von Sylvia Müller-Pfeifruck

„Gottlob das Friedensfest ist da!“ 

Friedens- und Dankeskronen in märkischen Dorfkirchen

Sylvia Müller-Pfeifruck ist als freiberufliche Kunsthistorikerin im Bereich Denkmalpflege tätig.

Dorfkirche Bechlin, Friedenskrone von 1816; Fotos: Sylvia Müller-Pfeifruck 

Im Pfarramt Neuruppin ist das seltene Exemplar einer Friedenskrone von 1816 deponiert. Sie stammt aus der Dorfkirche Bechlin. Die schwere Krone aus silbergrauem Metall besteht aus einem Kopfreif mit einem Durchmesser von 25 cm und vier geschwungenen Bügeln. Diese trafen sich urspünglich in der leicht vertieften Mitte und waren dort von einem Eisernen Kreuz bekrönt. Die Krone befindet sich heute in einem deformierten Zustand. Ihre Restaurierung ist geplant.

Der reiche, nicht mehr vollständige Dekor der Krone konzentriert sich auf den Kopfreif und den Bügel an der Stirnseite. Über einem zentral platzierten preußischen Adler befinden sich ein Eisernes Kreuz im Eichenlaubkranz und drei Ziermünzen. Auf diesen sind die Berliner Quadriga, zwei Profilköpfe mit der Umschrift „Wellington Blücher, Belle Alliance Juni 1815“ sowie der Profilkopf eines Generals(?) abgebildet. Die Darstellungen beziehen sich auf historische Vorgänge. 1814 war die 1806 von Napoleon geraubte Quadriga im Triumph wieder nach Preußen gebracht und auf dem Brandenburger Tor mit einem neuen Siegeszeichen (Eisernes Kreuz im Eichenkranz) aufgestellt worden. Im Juni 1815 reichten sich der preußische Generalfeldmarschall Blücher und der englische Feldmarschall Wellington nach dem Sieg bei Waterloo im Gasthof „Belle Alliance“, der Napoleon als Unterkunft gedient hatte, die Hand. 

Dorfkirche Bechlin, Friedenskrone von 1816, Ausschnitt

Auf dem Kopfreif ist weiterer Dekor angebracht. Unterhalb des Adlers befindet sich eine Kartusche mit einer antiken Leier. Links davon sind auf drei Ziermünzen das Porträt eines Generals im Lorbeerkranz (Blücher?), das Porträt Wellingtons mit der Aufschrift „Waterloo“ und wiederum die Quadriga dargestellt. Rechts der Kartusche schmücken ebenfalls drei Ziermünzen den Reif. Sie zeigen das Dreierbildnis der Sieger über Napoleon, den preußischen König Friedrich Wilhelm III., den russischen Zaren Alexander I. sowie den österreichischen Kaiser Franz I., außerdem das Bildnis eines unbekannten Militärs und noch einmal die Quadriga. Die Ansätze der Seitenbügel sind jeweils mit zwei übereinander gesetzten Eisernen Kreuzen im Eichenkranz geschmückt. Der rückwärtige Bügel zeigt einen Kranz mit einer Leier und darunter einen Kranz, in dem sich einst ebenfalls ein Eisernes Kreuz befand. Der Reif trägt die Inschrift „Beglin 1816“. Ausgestellt war die Krone in der Kirche, an deren Südwand sich noch das kreuzfömige Gestell aus Eisen befindet. 

Die Friedenskrone in Falkenthal

Laut Homepage des Löwenberger Landes befand sich auch in der Dorfkirche Falkenthal noch vor nicht allzu langer Zeit eine Friedenskrone. Sie bestand aus Messingblech, trug eine Inschrift und wurde von einem hölzernen Adler bekrönt, um den ein Ring zum Aufhängen der Krone gelegt war. Von ihrem Reif hingen Bänder herab. Die Krone ist leider unauffindbar. Es ist nicht bekannt, von wann sie datierte. 

Die Befreiungskriege 1813 – 1815

Dorfkirche Badingen, Konsolbrett von 1816 für eine Friedenskrone 

König Friedrich Wilhelm III. unternahm mit Beginn der Befreiungskriege 1813 gegen Napoleon umfassende Anstrengungen, seine Untertanen nach dem Vorbild der französischen Bürgerarmee für die Verteidigung von König und Vaterland zu motivieren. Er überließ dabei nichts dem Zufall. So wandte er sich mit Aufrufen an sein Volk, gründete Landwehr und Landsturm, stiftete erstmals das Eiserne Kreuz für alle tapferen Krieger, Denkmünzen für die Kriegsteilnehmer und Gedächtnistafeln für die Gefallenen ohne Ansehen von Rang und Namen. Er ordnete Dankesfeste für jede gewonnene Schlacht an. 1815 gab er ein Kriegsgebet vor, das bei jedem sonntäglichen Gottesdienst zu sprechen war. Nach Kriegsende befahl er für den 4. Juli 1816 Totenfeiern für die Gefallenen. Liturgie und Predigttexte wurden dabei genau vorgegeben. 

Außerdem hatte der Monarch anlässlich des Sieges über Napoleon für den 18. Januar 1816 ein Friedensfest im ganzen Reich angeordnet: „Seine Königl. Majestät, Unser allergnädigster Herr, haben zu beschließen geruhet, daß am 18ten dieses und weder früher noch später, in dem gesammten Umfange der Monarchie die kirchliche Feyer des Friedens-Dankfestes statt finden soll.“ 

Dieses Fest wurde vielerorts mit beträchtlichem Aufwand und unter Stiftung von Friedenskronen, Friedensfahnen, Friedenseichen und anderem mehr begangen. Die feierliche Anbringung einer großen Friedenskrone in der Kirche Lippehne kann hier nur als Auszug wiedergegeben werden. 

„… hiezu kamen eine größere Anzahl Bürgertöchter die eine große mit Bändern geschmakvoll verzierte Krone und mehrere Kränze angefertigt hatten und wurden nun, indem das Bürger-Bataillon eine Chaine vom Rathhause nach der Kirche bildeten, von der Schüzzengilde mit fliegender Fahne und klingendem Spiel unter Glokkengeläute paarweise nach der Kirche geführt, so daß die Tochter des Dirigenten, welche die Canzeldekke auf einem Kissen trug, vom Dirigenten und dem Stadtrichter Grieben, die 4. Bürgerstöchter, die die große Krone trugen, von dem Cäm[m]erer Redelin und Rathman[n] Moser geführt wurden, die übrigen Töchter, welche säm[m]tlich ganz weiss gekleidet mit Kränzen in den Haaren verziert, paarweise folgten. / In der Kirche wurde die Canzeldekke von deren Töchtern auf der Kanzel befestigt, die große Krone vom Dirigenten an dem daselbst befindlichen verzierten Tau befestigt, und so in der Höhe gezogen, und demnächst die Töchter in den für sie offen gehaltenen Kirchenstand eingeführt.“

Konsolbretter für Friedenskronen 

In den Dorfkirchen Rangsdorf, Badingen und Heckelberg sind Konsolbretter erhalten geblieben, auf denen einst Friedenskronen von 1816 ausgestellt waren. Es handelt sich um hochformatige, farbig gefasste Holztafeln mit langer Aufschrift sowie einer oben angesetzten Konsole für die Krone. Ihr Vorbild haben sie in den damals allerorten verbreiteten Totenkronenbrettern.

Die Aufschrift auf dem Rangsdorfer Brett lautet: „Gottlob das Friedensfest / ist da! / [Es freut sich Alles fern und nah!] / Drum flechten wir [Jumpfern diese Krone / und setzen sie[ins] Heiligthum / und dancken Gott in seinem Thro= / ne / Dem Herrn der unser Eigenthum / den König und das Vaterland / [g]enom[m]´n in seine starcke Hand. / [Wir Jünglinge wollen uns auch freun] / des Friedens den Gott heute schenkt / [Dr]um richten wir diese Tafel [ein] / Und schreiben drauf, was Gott gelenkt / Daß in den heißen Kampf der Schlacht / Bei Leipzig und bei Waterlo / Zerstöret ist der Francken Macht, / Daß Bonaparte auch also / kein Reich, kein Volk mehr plagen kann. / Drum stim[m]en wir alle freudig an: / Dank, Ehr, und Preis sei Gott / Er [half] von dieser Kriegesnoth / den 18. Januar. 1816. / [am] Friedensfeste.“

Klein Mutz, Die Friedenskrone von 1816 ist wohl nicht mehr erhalten (Aufnahme von 1937)
Dorfkirche Sommerfeld, Tafel zum Gedenken an den Frieden von Hubertusburg 1763; Foto: Kirstin Schumann

Die Aufschriften in Rangsdorf und Heckelberg legen nahe, dass die Friedenskronen von den Jungfern des Ortes hergestellt wurden. Sie dürften den Totenkronen für Ledige geähnelt haben, die auf dem Lande vermutlich ebenfalls meist von den Mädchen angefertigt wurden. Wahrscheinlich handelte es sich vielfach um farbenfrohe Bügelkronen, die mit künstlichen Blüten und Blättern sowie langen, vom Kopfreif herabhängenden, gewebten Bändern geschmückt waren. Sie könnten von je einem Eisernen Kreuz bekrönt gewesen sein oder vom preußischen Adler wie die Krone in Klein Mutz. Die fragilen Materialien waren wohl ein Grund, warum sich die Kronen nicht erhalten haben. Die Krone in Bechlin hat bislang wohl nur überlebt, weil sie aus dauerhafterem Metall gefertigt ist.

Das Vorbild von 1763

Friedenskronen auf Konsolbrettern haben neben den Denkmälern des Totenkronenbrauchs sehr wahrscheinlich auch Dankestafeln zum Vorbild, die anlässlich des Hubertusburger Friedens 1768 in den Kirchen angebracht wurden. Diese erinnerten an die Beendigung des Siebenjährigen Krieges unter dem preußischen König Friedrich II. In Beetz und in Sommerfeld sind zwei Exemplare erhalten geblieben. Die farbig gefassten Holztafeln werden von je einer Krone aus Metall bekrönt. Die Aufschriften führen neben dem Anlass der Stiftung die Namen der Stifter auf, bei denen es sich sehr wahrscheinlich überwiegend um die Jugend der Orte handelt. „Diese Tafel nebst der darauf befindlichen / Krohne hat die Jugend in Sommerfeld zum / Andenken des zwischen seiner Königl. Maj. in / Preußen unserm allergnäd. Herrn einen und / Jhro MAj. der Kaiserin u. Königin von Ungarn u. / Böhmen wie auch Sr. MAj. dem König von Pohlen / und Chur=Fürsten zu Sachsen anderntheils den / 15. FEBR: 1763 zu HUBERTUSBURG glück= / lich geschloßenen doppelten Frieden verfertigen laßen / mit erin[n]erung der Worte: die Güte des Herrn ist es / daß wir nicht gar aus sind. Klagl. Jerem: 3, v 22.“

Kronen für Gefallene

Stadtpfarrkirche St. Nicolai Kremmen, Kronleuchter zum Gedenken an das Friedensfest von 1816; Foto: Kirstin Schumann 

Auch für die Stadtpfarrkirche Bernau ist eine Krone mit Eisernem Kreuz erwähnt. Laut dem Orts-
chronisten Wernicke war sie aus grün gefärbten Wachspapier-Schnitzeln angefertigt, oben mit dem Eisernen Kreuz, unten mit einem rings herum laufenden Samtstreifen versehen und mit Bändern verziert. Auf dem Samtstreifen stand in Silberstickerei: „Den ritterlich Gefallenen; der Mädchen-Verein“. Es handelte sich demnach nicht um eine Friedenskrone. Wernicke vermutete, dass diese Krone von der Totenfeier am 4. Juli 1816 oder von der Prozession bei Einweihung der Krieger-Gedenktafel im Jahr 1820 herrühren könnte. Einen Eindruck von dieser Krone dürften die in der Kirche seit 2008 wieder ausgestellten, restaurierten, farbenfrohen Totenkronen des älteren Typs geben, die mit Dekor aus Wachspapier geschmückt sind.

Friedenskronleuchter

In der Stadtpfarrkirche St. Nicolai in Kremmen befindet sich ein weiteres Gedächtnismal für das Friedensfest von 1816: ein Kronleuchter aus Messing, zum Andenken geschenkt von den „dienst-thuenden Jungfern der Stadt Cremmen“. Als Vorbild könnte der Kronleuchter von 1763 gedient haben, der vielleicht aus Anlass des Friedens von Hubertusburg gestiftet wurde. Beim dritten vorhandenen Kronleuchter von 1733 konnte bislang kein möglicher politischer Bezug ermittelt werden. Ein weiterer Friedenskronleuchter von 1816 hängt in der Dorfkirche Germendorf.

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