von Gisela Donath

Die Heilige Hedwig im Oderland

Katholische Kirchen auf märkischem Sand

Gisela Donath ist Kirchenpädagogin.

Auf dem Weg durchs märkische Oderland trifft man allerorten auf die Spuren der Zisterzienser, die im Mittelalter die Gegend urbar machten und deren Besiedlung vorantrieben. Es sind die zahlreichen Feldsteinkirchen, die in großer Vielfalt den Charakter der Region prägen. Verwundert stößt der Fremde in den Kirchenräumen auf Zeichen „aus katholischer Zeit“ in Gestalt von Mariendarstellungen, Sakramentsnischen oder freigelegten Fresken, denn das Verständnis für die dem Evangelischen unvertraute liturgische Praxis fehlt.

Fast vierhundert Jahre lang gab es hier, nach der Reformation, ausschließlich evangelische Kirchen. Was nicht passte, wurde passend gemacht; Heiligenfiguren wurden in evangelische Bildprogramme integriert und die Benennung des Gotteshauses geriet vielerorts in Vergessenheit. Die mittelalterlichen Dorfkirchen, heute zumeist nur mit einem Ortsbezug bezeichnet, hatten zur Zeit ihrer Gründung ein Patrozinium, sprich einen Namen. Doch mit dem Protestantismus schwand allmählich die Verehrung der Heiligen; weltliche Herren adliger bzw. städtischer Herkunft wurden Patrone. Seit 1540 verfügte der Kurfürst von Brandenburg die konfessionelle Zugehörigkeit seiner Landeskinder zum protestantischen Bekenntnis. Katholiken wurden nicht geduldet, die religiöse Toleranz der preußischen Herrscher bezog sich ausschließlich auf Flüchtlinge evangelischen Bekenntnisses (Hugenotten, Salzburger, Böhmen).

Erst nach dem „Kulturkampf“ 1871 – 1878 konnten wieder katholische Kirchbauten entstehen. Im Zuge des preußischen Landesausbaus waren im 18. und 19. Jahrhundert katholische Handwerker und Landarbeiter ins Oderland gekommen, viele aus Schlesien und Polen. Der Bau der Ostbahn (1867) und der Oderbruchbahn (1909) förderte die Entwicklung.

Alt sind die hier vorgestellten katholischen Kirchen in dem Sinne, dass seit dem Historismus der Kaiserzeit und dem Expressionismus bzw. Heimatstil der 30er Jahre immerhin viele Jahrzehnte liegen. Alle sind gut erreichbar und von beeindruckender Harmonie ihrer Ausstattung.

Sankt Hedwig in Müncheberg

Bekannt ist die mächtige evangelische Stadtkirche aus Backstein, die nach ihrem Wiederaufbau als herausragendes Beispiel multifunktionaler Kirchraumnutzung gilt. Wer sich dem Stadtzentrum auf der Karl-Marx-Straße nähert, nimmt ein vergleichsweise bescheidenes weißes Kirchengebäude wahr. Umgeben von Ein- und Mehrfamilienhäusern, in denen auch junge Familien wohnen, sind umfangreiche Baumaßnahmen zur Außensanierung und Erweiterung im Gange. Ein heller Raum lädt den Besucher zu Andacht und Innehalten ein, eine Atmosphäre von Beheimatung ist spürbar. Katholische Gottesdienste gab es seit 1907 in Gasthöfen, erst 1938 wurde die Kirche geweiht. Seit den 20er Jahren war die Stadtbevölkerung durch großzügige Ansiedlungsbedingungen auf mehr als 5.000 Einwohner gestiegen. Von Kriegsschäden blieb auch die katholische Kirche nicht verschont, war jahrelang dem Verfall preisgegeben und diente zeitweilig als Viehstall. Altar, Taufstein und Tabernakel wirken als harmonisches Ganzes, geschaffen nach der Wieder-Indienstnahme. „Die Sonne der Liebe kennt keinen Untergang“ liest man am Tabernakel. Über dem Taufstein verweist ein Christus-Torso auf die Verwundungen, die der Krieg hinterlassen hat. Ein Kupfer-Glas-Mosaikbild (1963) des Auferstandenen vor dem Hintergrund der brennenden und neu entstehenden Stadt zieht den Blick zum Altar.

Foto: Gisela Donath
Kath. Kirche Sankt Hedwig Müncheberg, Altarraum

Heilige Familie in Rüdersdorf

Der rasante Bauboom der wilhelminischen Kaiserzeit machte den Kalkabbau in Rüdersdorf zu einem wachsenden Wirtschaftszweig. Bergleute aus allen Landesteilen fanden hier eine neue Heimat. Die katholische Gemeinde ließ sich 1905 eine imposante neoromanische Kirche errichten. Deren Patrozinium, die Heilige Familie, ist programmatisch: fernab von Eltern und Verwandten bot die Gemeinde neue Bindungen und Geborgenheit. Auch diese Kirche ist gut erreichbar, direkt an der Ernst-Thälmann-Straße gelegen, wirkt der Bau wie eine Trutzburg. Im Innern empfängt den Gast ein klar strukturierter Raum, Kommunionbänke, Altar und Kanzel sind aus einheitlichem Stein gefertigt, unter Verwendung von Teilen des ehemaligen Hochaltars, der gemäß der Liturgiereform nach dem II. Vaticanum zurückgebaut wurde.

Sankt Georg in Hoppegarten

Mit der Eröffnung der Pferderennbahn in Hoppe-garten 1868 kam ein frischer Wind auf – Pferdezüchter und Stallburschen, Jockeys und Trainer, aber auch wohlhabende Bürger, die Rennpferde besaßen, ließen sich in Hoppegarten nieder. Die Zahl der Katholiken wuchs, 1899 wurde die Gemeinde Strausberg-Rüdersdorf gegründet, mit Sitz in Hoppegarten, weil dieses verkehrsgünstig lag. Das Grundstück schenkte der Union-Klub, dem die Rennbahn gehörte; reiche Mäzene sorgten mit den Gemeindemitgliedern dafür, dass nach einem Jahr Bauzeit nach Plänen des Berliner Architekten Paul Franke die Kirche 1905 geweiht werden konnte. Als Namenspatron wurde der Heilige Georg, der Schutzpatron der Reiter, erwählt. 1979 kam es zu einer Sanierung und Neugestaltung. Altar, Ambo und Fußboden aus Goldfleck-Marmor, ein neues Vortragekreuz sowie ein Tabernakel in Emailtechnik des Gosener Künstlers Kleeman prägen nun den modernen Andachtsraum. 1934 hatte St. Georg den letzten märkischen Katholikentag auf der Rennbahn veranstaltet; Dr. Erich Klausener sprach zu den etwa 60.000 Versammelten und kritisierte die Kirchenpolitik der NS-Machthaber. Sechs Tage danach wurde er von der SS ermordet, er ist der erste Blutzeuge des Bistums Berlin. Seit 2009 trägt der Platz vor der Rennbahn seinen Namen.

Foto: Gisela Donath
Kath. Kirche Sankt Georg Hoppegarten, Altarraum

Sankt Hubertus in Petershagen

Einer der erfolgreichsten Kirchenbaumeister Norddeutschlands, Josef Bachem, errichtete 1933/34 diesen imposanten Klinkerbau. Der Innenraum entspricht der äußeren Sachlichkeit, die Deckengestaltung deutet eine Dreischiffigkeit an; das Blau des Westfensters korrespondiert mit den sonnigen Tönen der Seitenfenster, die aufeinander bezogene Gestaltung von Tabernakel, Altar und Ambo fokussieren ganz auf die Figur des Gekreuzigten, eine spätgotische Arbeit aus Tirol. Vor der Kirche lädt eine interessante Bronzeguss-Plastik, 2012 gefertigt nach einem Entwurf von Gemeindemitgliedern, zum Nachdenken über den Heiligen Hubertus ein.

Foto: Gisela Donath
Kath. Kirche Sankt Hubertus Petershagen, Innenraum nach Osten

Maria Hilf in Herzfelde

Die Pläne für die kleine aber feine Kirche stammen ebenfalls von Josef Bachem, der für seinen expressionistischen Stufengiebel-Bau Klinkersteine in zwei Farbtönen kombinierte. Nach elf Monaten Bauzeit konnte die Kirche im Sommer 1935 ihrer Bestimmung übergeben werden. Der Kirchenraum beeindruckt in seiner Klarheit, parabolische Gurtbögen erinnern an ein Schiff. Nach den Reformen des II. Vatikanischen Konzils wurde auch hier der Altar verändert, die Mensa liegt auf zwei Klinkerwänden, die Apsiswand ziert eine von Georg Nawroth geschaffene Triumphkreuz-Darstellung. Die gelb-braun-getönten Fenster ähneln denen in Sankt Hubertus.

Foto: Gisela Donath
Kath. Kirche Maria Hilf Herzfelde

Meine ganz persönliche Auswahl mag zum Entdecken anregen. Nähere Informationen zu den genannten und weiteren katholischen Kirchen in Erkner, Strausberg Schöneiche, Rahnsdorf und Altlandsberg enthält die Broschüre:

Raumblick (50 Seiten): zu beziehen über die Pfarrbüros. Ein geplanter Besuch sollte telefonisch verabredet werden.

Sankt Hedwig Müncheberg: Karl-Marx-Str.15, 15374 Müncheberg, Gundula Morcinek, Tel. 0174/4731277

Heilige Familie Rüdersdorf: Ernst-ThälmannStr. 73, 15562 Rüdersdorf, Tel. 033638/2262

St. Georg Hoppegarten: An der Katholischen Kirche 2, 15366 Hoppegarten, Tel. 03342/301279

St. Hubertus Petershagen: Elbestr. 46/47, 15370 Petershagen, Tel. 033439/128771

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