von Theda vonWedel

Die Geschichte vom hässlichen Entlein …

Die EselPilgerLichtkirche in Neuendorf

Theda von Wedel-Schunk ist Mitglied im Vorstand und Regionalbetreuerin des Förderkreises Alte Kirchen Berlin-Brandenburg e. V.

Eselpilger vor der Dorfkirche Neuendorf; Fotos: Evang. Kirchengemeinde Brück

Die seit langem einsturzgefährdete schlichte Kirche in Neuendorf (Landkreis Potsdam-Mittelmark), irgendwo an der Landstraße 83 zwischen Niemegk und Brück, wird sich in diesem Jahr vom hässlichen Entlein zum im wahrsten Sinne strahlenden Schwan aufschwingen. Sie wird eine EselPilgerLichtkirche! Drei Elemente sind es, die diese Verwandlung ausmachen: EselPilger, Licht und, zur freudigen Überraschung, die vom Aussterben bedrohte Mopsfledermaus im alten Gemäuer. Was für eine Metamorphose!

Esel-Pilger

Im Jubiläumsjahr der Reformation 2017 hat Eselwirt Jan Prowaznik mit seinen Eselnomaden erfolgreich Pilgerwanderungen nach Wittenberg angeboten. Daraus entstand die Idee, Neuendorf als Station und Ausgangspunkt von Eselpilgertouren zu wählen, zum Beispiel auf Strecken des Jakobspilgerweges von Berlin nach Treuenbrietzen und auf anderen Wegen. Im alten Pfarrhaus neben der Dorfkirche wurde bereits eine Pilgerstube mit Schlafmöglichkeit eingerichtet, im Stall stehen drei Esel, im Obergeschoss ist der Eselwirt mit seiner Familie untergebracht. In der Kirche findet sich das Eselthema auf Infotafeln wieder. Auf der Projektionsleinwand kann der Besucher eine Multimediashow über den Esel in der Bibel und in der Gegenwart sehen. Auf den Bänken liegen die Geschichten der Bibel mit Eseln aus. Die Eselerzählungen können aber auch als Film angesehen werden. In der Kirche sind Andachten geplant. Von den „Eselnomaden“ kommt die spezielle Einführung und Begleitung. Jeder Pilger wird seinen Pilgerpass abstempeln können.

Licht-Kirche

Die Inspiration dazu ging von der Lichtkirche in Rattlar (Nordhessen) aus, deutschlandweit die erste Kirche dieser Art. Lichtdesigner Thomas Bartel hat für Neuendorf ein beeindruckendes Beleuchtungskonzept entwickelt. Der Besucher kann mit einfachen technischen Mitteln per PAD den Innenraum der Kirche entsprechend seiner Stimmung selbst gestalten. Ganz nach Gefühl und persönlicher Verfasstheit verändert sich die Farbgebung, dazu passende Musik, meditative Texte und Gedankenstützen. Angebote für Jugendliche werden ebenso aufgenommen wie biblische Geschichten für Kinder, untermalt mit Regenbogenfarben und Musik. Dass der Pilger oder Besucher der Kirche selbst das Licht, die Musik und das Wort in der Kirche bestimmen kann, hat es in der Region so noch nicht gegeben.

Entwurf des Lichtkonzeptes für die Dorfkirche Neuendorf

Die Mopsfledermaus

Bei der gutachterlichen Untersuchung im Zusammenhang mit der Sanierung wurden nicht nur Zwergfledermäuse, Große Abendsegler, Große Maus-
ohren und Graue Langohren entdeckt, sondern auch Mopsfledermäuse, die auf der Roten Liste der bedrohten Arten stehen. Vermutlich haben sich die Tiere im Kirchturm angesiedelt .Gesehen hat sie bisher niemand, aber allein die Vermutung auf Grund von Kotspuren hat den ursprünglich für 2018 vorgesehenen Sanierungsplan um ein Jahr zurückgeworfen. Nun ist eine Lösung gefunden, aus dem Problem haben Architekt Stefan Winkler und der zuständige Pfarrer Kautz eine Bereicherung gemacht. Die Sanierungsmaßnahmen berücksichtigen die Lebensbedingungen der Fledermaus, die Brutzeit, das Flugverhalte etc. Und um das Leben der Tiere im Kirchturm auch von draußen wahrnehmen zu können, ohne die Tiere zu stören, werden aus der Fledermaus-Kinderstube mittels einer Box die Töne nach außen übertragen und über Fledermäuse Informationen gegeben.

Tagsüber ist die Kirche grundsätzlich offen. Vom Pfarrhaus neben der Kirche kann die Kirchentür aufs Klingeln elektronisch geöffnet werden. Auch der diensthabenden Älteste hört die Klingel und kann die Tür öffnen. Dazu hat jedes Gemeindemitglied eine Chipkarte. Angedacht ist eine Kooperation mit anderen Flämingkirchen, die auch das Chipkartensystem einführen. Die Toilette im Pfarrhaus steht für alle Besucher zur Verfügung. Im Pfarrhaus gibt es die Esel-Stube, die zum Rasten genutzt werden kann. Unter der großen Kastanie vor der Kirche sollen Bänke aufgestellt werden und zur Erholung einladen.

Die Sanierungskosten belaufen sich auf insgesamt 362.000 Euro. Vom Europäischen LEADER-Programm werden 75 Prozent dieser Summe übernommen. Gemeinde, Kirchenkreis und andere stemmen den Rest.

Was für den Pfarrer und die Neuendorfer wichtig ist: Die Kirche bleibt Kirche, auch wenn nach dem Umbau ein vielseitig nutzbarer Veranstaltungsort entstanden sein wird.

„Kirchen sind heute nicht mehr nur und ausschließlich ein Haus der Gemeinde, sondern auch ein Haus für einzelne Menschen, die in ihnen unterschiedliche Erfahrungen machen. Die Besucher kommen und erfahren die Kirchen religiös, spirituell, ästhetisch, auch politisch. Und was das für eine Kirchengemeinde und ihren Auftrag bedeutet, buchstabieren wir ganz neu durch“, sagt Helmut Kautz, der Pastor von Brück. „Diese Entwicklung soll in der sanierten Kirche zu Neuendorf sichtbar werden. Und deshalb möchten wir den gesamten Prozess bewusst als geistlichen Kirchenbau sehen.“

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