Otto Bartning – Vom neuen Kirchbau
Die 1919 erstmals erschienene Publikation „Vom neuen Kirchbau“ des Architekten Otto Bartning kann als Initialzündung des modernen evangelischen Kirchenbaus in Deutschland bezeichnet werden. Pünktlich zum 100. Jubiläum des Bauhauses erschien endlich eine Neuausgabe dieses wichtigen Buches. „Kaum ein architekturtheoretisches Werk hat das Ringen um die Gestaltung des Sakralraums im 20. Jahrhundert mehr geprägt.“ ist zu Recht im Klappentext zu lesen.
Der 1883 in Karlsruhe geborene Otto Bartning entwarf und baute bereits während seines später abgebrochen Studiums die ersten Kirchengebäude in Österreich. Er gehörte zwar nicht zu den eigentlichen Mitgliedern des Bauhauses, hatte aber zusammen mit Walter Gropius das Konzept zur Gründung entwickelt. Nach dem Umzug des Bauhauses nach Dessau wurde Bartning als ein gemäßigter Moderner zum Direktor der neu gegründeten Weimarer Bauhochschule berufen. Kurz nach Kriegsende, ab Sommer 1945, entwickelte er für das Hilfswerk der Evangelischen Kirche ein „Notkirchenprogramm“ zur seelsorgerischen Versorgung der Millionen Flüchtlinge aus dem Osten.
Otto Bartning, der sich intensiv mit theologischen Fragen auseinandersetzte, sah sakrale Architektur nicht nur als gebautes „Gehäuse der Versammlung“, sondern als „die sichtbare Form und Gestalt der Gemeinschaft“. Besonders wichtig war für ihn die Anordnung von Altar, Kanzel und Kreuz, die den liturgischen Ansprüchen der jeweiligen Gemeinde entsprechen mussten. Jeglicher Historismus, der den Kirchenbau der letzten Jahrzehnte geprägt hatte, wurde von ihm abgelehnt. Bartning griff den bereits 1906 von Cornelius Gurlitt geprägten Begriff der „Liturgie als Bauherrin“ auf: „Alles Bauen muss von einem Zwecke ausgehen … so auch der Kirchenbau.“
In einer Zeit der schweren Not kurz nach Beendigung des verlorenen Ersten Weltkrieges formulierte Otto Bartning in seinem Buch eine Utopie, die sein ganzes späteres architektonisches Schaffen prägen sollte: „Diese Kirche wird jederzeit und jedem offen stehen, und wer eintritt, wird nicht ein leeres Gehäuse, sondern eine stille Stätte der Selbstbesinnung
und des Untergehens, des Trostes und der Stärkung des Guten seiner Seele, kurz des Gebetes, finden. Denn diese Kirche wird in jenem freigewählten, geistigen Sinne sakraler Ort sein.“
Otto Bartning: Vom neuen Kirchbau. Herausgegeben von Peter Schütz. Böhlau Verlag, Wien-Köln- Weimar 2019; ISBN 978-3-412-51655-0; 30, – Euro