Wie eine Kulturkirche in die Provinz kam
Ein Förderverein zieht Bilanz
Peter Kasper ist Vorsitzender des Gemeindekirchenrates der Kirchengemeinde Lauta-Stadt.
An der Grenze zwischen den ehemaligen Provinzen Brandenburg und Schlesien begann vor einem Jahrhundert der Bau des größten Aluminiumwerkes in Europa. Um alle Arbeiter und Angestellten unterzubringen, wurde eine Werkssiedlung gebaut. Werk und Siedlung entstanden aus dem Nichts in der Lausitzer Heide. Das kleine, in der Nähe liegende Dorf Lauta gab der Ansiedlung seinen Namen: Lautawerk.
Die mit der
Ortsgründung notwendige Infrastruktur zu errichten, war Pflicht des
Aluminiumwerkes. Wohnungen, Einkaufsmöglichkeiten, Schule und
Krankenhaus sind recht zügig realisiert worden. Eine Kirche war aus
Sicht der Werksleitung nicht so wichtig. Erst nach vielen Eingaben und
Beschwerden sah sich diese gezwungen, ausreichend große Kirchen für die
evangelischen und katholischen Christen zu bauen. Die notwendigen
Grundstücke wurden bereits in der Planung berücksichtigt. Leider hat
sich die langfristige Planung der Gartenstadt nicht wie gewünscht
realisieren
lassen, weil sich von Norden der Tagebau an die Siedlung
herangearbeitet hat. Damit lag das geplante Stadtzentrum mit den Kirchen
nicht mehr in der Mitte, sondern am nördlichen Rand der Gemeinde.
Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges war die Kirche eine Institution, die die Einwohner einer Gemeinde verbunden hat. Zu Zeiten des Sozialismus nahm die Zahl der Gläubigen in ganz Ostdeutschland dramatisch ab. Auch die Ausstattung der Kirchen mit finanziellen Mitteln war spürbar zurückgegangen. Viele Kirchenbauten hatten einen gehörigen Sanierungsrückstau aufgebaut. So war es auch mit der evangelischen Kirche in Lauta-Stadt, wie die Kommune seit der Vereinigung des größtenteils sorbischen Dorfes Lauta mit dem Ortsteil Lautawerk nun offiziell hieß. Darüber hinaus haben die zurückgehenden Mitgliederzahlen in den Kirchen zu einem deutlichen Überhang an kirchlichen Gebäuden geführt. In Lauta kam noch die Besonderheit dazu: Die Kirche steht nicht in der Mitte der Stadt, sondern an deren Rand. Die Nutzung durch die Kirchengemeinde ging über die Jahrzehnte immer weiter zurück, was auch dem Umstand geschuldet war, dass in den 1990er Jahren das Werk geschlossen und abgerissen wurde.
Der erhebliche Sanierungsrückstau wurde durch Fehler, die bereits beim Bau des Gebäudes gemacht wurden, zusätzlich verschärft. Also musste sich die Kirchengemeinde irgendwann die Frage stellen: Können und wollen wir dieses Gebäude weiter unterhalten?
Es wurde versucht, Unterstützung zu finden, um den Erhalt der Kirche zu sichern. Allerdings haben alle staatlichen und kirchlichen Stellen höflich abgelehnt. Außer ein paar warmen Worten war wenig Resonanz erfolgt. Deshalb fand 2010 eine Befragung der Kirchenmitglieder des Ortes statt. Die Alternative war ein Gemeindehaus in überschaubarer Größe für die Kirchenmitglieder und damit verbunden die Aufgabe der Kirche. Die Abstimmung fiel denkbar knapp für ein Gemeindehaus aus.
Was aber sollte dann mit der Kirche passieren? Als Alternativen kamen eine Umnutzung oder ein Verkauf in Frage. Dieser Prozess wurde auch öffentlich diskutiert und hat die Denkmalbehörden bewogen, mit uns gemeinsam, noch einmal nach einer Lösung zu suchen. Durch glückliche Umstände und die Initiative einiger sehr engagierter Bürger, Denkmalschützer, Kirchenmitglieder und natürlich Politiker konnte ein Sanierungsprogramm mit Fördermitteln umgesetzt werden, das eine langfristige Nutzung der Kirche wieder möglich machte.
Aber wie sollte die Kirche angemessen genutzt werden? Uns war klar, eine rein kirchliche Nutzung würde das Gebäude nicht annähernd auslasten. Mit Unterstützung des kirchlichen Bauamtes haben wir einen Prozess in Gang gebracht, der Varianten für eine zukünftige Nutzung beleuchten sollte. Wir haben interessierte Gemeindeglieder eingeladen und über die Bedeutung dieses Gebäudes für uns diskutiert. Am Ende war klar, wir müssen viele Interessenten zusammenbringen und uns alternative Lösungen von anderen Initiativen und Kirchengemeinden ansehen. Die Folge war ein Kolloquium am Jahresanfang 2016. Die Resonanz war erstaunlich gut. Wir haben von Vertretern der Kirchenleitung, Politikern, Bürgern, Vereinen und Bausachverständigen eine breite Diskussionsgrundlage erhalten. Von den vielen Ideen, die bei diesem Kolloquium geschmiedet wurden, war eine Idee die einer Kulturkirche. Zum einen fehlte in unserer Stadt ein größerer und ansprechender Veranstaltungsraum und zum anderen war das kulturelle Angebot in der Stadt noch sehr ausbaufähig. Darüber hinaus sah es so aus, als ob für einen Probelauf keine größeren Investitionen nötig waren. Es gab also die Möglichkeit, diese Variante mit überschaubarem Aufwand auszuprobieren.
Wenige Wochen später war die Idee eines Vereins, der sich dieser Aufgabe annimmt und alle Interessierten, also nicht nur Kirchenmitglieder, zusammen bringt, in die Tat umgesetzt. Der Verein „Freunde der evangelischen Kirche Lauta-Stadt e. V.“ wurde gegründet.
Jetzt könnte man sagen: „Der Rest ist Geschichte!“. Natürlich nicht. In den letzten drei Jahren sind ca. 50 Veranstaltungen über die Bühne gegangen. Ob klassische oder Rock-Konzerte, Lesungen, Vorträge oder Kino in der Kirche; die Veranstaltungsvielfalt ist groß. Da die Kirche aber nicht beheizbar ist, können Veranstaltungen nur von Mai bis Oktober stattfinden.
Ein Höhepunkt im Jahr 2018 war das große Fest zum 100. Geburtstag der Gartenstadt, das vom Verein organisiert wurde. Es wurde rund um Kulturkirche, Anger und Park gefeiert mit Musik, Ausstellungen und Führungen durch Gartenstadt, Park und Kirche. Vom Kirchturm hatte man an diesem Tag einen wundervollen Blick.
Besonders stolz sind wir auch auf die Gestaltung der Internetseite. Unter www.kulturkirche-lauta.de findet sich viel Interessantes zu Kirche und Gartenstadt. Aber auch 2019 gehen uns die Ideen nicht aus. Ob Theater, Krimilesung oder Johannisfest, für Abwechslung wird gesorgt. Außerdem müssen Spenden für eine Reparatur der Orgel und eine Neugestaltung des Kirchgartens gesammelt werden.
Das ist für unseren kleinen Verein mit derzeit 15 Mitgliedern eine außergewöhnliche Lei-stung. Der Organisationsaufwand im Hintergrund ist eine echte Herausforderung. Die Mitglieder arbeiten alle ehrenamtlich und müssen sich ja nicht nur untereinander abstimmen, wer macht wann was… Da ist auch eine unglaubliche Menge an Organisatorischem zu bewältigen wie Versicherungen, Gema, Kinolizenz, Fördermittelanträge, Rechenschaftsberichte und Abrechnungen. Jedes Mitglied könnte vier Hände und 48 Stunden für diese Arbeit haben.
Deshalb sind wir wirklich dankbar für jeden Besucher, der unsere Idee weiterträgt, der uns unterstützt oder einfach nur eine Veranstaltung besucht.