Buchtipp

Stolpe im oberen Havelland – ein Dorf und seine Kirche


Im Herbst des Jahres 2005 feierte das Dorf Stolpe (OHV) – direkt hinter der Berliner Stadtgrenze zwischen Hennigsdorf und Hohen Neuendorf gelegen – das 650. Jubiläum seiner urkundlichen Ersterwähnung. Zu diesem Anlass hielt die langjährige Stolper Pastorin Renate Vogel einen Vortrag über die Geschichte des Ortes und seiner Kirche. Über Jahre hatte sie zu diesem Thema Stoff gesammelt und geplant, im Ruhestand daraus ein Buch zu machen. Aus dem gesammelten Material hatte sie bereits in der ehemaligen Patronatsloge der Stolper Kirche eine Ausstellung erstellt. Ein Jahr nach dem Ortsjubiläum verstarb Renate Vogel und der Plan einer Veröffentlichung ruhte vorerst. 

Ihrem Mann, Dr. Traugott Vogel – ebenfalls Theologe, Professor für systematische Theologie und Philosophie und zuletzt bis zu seiner Pensionierung Leiter der Abteilung Theologische Aus-, Fort und Weiterbildung im Berliner Konsistorium – war es ein Bedürfnis, die Arbeit seiner Frau, bereichert durch eigene akribische Recherchen zu einem guten Ende zu bringen. 

Entstanden ist ein spannendes und lesenswertes Buch. Mancher wird sich vielleicht fragen, ob die Geschichte eines „Provinznestes“ wie Stolpe wirklich Stoff für 200 Seiten Lektüre bietet. Die Autoren (Traugott Vogel war es wichtig, dass die Publikation unter dem Namen seiner Frau Renate erscheint, von ihm lediglich ergänzt und herausgegeben) haben die Historie des Ortes geschickt in die großen politischen, sozialen und religiösen Entwicklungen der Zeit gestellt, die ja immer auch das Leben der einfachen Menschen in Stadt und Land beeinflussen. 

Die Stolper Kirche, ein mittelalterlicher Feldsteinbau, entstand mindestens 100 Jahre vor der Ersterwähnung in einer Urkunde aus dem Jahr 1355; und vermutlich hatte sie sogar einen hölzernen Vorgängerbau. Das Buch sucht nach Antworten auf Fragen nach der Gründung des Ortes und dem Bau seines Kirchengebäudes. Wie hielt die Reformation Einzug in die brandenburgischen Dörfer? Welchen Einfluss hatte der Übertritt des Herrscherhauses zum Calvinismus? Und warum könnte der imposante Kirchturm von 1822 ein „architektonisches Symbol der vom König initiierten Union von Lutheranern und Reformierten in Preußen“ sein? 

Ein umfangreiches Kapitel beschäftigt sich mit der Geschichte des Dorfes und der Kirchengemeinde im sogenannten Dritten Reich, wobei der Mut des zur Bekennenden Kirche gehörigen Pfarrers Hermann Gehann gewürdigt wird. Nach dem Ende des Krieges gab die sowjetische Besatzungsmacht Stolpe 1945 zunächst an die Franzosen, die auf dem Gelände der Stolper Heide einen Militärflugplatz errichten wollten. Da sich dieser Plan zerschlagen hatte und die Gegensätze zwischen den Besatzungsmächten sich immer mehr zuspitzten, wurde Stolpe – auch diesmal ohne die Bewohner zu fragen – 1948 wieder dem sowjetisch dominierten Land Brandenburg eingegliedert. Nachdem auch vierzig Jahre DDR und die „Wende“ behandelt wurden, widmet sich das letzte Kapitel des Buches der Kunstgeschichte der Dorfkirche und ausführlich ihren Umbauten, Instandsetzungen und Restaurierungen. Die letzte umfassende Sanierung organisierte von 1997 bis 1999 Pfarrerin Renate Vogel. Der einhundertfünfzig Jahre auf dem Kirchenboden vergessene Taufengel wurde restauriert und erhielt wieder seinen Platz in der Kirche. Bis 2018 konnte auch die 1857 von Ferdinand Lang und Carl August Buchholz saniert werden. Außer zu den Gottesdiensten erklingt sie häufig auch in den Stolper Abendmusiken, einer seit vielen Jahren etablierten Konzertreihe.Renate Vogel: Stolpe im Oberen Havelland – ein Dorf und seine Kirche. Ergänzt und herausgegeben von Traugott Vogel. Book on Demand. Zu bestellen über www.winterwork.de. 203 Seiten, zahlreiche Abbildungen. 16,90 Euro