von Andreas Lorenz

Ökumene im zisterziensischen Morgengebet 

Evangelischer Chorinbund und Chorinfest

Fußmarsch vom Bahnhof Chorin zum Kloster in den zwanziger Jahren; Fotos: Archiv Evangelischer Chorinbund 

Immer am ersten oder zweiten Septembersonntag steht die gesamte Klosteranlage im Zeichen eines regionalen Kirchentages. Wir feiern das „Evangelische Chorinfest“ 2022 zum 100. Male. Das seit der Reformation säkularisierte Kloster ist heute immer noch ein Ort mit ungemein starker geistlicher Ausstrahlung. Zu den wunderbaren gotischen Backsteinen, den toten Steinen, gesellen sich zum Fest beeindruckend viele „lebendige Steine“! Es tut gut, dass wir jährlich in großer Zahl im Kirchenschiff versammelt sind, im Namen des Geistes, in dem das Kloster einst erbaut wurde.

Oft wird das Chorinfest verknüpft mit landeskirchlichen Aktivitäten: dem Landesposaunentreffen oder dem landeskirchlichen Gospelchortreffen und alle drei Jahre findet hier der „Kreiskirchentag Barnim“ statt.

Initiator und Träger dieser Feste ist seit 1923 der „Evangelische Chorinbund e. V.“ Die Gründungsidee dieses Vereines ist ein aus heutiger Sicht ganz und gar un-, ja geradezu antiökumenischer Gedanke, den man nur aus der Geschichte heraus nachvollziehen kann und der durchaus mit einem ökumenischen Augenzwinkern schmunzelnd und barmherzig betrachtet werden darf:

Bischof Dr. Otto Dibelius (Bildmitte), Probst Braumann und Pfarrer Ulich beim Chorinfest 

1923 schlossen sich die evangelischen Geistlichen der Region zusammen, weil es ihrer Einschätzung nach akute Anzeichen dafür gab, das Kloster Chorin wieder in den Besitz der katholischen Kirche zu überführen. Wie belastbar diesbezüglich die Fakten waren, ist eher fraglich. Dennoch erschien solch Ansinnen den damals Verantwortlichen als große Gefahr in unserer überwiegend protestantisch geprägten Region und man entwickelte emsigen Aktionismus, solchen katholischen Restitutionsansprüchen bereits im Ansatz entgegenzutreten. So wurde 1923 ein „Evangelischer Schutzbund für das Kloster Chorin“ gegründet. An der Gründung waren die evangelischen Superintendenten der benachbarten Kirchenkreise, Pfarrer und engagierte Gemeindeglieder der Region beteiligt. 

Da es im Grunde gar nicht zu akuten Auseinandersetzungen mit der katholischen Kirche kommen musste, konnte die freigesetzte protestantische Energie für die Entwicklung eines gedeihlichen geistlichen Lebens im Kloster genutzt werden: Der „Schutzbund“ erklärte sich satzungsgemäß für die evangelische Klosterkapelle (ehemaliger Brüdersaal) und für die Durchführung der jährlichen Chorinfeste verantwortlich – und tut das eben bis heute. 

Der Verein hat es vermocht, das Glaubenszeugnis auch durch schwierige Zeiten hindurch zu tragen: Trotz der Widerstände der nationalsozialistischen Diktatur und des DDR-Regimes war es gelungen, diese Kirchentage kontinuierlich durchzuführen. Von Bischof Dibelius bis zu Bischof Stäblein haben leitende Geistliche auf Chorinfesten gepredigt und dieses Kloster immer als eine Stätte besonderer geistlicher Ausstrahlung gewürdigt. Als sich dann in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts hierzulande die Ökumene entwickelte und Katholische und Evangelische gemeinsam begannen, das geistlich Verbindende zu entdecken, wurde eine Namensänderung beschlossen und die Bezeichnung „Schutzbund“ gestrichen. 

Ein sichtbares Zeichen des inzwischen längst gedeihlichen Miteinanders: Seit mehr als 20 Jahren feiern wir monatlich in ökumenischer Gemeinschaft das „Choriner Morgengebet“, nach liturgischem Vorbild der Mette, dem zisterziensischen Morgengebet.

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