von Andreas Lorenz

Im Schatten des Klosters

Die Dorfkirche zu Chorin

Dorfkirche Chorin von Südosten; Fotos: Evangelische Kirchengemeinbde Chorin

Ach…, es gibt auch noch eine Dorfkirche in Chorin? So fragen gerne erstaunte Touristen, die in Chorin aus der Regionalbahn steigen und sich auf den Fußweg zum Kloster machen. Der Weg führt am typisch märkischen Dorfanger vorbei, auf dem, in klassischer Anordnung, Küster- und Schulhaus sowie die alte Feldsteinkirche in schlichter Schönheit, gesäumt von majestätischen Linden, Vorbeischreitende um geneigte Aufmerksamkeit bitten. 

Ja, es gibt neben dem berühmten Kloster auch noch diese kleine Dorfkirche und die Choriner Gemeinde ist stolz darauf! Freilich könnte der Kontrast kaum größer sein: Hier das bedeutende Kloster als Paradebeispiel gotischer Backsteinarchitektur, „des Landes schönster Schmuck“ (K. F. Schinkel), und bis heute eines der meist besuchten Ausflugsziele in Brandenburg mit hoher Dichte an Konzertveranstaltungen und vielem mehr. Dort die kleine, gedrungene, charmante, intime Kirche, bestehend aus Feldsteinquadern mit einem knuffigen hölzernen Turm.

Wer sie besucht, ist angerührt, gerade von der kontrastreichen Ausstrahlung im Gegenüber zur Klosteranlage. Sie ist sogar die ein wenig ältere der ungleichen Schwestern, erbaut vermutlich zwischen 1230 und 1250. Im Zuge der Christianisierung der ehemals slawischen Siedlungsgebiete erhielten nahezu alle Dörfer der Region eine Dorfkirche, noch bevor die askanischen Markgrafen den Zisterziensern den Ort zuwiesen, an dem einst das Kloster Chorin erbaut wurde.

Das Dorf Chorin fand erste urkundliche Erwähnung in der Stiftungsurkunde für das Kloster Mariensee 1258 und es wurde in diesem Zusammenhang dem Kloster übereignet. Die Kirche wurde als kleine rechteckige Saalkirche aus sorgfältig zu Quadern geschlagenem Feldstein errichtet. Eine kleine Pforte auf der Nordseite, vermutlich als Friedhofspforte genutzt, ist seit dem Einbau des barocken Gestühls vermauert. Über dem Westportal sind drei breite Feldsteinblenden angeordnet. Die Spitzbogenschlüsse und ein kleines Rundbogenfenster stammen aus dem 19.Jahrhundert. Betrachtet man die Kirche von Osten her, erkennt man eine gestaffelte, spitzbogige Drillingsblende, die von Spitzbogenblenden flankiert wird. Das spitzbogige Ostfenster reicht bis in den Giebel hinauf und gibt zur Vermutung Anlass, dass das Innere ursprünglich durch ein hölzernes Tonnengewölbe abgeschlossen war. 


Bauinschrift von 1668 am Deckenbalken 

Ein Alleinstellungsmerkmal hat sich durch die Jahrhunderte getragen: Zu den strengen Bauvorschriften, die das zisterziensische Generalkapitel seit Ordensgründung verbindlich erlassen hatte, gehörte auch die Anordnung, ein Kloster jenseits bereits bestehender Ortschaften zu errichten. In allen bisher von mir wahrgenommenen Klöstern sind im Laufe der Zeit Kloster und benachbarte Ortschaft längst baulich miteinander verbunden. Nicht so in Chorin, wo sich das Kloster noch immer einen Kilometer Luftlinie entfernt vom Dorf befindet, eingebettet in idyllische Natur.

Die Dorfkirche hat im Laufe der Geschichte zahlreiche architektonische Veränderungen erfahren. Bis auf das Erscheinungsbild des Turmes ist ihre Außengestalt allerdings unverändert. Im Dreißigjährigen Krieg wurde die Kirche vollkommen zerstört und war bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Mit großer Kraftanstrengung gelang bald nach Kriegsende der Wiederaufbau. Eine Inschrift im Deckenbalken erwähnt zwei Namen, die bis heute maßgeblich für die Errichtung der Kirche verantwortlich zeichnen: „Die beide Vorsteher der Kirchen Jacobus Berlin und Joachim Kinast – Anno 1668“

Weihnachtlich geschmückter Innenraum der Dorfkirche 

Die Kirche bekam einen für unseren Landstrich typischen nachreformatorischen Kanzelaltar, barockes Gestühl und im Westen eine Empore mit vorgezogenem Mittelteil. Der Turm wurde zunächst in Fachwerk ausgeführt, bei späterer Sanierung im 19. Jahrhundert allerdings aus Kostengründen einfach verbrettert. Er war und ist immer wieder ein Sorgenkind aufgrund schadhafter Holzbefunde. So wird in diesem Jahr 2022 ein Austausch des verfaulten Streichbalkens über die gesamte Gebäudebreite notwendig sein, ein statisch wichtiges und zugleich aufwändiges Sanierungsvorhaben.

Im Kirchenraum überrascht ein überdimensionales Kreuz. Es demonstriert eine besonders kostbare Verbundenheit zwischen Dorfkirche und Kloster. In der seit 1542 verwaisten Klosterkirche hing noch immer in der Vierung das hochgotische Triumphkreuz aus dem 15. Jahrhundert. Als 1662 die Kirche für den Gottesdienst nicht mehr nutzbar war, übereignete man das Kruzifix der Dorfkirche, wo die Unterbringung am sichersten erschien. Es fristete weitere einhundert Jahre ein unwürdiges Dasein auf dem Kirchenboden, bevor der Entschluss gefasst wurde, es zur Betrachtung und Anbetung ins Kirchenschiff zu hängen. Seither hängt es an der Südwand der Kirche und ist ein optischer und liturgischer Blickfang. 

1680 wurde eine noch heute erhaltene kupferne Taufschale mit Weihekreuz gestiftet und 1707 die beiden Altarleuchter aus Zinn. Das erste qualifizierte Instrument erhielt die Kirche erst 1970. Die Orgelbaufirma Schuke aus Potsdam baute ein Orgelpositiv mit angehängtem Pedal und sechs Registern. Zwei Glocken im Turm rufen regelmäßig zu Gottesdiensten in die Choriner Dorfkirche, die im Wechsel hier und in der evangelischen Klosterkapelle stattfinden.

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Das Choriner Kreuz 

In der Choriner Dorfkirche befindet sich ein herausragendes mittelalterliches Kunstwerk. Es ist ein Kruzifixus von beträchtlicher Größe – fast lebensgroß und damit viel zu groß dimensioniert für die Dorfkirche.

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