Kunst und Kirche im Erzbistum Berlin
Im Jahr 1747 begann auf Geheiß Friedrichs des Großen der Bau der Berliner St. Hedwigs-Kathedrale nach Plänen des Baumeisters Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff. Der hauptsächlich für Zuwanderer aus dem soeben preußisch gewordenen Schlesien gedachte Kirchenbau war 1773 vollendet. Danach war lange Zeit erst einmal Schluss mit dem Bau katholischer Gotteshäuser in Berlin und der Provinz Brandenburg.
Die eigentliche Geschichte des katholischen Kirchenbaus nach der Reformation beginnt in unserer Region erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und nimmt nach dem Ende des Bismarckschen Kulturkampfes etwa ab 1890 stark zu. Zum Zeitpunkt der Reichsgründung 1871 wurden in Berlin bereits 51.000 Katholiken gezählt, kurz nach der Jahrhundertwende war ihre Zahl bereits auf über 200.000 angewachsen.
Im Gegensatz zu den protestantischen (in der Mehrzahl nach der Reformation protestantisch gewordenen) Kirchengebäuden in Berlin und Brandenburg entziehen sich bis heute die meisten katholischen Sakralbauten der öffentlichen Aufmerksamkeit – wenn man einmal vom jüngsten Streit über den Umbau der St. Hedwigs-Kathedrale absieht.
Die erst kürzlich verstorbene Kunsthistorikerin Christine Goetz, langjährige Kunstbeauftragte des Erzbistums Berlin, legte bereits vor einigen Jahren ein Buch vor, das neugierig machen soll auf „Schätze in der Diaspora“ und auf das hier noch einmal hingewiesen werden soll. Ergänzt und aufgewertet durch zahlreiche bemerkenswerte Bilder des Fotografen Constantin Beyer lädt es dazu ein, auf Entdeckungsreise zu gehen.
Bis in die zwanziger Jahre hinein entzog sich der katholische Kirchenbau der aufkommenden Moderne und blieb weitgehend den konservativen Neo-Stilen verhaftet. Besonders prächtige Beispiele sind die Herz-Jesu-Kirche im Prenzlauer Berg und die Rosenkranz-Basilika in Berlin-Steglitz mit ihren flächendeckenden farbigen Ausmalungen. Man sieht diesen Kirchenräumen das erwachende Selbstbewusstsein des Katholizismus unmittelbar an. Als überaus imposanter Bau entstand 1912 die Heilig-Geist-Kirche in Kyritz, dessen Baumeister Josef Welz romanische und gotische Elemente malerisch komponierte.
Nahezu avantgardistisch wirkt dagegen St. Augustinus in der Berliner Dänenstraße (Prenzlauer Berg). Die wuchtige, ziegelsichtige Fassade ist in die Straßenfront eingefügt; der lichtblaue pfeilerlose Innenraum wird von einem modernen Rabitzgewölbe überspannt und vermittelt mit seinen Blendarkaden aus Naturstein eine geradezu expressionistische Formensprache. Hier ist auch der katholische Kirchenbau endgültig in der Moderne angekommen. Geradezu spektakulär ist schließlich die Architektur der Kirche Regina Maria Martyrum in Berlin-Charlottenburg, gebaut 1960 bis 1963 als „Gedächtniskirche der deutschen Katholiken zu Ehren der Blutzeugen für Glaubens- und Gewissensfreiheit 1933-1945. Angeschlossen ist seit 1984 das Karmelitinnenkloster „Regina Martyrum“.
Nicht nur die Kirchengebäude stellt Christine Goetz in kurzen Impressionen vor; auch Skulpturen, Gemälde und Glasfenster werden gezeigt und liebevoll beschrieben. Allen an Kirchenbau und sakraler Kunst Interessierten sei das Buch empfohlen. Wenn in diesem Jahr die ganz großen Urlaubsreisen ausfallen, gibt es doch in der eigenen Region noch viel zu entdecken!
Christine Goetz / Constantin Beyer: Das Sichtbare und das Unsichtbare. Kunst und Kirche im Erzbistum Berlin. Kunstverlag Josef Fink; Lindenberg im Allgäu 2017 (2. Auflage); ISBN 978-3-89870-978-1; Euro 14,80