von Hans Krag

Ein Projekt unter vielen

Die Feldsteinkirche von Siethen

Dr. Hans Krag war viele Jahre Vorstandsmitglied und Regionalbetreuer des Förderkreises Alte Kirchen Berlin-Brandenburg e. V.

Foto: Hans Krag
Dorfkirche Siethen

Wenn man heute als langjähriges aktives Mitglied des Förderkreises Alte Kirchen über Land fährt, kann man bei vielen Dorfkirchen sagen: Auch hier hat der Förderkreis geholfen, eine Wegmarke gesetzt, und ein schönes Gefühl für den geleisteten Beitrag und die Erinnerung daran kommt auf. Da ist der ehrenamtliche Einsatz nicht verpufft, sondern lebt in seinem Arbeitsergebnis für alle sichtbar weiter.

Zum Beispiel Siethen (Teltow-Fläming)

Die einfache Feldsteinkirche des Dorfes aus dem 13./14. Jahrhundert wurde 1375 erstmals erwähnt. Das Dorf wechselte mehrmals die Besitzer und die neuen Patrone renovierten oder veränderten Bau und Einrichtung nach ihrem Geschmack. Wichtig ist der Renaissance-Altar von 1616, der von den Familien von Stüsseln und von der Gröben gestiftet wurde. 1724 wurde die Turmuhr gestiftet, 1882 die Orgel. 1914/15 wurden Apsis und Sakristei angebaut – Mäzen war die Familie von Badewitz. Der Taufengel aus dem 18. Jahrhundert schwebt nicht mehr frei im Raum, sondern blickt von der Ostwand auf die Taufe herab.

Theodor Fontane hat diese Kirche besucht und fand an ihr, wie auch an dem Dorf, nichts Besonderes: „Siethen hat nur ein märkisches Durchschnittsansehen“. Aber er erwähnt ausführlich die Wappenschilde an der Empore, die die Wappen der mit den von Schlabrendorfs verwandten Familien zeigen – alle bekannten Familien Brandenburgs sind dort vertreten. Außerdem interessierten ihn viele historische Grabstätten auf dem Friedhof – nicht aber der Kirchenbau selbst. Wahrscheinlich war zu Zeiten des Fontane-Besuches die Gedenktafel für den Grenadier Friedrich Carl Paulick noch nicht angebracht, der „im Treffen von Spicheren am 6. August 1870“ gefallen war. Damals jagten ehrgeizige und ruhmsüchtige Generäle ihre Soldaten die Anhöhe von Spichern über Saarbrücken hoch und vertrieben die Franzosen, die Moltke eigentlich in Saarbrücken hatte einkesseln wollen. Tausende Soldaten mussten nun noch sterben, bis die Einkesselung schließlich in Metz gelang. Heute kann man im Halbdunkel des Waldes von Spichern einige Denkmäler finden, wie sie die Regimentskameraden früher für ihre Gefallenen errichtet haben. Darunter ist auch das Denkmal für das Regiment unseres Siethener Grenadiers. Die Inschrift lautet: „Grenadier Regiment Prinz Carl von Preußen, 2. Brandenburgisches Nr. 12, Krieg 1870/71, 22 Offiziere, 38 Unteroffiziere, 468 Mannschaften.“ So etwas hätte den Kriegsberichterstatter Fontane sicherlich interessiert.

Foto: Hans Krag
Denkmal für die Gefallenen des „Grenadier Regiments Prinz Carl von Preußen“ auf dem Schlachtfeld von Spichern

2008 wandte sich der gerade gegründete Förderverein „Siethener Dorfkirche“ mit einer Alarmmeldung an den Förderkreis Alte Kirchen: Der Turm der Siethener Kirche war nicht mehr standfest, die Glocken durften deshalb nicht mehr geläutet werden und eine bauaufsichtliche Schließung wurde erwogen. Die für die Instandsetzung benötigen Mittel (125.000 Euro) konnten aus eigener Kraft nicht beschafft werden. Nun war Fantasie gefragt, und der Siethener Verein zeigte sich einfallsreich. 2009 wurde eine Lesung über die Dorfgeschichte organisiert, bei der die alten Siethener Familien in der Sitzordnung von 1915 (jeder hatte seinen Stammplatz) Platz nahmen. Die Kirche war nicht nur überfüllt sondern nun auch im Gespräch: Die Stadt Ludwigsfelde (zu der Siethen mittlerweile gehört) sagte 30.000 Euro an Finanzhilfen zu. Ein lokaler Jäger spendete 2 geschossene Frischlinge, die der lokale Gastwirt zu Suppe verarbeitete und zu Gunsten des Kirchturms verkaufte.

2009 sandte ein befreundeter Lions Club aus der Region Darmstadt eine Spende, und einige Klubmitglieder informierten sich persönlich über die Situation. Dabei gab es ein West-Ost–Treffen an Stehtischen vor der Kirche; die Siethener spendierten dazu Kaffee und Kuchen und auf dem Bauernmarkt gegenüber der Kirche konnten die Wessis lokalen Honig und anderes einkaufen. Die Gespräche mit den Einheimischen über alles und jedes waren für die angereisten Südhessen sicher sehr aufschlussreich. Im Dezember 2009 wählte der Vorstand des Förderkreises Alte Kirchen die Siethener Kirche zu seiner „Dorfkirche des Monats“ und verschaffte ihr landesweite Aufmerksamkeit. Im Januar 2010 vermittelte der Förderkreis die Kölner Organistin Melanie Noske-Herzog für ein Benefizkonzert nach Siethen. Sie spielte mehrere verhältnismäßig unbekannte Stücke, so dass man bei Pausen nicht wusste, ob es das Ende eines Stückes war oder nur eine Satzpause.

Foto: Hans Krag
Innenraum der Siethener Dorfkirche mit barocker Ausstattung

Wir verabredeten daher eine vergnügliche Zeichensprache: einer saß neben dem Altar und blickte zur Empore, während die Zuhörer ja in Richtung Altar schauten. Hob die Organistin den Arm, begann der Claqueur neben dem Altar mit dem Beifall, und die Gemeinde fiel ein… Weitere Veranstaltungen, wie z. B. die Eröffnung des Brandenburgischen Dorfkirchensommers, ein Benefiz-Fußballspiel, organisierte Wanderungen, Kuchenverkauf, eine Spende der „Kristalltherme Ludwigsfelde“ und schließlich auch Zuschüsse von der Sparkassenstiftung und kirchlichen Organisationen brachten endlich das für die Sanierung benötigte Budget zustande, das inzwischen auf 200.000 Euro angewachsen war. Am 27.11.2011 konnte die Kirche wieder eingeweiht werden und ist nun ein Schmuckstück im Dorf. Diese Leistung sollte man mit zwei Namen verbinden: Frau Yvonne Wendtland, Leiterin des lokalen Fördervereins und Herrn Pfarrer Peter Collatz mit seinem nimmermüden Einsatz für Kirche und Gemeinde. Am 31. Dezember 2013 löste sich der Förderverein schließlich auf – es war geschafft. Zurück bleiben die Erinnerungen der Beteiligten. Auch beim Förderkreis Alte Kirchen, für den das Projekt nur eines unter vielen ist.

Zur Kirche
Vorheriger Beitrag
Rätsel und Merkwürdigkeiten

Zur Baugeschichte der St. Marienkirche in Treuenbrietzen

von Detlef Fechner

Nächster Beitrag
Raphael von Lindenhain

Ein Engel, der verschwand, wiederentdeckt wurde und darauf wartet, repariert und wieder unter die Decke gehängt zu werden

von Klaus Goebel