterbrochenen Dorflebens. Das weltliche Machtzentrum befand sich allerdings auf der südöstlich gegenüberliegenden Seite, wo Gutshof und Herrenhaus aus dem 18. Jahrhundert lagen. Der Einfluss dieser Patronatsfamilien umfasste zuweilen nicht nur Blumberg oder Nachbarorte wie Penkun (Schloss). Auch die Chroniken von Wartin und Casekow dokumentieren die historischen Bezüge eines eng verschränkten Patronats- und Kirchenwesens.
Dabei unterscheiden sich speziell diese drei Dorfkirchen sehr und zeugen von der regen Vielfalt in der Region. Die Blumberger Kirche sticht ihrerseits rein äußerlich durch den Gegensatz von barock anmutendem Turm auf einer Saalkirche aus Feldsteinen ins Auge. Ihren mittelalterlichen Mauern sind viele Baueingriffe wie Vernarbungen eingeschrieben. Vermauerte spitzbogige Portale und Fenster, die dem Einbau großer korbbogiger Fenster weichen mussten, der Anbau einer südlichen Vorhalle, Spuren eines in der DDR-Zeit abgerissenen Erbbegräbnisses an der Nordseite und der Turm zeugen von geschichtsbedingten Veränderungen.
Der Bau des Kirchturms etwa 1732 bis 1735 fällt in die Zeit von Carl Friedrich von Sydow, jr. und Pastor Johann Friedrich Knapius. Für den neu errichteten querrechteckigen Westturm in Breite des Kirchenschiffes wurden die Mauern im Inneren mit Backsteinen verstärkt. Sie trugen die besonders hohe Turmkonstruktion mit hölzernem Aufsatz aus Haube und Laterne. Die „Feuer vergoldete“ Bekrönung besteht aus Kugel, Wetterfahne und einem Engel mit Spruchband „GLORIA“. Die Kugel enthielt zeitweilig Hülsen aus den Jahren des Baus und der großen Reparaturen 1764, 1848, 1956 und 1998 mit Dokumenten und Gegenständen der Zeit. Die zahlreichen Reparaturen konnten den schleichenden Verfall des Turmes nicht aufhalten und auch die Einstufung als Denkmal im Jahr 1984 hatte kaum Auswirkungen auf den Zustand. Erst die Sanierung 1998 – 2001 konnte den Bestand wiederherstellen.
Die Innenausstattung der Dorfkirche entspricht zu großen Teilen dem Originalzustand einer Schenkung aus dem Jahr 1772 durch die Familie von der Osten. Auch die Familie von Sydow hat ihre Spuren im Innern der Kirche hinterlassen. Die Predella des Altars von 1708, in die ein Gemälde des Abendmahls eingelassen ist, trägt ein von marmorierten Säulen gerahmtes Gemälde eines Stettiner Künstlers. Das unter Pastorin Almut Schimkat restaurierte Bild zeigt den auf Golgatha gekreuzigten Jesus. Zum barocken Inventar gehörte auch ein Taufengel. Er schwebte von 1735 wohl bis in die 1940er Jahre in der Kirche. Der Blumberger Kirchchronist und Pfarrer Karl-Ernst Wendt (im Amt 1927 – 1955) hielt nach 1945 fest, der Engel habe in der benachbarten Wartiner Kirche gelagert. Berichte über einen Verkauf zu DDR-Zeiten konnten bisher nicht bestätigt werden. Der Verbleib des Engels ist ungeklärt.
Gegen Ende des 17. Jahrhunderts war eine auf Holzstützen ruhende hufeisenförmige Westempore gebaut worden, die 1772 – 73, dem Geschmack der Zeit und den Wünschen des Patrons angepasst, verändert wurde. Damals kamen Kanzelaltäre in Mode, weshalb man eine neue Kanzel anstelle des Altarbildes einsetzte. Die Gestaltung der Patronatsloge trat dabei nicht hinter der Gestaltung des Chors zurück, da sie ebenso prunkvoll und sogar höher als der Kanzelaltar angelegt wurde. Nicht zuletzt gehörte zum Gesamtkonzept die damals im Stile Joachim Wagners umgebaute Orgel des Organisten und Orgelbauers Christian Friedrich Voigt (1717/28 – 1780). Der 1773 gestiftete Orgelprospekt wird von Akanthusblättern und figürlichem Schmuck – ein Pauke und ein Trompete spielender Engel sowie König David mit Harfe – gerahmt. Nach einer 1900 in Blumberg erfolgten Dispositionsänderung durch Barnim Grüneberg geben die Dokumente Aufschluss über den stufenweisen Niedergang der Orgel seit den 1940er-Jahren. Der Todesstoß aber kam 1956 in Form von Wasser, das in Folge von Dachreparaturen in die Orgelpfeifen und Balgwerke lief. Das schnell errichtete kleine Giebeldach kam zu spät. Ein Kostenvoranschlag über 14.000 Mark überforderte die Gemeinde nachhaltig. Trotz nachweisbarer Bemühungen konnte die Orgel schon sehr lange nicht mehr für die Gemeinde erklingen. Vielleicht gerade deswegen wurde die barocke Innenausstattung in einem Nachtrag 1988 als erhaltenswertes Denkmal eingestuft. Bis heute stehen nur noch der äußere Holzkorpus und der Orgelprospekt.
Die Sicherung des Daches und die Modernisierung des Kircheninnenraums hatten Vorrang für viele Amtsnachfolger von Pfarrer Wendt. So wurden Mitte der 1960er Jahre der Auf- und Durchgang zur Patronatsloge in der südlichen Vorhalle zugesetzt, der südliche Teil der Empore verkürzt, wonach nur die heutige U-Form erhalten blieb. Zugleich wurde der Chorbereich rechts und links vollständig geräumt. In dieser Zeit entfernte man nun auch den Kanzelkorb wieder aus dem Altar, um ihn an der nördlichen Wand, mit einigen Stufen erhöht, fest zu verankern. An die Kanzel wurden geschnitzte Relieffiguren der vier Evangelisten, die von einer nicht mehr vorhanden Kanzel von 1695 stammen, angebracht. Das an der Nordwand angebrachte Altarbild fand zu seinem historischen Platz zurück.
In der historischen Rückschau erscheinen die gesellschaftlichen Veränderungen seit 1945 vielleicht als die deutlichste Zäsur in der Geschichte des Ortes Blumberg; zumindest seit 1648. Denn mit der staatlichen Konfiskation des Familienbesitzes dervon der Osten und der Umwandlung in ein Volkseigenes Gut (VEG), die eine Rückkehr zunächst unmöglich machte, war durch die DDR mit jahrhundertealten sozialen und mentalen Strukturen des Gutsdorfes gebrochen worden. Die Gemeinde musste nach dem Ende des Patronats erst für sich erkennen, welchen Wert sie der Dorfkirche als Wahrzeichen im Randowtal beimessen wollte. Im letzten Dienstjahr seiner fast 30-jährigen Amtszeit hatte sich Pfarrer Wendt nicht allzu großen Erwartungen hingegeben, „denn die Leute hierzulande müssen immer einen Anstoß erhalten, wenn sie sich zur Nächstenliebe entschließen sollen.“