von Bernd Janowski und Konrad Mrusek

Wir müssen professioneller werden

Ein Gespräch mit Frank Röger

Mit Frank Röger, dem Leiter des Kirchlichen Bauamtes der EKBO, sprachen Bernd Janowski und Konrad Mrusek.

Sanierte St.-Briccius-Kirche in Bad Belzig; Fotos: Bernd Janowski

Solch ein beruflicher Wechsel ist selten: Wer verlässt schon freiwillig ein Milliarden-Projekt, um eine viel bescheidenere Aufgabe zu übernehmen, zu der auch die Sorge um Dorfkirchen zählt. Frank Röger hat solch einen Schritt gemacht. Elf Jahre lang betreute der Diplom-Ingenieur und Architekt als Projektleiter den Um- und Ausbau des weltberühmten Pergamonmuseums in Berlin, seit einem Jahr leitet er nun das Bauamt der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO). „Es waren rein private Gründe“, erläutert Röger den Wechsel. „Im Alter von 55 Jahren fragt man sich, ob man noch weitere zehn Jahre solch ein Riesen-Projekt stemmt oder etwas Neues beginnt, in dem vielleicht ein paar neue Ideen zu verwirklichen sind.“ Da er sich immer gerne mit Kultur– und Kirchenbauten beschäftigte, habe ihn die Stelle gereizt. Dabei war ihm durchaus bewusst, dass das Kirchliche Bauamt in den letzten Jahren arg geschrumpft wurde. Bis zur Mitte der neunziger Jahre kümmerten sich 47 Beschäftigte um die fast 2000 Kirchen sowie um die profanen Gebäude und Friedhöfe der Landeskirche, nun sind es bloß noch elf. Für die eigentliche Bau-Betreuung in den 24 Kirchenkreisen hat Röger nur noch vier Baubetreuerinnen.

Schon nach wenigen Monaten im Amt war dem Chef daher klar, dass mit derart wenig Personal die Strukturen verändert werden müssen. Das gelte intern wie extern, sagt Röger. „Bauen ist ein komplizierter Prozess, der die entsprechenden Strukturen verlangt. “ Es müsse sowohl die Struktur der Verantwortlichkeiten stimmen, als auch jene der Aufsicht über das Bauen. Denn die Aufgaben seien ja höchst unterschiedlich, je nach Typus des Gebäudes und je nach der Zeit der Errichtung – vom Mittelalter bis zur Moderne. Wie kann also das Bauamt mit bloß noch vier Betreuerinnen all die vielen Projekte effizient begleiten und betreuen? „Wir müssen dies optimieren“, sagt Röger. Es sei falsch, dass Aufsicht und Genehmigung des Bauamtes erst einsetzen, wenn alle Pläne und Genehmigungen schon vorliegen: „Je früher man eingreift, umso besser kann man steuern.“ 
Seine Idee ist daher, dass er einmal im Jahr sämtliche Kirchenkreise besucht, um von den jeweiligen Baubetreuern vor Ort ihre Prioritäten für die nächsten drei Jahre zu erfragen. Dabei wird über die Bedarfe, die Finanzierung und mögliche Fördermittel gesprochen und fachlicher Rat offeriert. 

Konzert der Uckermärkischen Musikwochen in der Dorfkirche Stegelitz

Für Röger ist es besonders dringlich, diese Prioritäten zu definieren, weil Kirchensteuern und Fördergelder demnächst wohl knapper werden. „Die Kirche muss daher sagen, welche Gebäude ihr wichtig sind“. Im Jahre 2019, so Röger, habe die gesamte EKBO über 100 Millionen Euro in ihre Gebäude investieren können. Davon seien ca. 75 Prozent der Finanzierung über Fördermittel aus externen Töpfen erfolgt; für den Rest sorgten die Kirchengemeinden, die Kirchenkreise und die Landeskirche. „Wir werden in den kommenden Jahren Probleme bekommen, wenn wir in der Bau-Betreuung nicht professioneller werden.“ 

Jeder Kirchenkreis bzw. das hierfür zuständige Kirchliche Verwaltungsamt sollte nach seiner Ansicht mindestens einen angestellten Bau-Betreuer haben. Derzeit trifft dies auf etwas mehr als die Hälfte der 24 Kreise zu. Die kirchenaufsichtliche Genehmigung bleibt gleichwohl weiterhin beim Kirchlichen Bauamt. 

Denn es könne vielfach bei Projekten etwas schieflaufen, wenn etwa Auflagen des Denkmalschutzes übersehen werden – dies gelte selbst für vermeintlich banale Baumaßnahmen wie z. B. Erdarbeiten auf einem Friedhof. Nach Ansicht von Röger ist die Situation in der EKBO ungewöhnlich, weil die Verantwortung für die Gebäude unten, also bei den Kirchengemeinden angesiedelt ist. Beim Staat oder bei großen Unternehmen sei es anders, hier sei die Verantwortung für den Immobilienbestand zentral angesiedelt. Diese Besonderheit muss berücksichtigt werden; sie erfordert einen besonderen Betreuungs– und Abstimmungsbedarf, um die geringen finanziellen Mittel bestmöglich einzusetzen. 

Ein wesentlicher Punkt ist auch die Sicherstellung der Vor-Ort- Betreuung durch beim Kirchenkreis angestellte Baubetreuer. Die Kirchengemeinden benötigen die fachliche Beratung, denn ohne diese können Bauvorhaben nicht professionell betreut und der Zustand der vorhandenen Gebäude nicht verantwortungsvoll begutachtet werden. Die Baubetreuer müssen regelmäßig, am besten zwei Mal im Jahr, z. B. die Dorfkirchen auf mögliche Schäden prüfen und dabei vor allem die Dächer begutachten. Frank Röger verweist auf ein Pilotprojekt im Kirchenkreis Zossen-Fläming, wo versucht wird, mit finanzieller Unterstützung des Landes Brandenburg den Bauzustand der Dorfkirchen regelmäßig und professionell zu überprüfen, um größere Schäden im Vorfeld zu vermeiden. Röger plant eine ähnliche Bestandsaufnahme in anderen Kirchenkreisen. Zudem will er im Herbst 2021 ein Dorfkirchen-Kolloquium veranstalten, und zwar nicht in Berlin oder Potsdam, sondern möglichst vor Ort, am liebsten bei jenen, die Visionen haben oder über gute Beispiele berichten können. „Wir wollen nicht von oben etwas bestimmen, sondern die Akteure vor Ort unterstützen.“

Das Tableau der Teilnehmer beim Kolloquium sollte nach Ansicht von Röger möglichst breit sein, bis hin zur Politik. Denn über den Evangelischen Staatskirchenvertrag mit dem Land Brandenburg kommen jährlich rund 1,5 Millionen Euro dem Erhalt des kulturellen Erbes zugute, das sich unter anderem in den denkmalgeschützten Kirchengebäuden manifestiert. „Die Landesregierung hat im Koalitionsvertrag vereinbart, dass der Kirchenvertrag in dieser Legislaturperiode angepasst werden soll. Wir würden es sehr begrüßen, wenn die jährlich zur Verfügung stehende Summe erhöht wird. Denn jeder weiß, dass ein vor 25 Jahren festgelegter Betrag angepasst werden muss, wenn man etwas erreichen will. Tarifsteigerungen, Inflation und die nach oben gehenden Baukosten machen das einfach nötig.“

Was soll mit den kaum noch oder gar nicht mehr genutzten Kirchen geschehen? Das will Röger zum Hauptthema des Kolloquiums machen. Eines sei doch offensichtlich: „Jetzt können wir noch agieren, andere mit ins Boot nehmen. Doch wenn wir nichts tun, stehen wir in zehn Jahren mit dem Rücken zur Wand.“ Für ihn gibt es bei Dorfkirchen drei Aspekte: Der christliche Glaube am Ort, der Schutz des Denkmals und die identitätsstiftende Wirkung der Kirche für den Ort und seine Bewohner. Denn ein Kirchturm, den man schon von weitem sehe, symbolisiere Heimat selbst für Atheisten. „Letztlich ist das eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung, denn die Baulast für die Dorfkirchen kann die Institution Kirche auf Dauer nicht schultern.“ Andere Akteure, auch das Land, müssten die Last mittragen. Schließlich stecke das meiste Kunst- und Kulturgut Brandenburgs nicht etwa in Museen, sondern in den rund 1400 Dorfkirchen. 

Wenn man in die Zukunft blicke, so Röger, gebe es einen Hoffnungsschimmer, weil mit dem Trend zum „home office“ immer mehr Menschen aufs Land zögen. In Bad Wilsnack, fügt er hinzu, könnten Einheimische schon jetzt kaum mehr Baugrundstücke zu einem bezahlbaren Preis finden. In anderen ländlichen Regionen sei es ähnlich. „Vielleicht kann durch diesen Wandel das dörfliche Leben erneuert und das kulturelle Erbe mehr genutzt und gepflegt werden.“

Privatisierte Dorfkirche in Tornow (Oberhavel)

Sollte die Kirche Eigentümer der Gotteshäuser bleiben, wenn andere die Baulast übernehmen? Könnte sie es zum Beispiel hinnehmen, dass in einem per Nutzungsvertrag überlassenen Gotteshaus eine das Christentum leugnende Politik propagiert würde? Für Röger ist dies eine Frage, die an das Selbstverständnis der Kirche rührt: „Man kann diese Verantwortung nicht so einfach abgeben. Es muss auf jeden Fall weitere Kooperationen geben, ob es nun ein Nutzungsvertrag oder ein Erbbaurecht ist.“ Darin müsse festgelegt werden, was im Gebäude an Veranstaltungen sinnvoll und erlaubt sei. In bisherigen Vereinbarungen mit Kommunen hätten diese zum Teil die Baulast übernommen, das Eigentum sei aber bei der Kirche geblieben. Für die Nutzung gebe es jeweils die Pflicht zur Absprache mit der Kirchengemeinde. Mögliche Modelle dafür sind die Stadtkirchen in Frankfurt (Oder), Müncheberg oder Beelitz, wo die Kirche im Rahmen der Landesgartenschau 2022 genutzt wird. 

Könnte man ungenutzte Kirchen auch in eine Art Wartestand versetzen? Für Röger wäre das eine denkbare Variante, wenn keine andere Option mehr greift. „Es besteht dann allerdings auch das Erfordernis, mindestens jedes halbe Jahr oder nach einem Sturm zu schauen, ob zum Beispiel das Dach noch dicht ist.“ Voraussetzung dafür sei aber, dass es ähnlich wie in der Uckermark dazu auch eine Bestandsaufnahme von jeder Dorfkirche mit den jeweiligen Spezifika gibt; hier gelten bereits jetzt etwa zehn Prozent der 180 Kirchen als nicht oder kaum noch genutzt. 

Sollte man notfalls Kirchen verkaufen? „Ich kann mir nicht vorstellen, dass in einem größeren Umfang künftig Kirchen veräußert werden. Man kann sie nicht abgeben wie einen Gebrauchsgegenstand, Gotteshäuser darf man nicht nach rein finanziellen Kriterien beurteilen.“ Bei der Frage nach der künftigen Nutzung oder der Baulast-Übertragung wirbt Röger dafür, sich keine Denkverbote aufzuerlegen, sondern auch mal über den Tellerrand zu blicken. Dazu zählen insbesondere die anderen Gliedkirchen der EKD aber auch europäische Lösungen, wie z. B. das britische Trust-Modell, bei dem Kirchen in eine Stiftung übergehen.

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