Dorfkirche Brüsenhagen
Steckbrief
|
|
16866 Gumtow OT Brüsenhagen | Prignitz |
1678 auf mittelalterlichen Fundamenten wiedererrichteter Fachwerkbau, der 1972 bis auf den Turm abgerissen wurde; zwei spätmittelalterliche Figuren der Anna selbdritt in dem für Gottesdienste ausgebauten Turm. Der gotische Achatiusaltar befindet sich in seit 1978 in der Kyritzer St. Marienkirche. | Besichtigung nach Vereinbarung mit Fam. Obst, Brüsenhagen 28, Tel. 033976-70661, www.bruesenhagen.de |
Förderverein Kirche in Brüsenhagen e.V. Rouven Obst Brüsenhagen 28 16866 Vehlow Tel.: 03 39 76 - 7 06 61 E-Mail: kirche@bruesenhagen.de |
|
Dorfkirche des Monats Oktober 2020 – Brüsenhagen (Landkreis Prignitz)
Die Kirchengemeinde Brüsenhagen und der Förderverein Kirche in Brüsenhagen e.V. erhielten am 10. September im Paulikloster der Stadt Brandenburg „für die umfassende, umsichtige und denkmalgerechte Sanierung des Kirchturms in den Jahren 2017 und 2018“ eine Anerkennung im Rahmen des Brandenburgischen Denkmalpflegepreises. Wir gratulieren herzlich!
Das etwa auf halbem Wege zwischen Kyritz und Heiligengrabe gelegene Dorf wurde 1343 erstmals urkundlich erwähnt, als Markgraf Ludwig der Bayer Einkünfte aus dem Ort an einen Gläubiger verpfändete. Zu dieser Zeit gab es in Brüsenhagen auch bereits ein Kirchengebäude, über dessen Beschaffenheit jedoch keine Quellen vorliegen. Mehrfach wechselten danach die Besitzer des Ortes, bis es 1424 zu einer lange bestehenden Teilung der Herrschaft kam. Eine Hälfte des Dorfes gehörte der Familie von Blumenthal auf Vehlow, die andere der Familie von Klitzing auf Demerthin. Immer wieder kam es zwischen beiden Geschlechtern zu Streitigkeiten um Abgabenpflichten oder die Gerichtsbarkeit, wie alte Urkunden erzählen.
1652 – vier Jahre nach dem Dreißigjährigen Krieg, der in der Prignitz große Verwüstungen hinterließ – waren in Brüsenhagen lediglich noch sechs Hüfner und zwei Kossäten ansässig. Vermutlich fiel den Kriegshandlungen auch die alte Kirche zum Opfer. Doch bereits eine Generation später, 1678, entstand ein neuer Kirchenbau. Die Jahreszahl findet sich auf einem erhaltenen Portalbalken, dessen Inschrift (HANS JACOB VON BLUMENTHAL / DEIN GÖTTLICHES WORT DEIN HELLES LICHT / HERR UNS ABER AUSLÖSCHE NICHT 1678) auf das Kirchenpatronat der Familie von Blumenthal hinweist. Entstanden ist damals ein unverputzter Fachwerkbau mit gemusterter Ziegelausmauerung. Zu Beginn der siebziger Jahre des vergangenen wurde der größte Teil des Kirchenschiffes mit dem östlich anschließenden polygonalen Chorraum wegen Baufälligkeit abgebrochen. Die Gemeinde konnte es immerhin erreichen, dass der westliche Teil des Kirchengebäudes mit dem aufsitzenden Turm erhalten blieb und zu einer Notkirche ausgebaut wurde. Die offene Wunde zum nicht mehr existierenden Kirchenschiff wurde mit Hohlblocksteinen aus Beton vermauert.
Auf alten Fotos, wie zum Beispiel einer Abbildung im Inventarband „Die Kunstdenkmäler des Kreises Westprignitz“ aus dem Jahr 1907, ist die ursprünglich reiche Ausstattung des Kirchenraumes gut zu erkennen: An der Südwand befand sich eine barocke Kanzel, in deren Brüstungsfeldern die vier Evangelisten und Moses zu sehen waren. Ein Schränkchen, auf dem zwei mittelalterliche Schnitzfiguren stehen, ein schlichter gemauerter Taufstein und ein offenes Kastengestühl komplettieren das Inventar. Der evangelische Beichtstuhl an der Nordwand, gegenüber der Kanzel, ist auf dem Bild lediglich zu erahnen. Das Glanzstück des Raumes bildet jedoch der ungewöhnliche Altaraufsatz. Blickfang ist ein um 1450 entstandenes Retabel, das mit großer Wahrscheinlichkeit ursprünglich nicht für die Brüsenhagener Kirche geschaffen wurde. In zwei Registern des zweiflügligen Aufbaus (Einen Mittelschrein scheint es nicht gegeben zu haben!) erzählen insgesamt zwölf Bildfelder aus dem Leben Heiligen Achatius, einem der vierzehn Nothelfer, der hauptsächlich in Süddeutschland verehrt wurde. Nach Brüsenhagen muss das Kunstwerk bereits beim Bau der Fachwerkkirche gekommen sein. Eine Inschrift verrät, dass die Ergänzungen – ein Abendmahlsbild in der Predella sowie ein „Aufsatz mit dem unbedeutenden Gemälde der Auferstehung“ – im Jahre 1683 hinzugefügt wurden. Heute ist das rätselhafte Retabel nach einer Restaurierung in den neunziger Jahren in der Kyritzer Stadtkirche St. Marien zu bewundern. Die beiden erwähnten Schnitzfiguren, jeweils eine Anna Selbdritt darstellend, und die bemalten Brüstungsfelder der Kanzel blieben in Brüsenhagen erhalten.
In den Jahren 2005 und 2006 wurde am Kirchturm eine Notsicherung der Schwellenbereiche vorgenommen, die von zahlreichen Brüsenhagener Bürgern durch Eigenleistungen unterstützt wurde. Kurze Zeit später, 2009, gründete sich der Förderverein Kirche in Brüsenhagen e.V., der 2011 mit einem Startkapital des Förderkreises Alte Kirchen ausgezeichnet wurde. Nachdem 2016 eine Zusage über Fördermittel aus dem LEADER-Programm der Europäischen Union erfolgte, konnten die umfassenden Instandsetzungsarbeiten beginnen. Der provisorische Ostgiebel wurde durch drei Glastüren in der neu entstandenen Lehmwand transparent gestaltet und bietet nun die Möglichkeit, den Raum bei Bedarf nach außen zu erweitern. Zudem blieb die theoretische Möglichkeit bewahrt, irgendwann das verlorene Kirchenschiff wiedererstehen zu lassen – die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Der Grundriss des ehemaligen Kirchenschiffes ist an den erhaltenen Fundamentsteinen ablesbar. Außen wie innen bietet das Miniatur-Gotteshaus auf einem Grundriss von lediglich 24 Quadratmetern nun einen sehr ansprechenden Eindruck. Gerade wurde die 1850 gegossene Bronzeglocke mit einem elektrischen Läutewerk versehen, sodass nun täglich in Brüsenhagen der Feierabend eingeläutet werden kann. Nächster Schritt soll die Außengestaltung des Geländes um die Kirche sein: Grünanlagen, Kirchhofsmauer, Kriegerdenkmal …
Im Schnitt alle vier Wochen findet hier ein Gottesdienst statt. Darüber hinaus gibt es Konzerte, Ausstellungen und Lesungen. Ab 2014 findet im Kirchenraum die alljährliche Verleihung des Literaturpreises NORDOST (www.literatur-nordost.de) statt, der unter anderem von Rouven Obst, in Brüsenhagen lebender freier Lektor und Vorsitzender des Fördervereins, initiiert wurde.
Bereits 2019 wurden die Leistungen der Brüsenhagener mit einer Anerkennung und einem Preisgeld beim Baukulturwettbewerb gewürdigt. Lobende Erwähnung fanden die „Entwicklung der dörflichen Baukultur und Schaffung eines Raumes für die Dorfgemeinschaft“ sowie die „kühne ästhetische Umgestaltung des Kirchturms mit einer besonderen Ausstrahlung für das Ortsbild“. Der nun hinzu gekommene Brandenburgische Denkmalpflegepreis trägt mit Sicherheit zur berechtigten Freude über das bisher Erreichte bei.
Weitere Informationen: Rouven Obst; Dorfstraße 28; 16866 Brüsenhagen; Tel.: 033976-706886; Mail: kirche@bruesenhagen.de; www.bruesenhagen.de