Buchtipp

Himmelsfenster

In den Kirchen der Magdeburger Börde, einer Region direkt westlich der sachsen-anhaltinischen Landeshauptstadt gelegen, haben sich auffallend viele Altarbilder und vor allem Emporenbilderzyklen aus nachreformatorischer Zeit erhalten. Ein kürzlich präsentiertes Buch widmet sich nun diesen sakralen Kunstwerken und ihren Vorbildern.

Seit geraumer Zeit ist bekannt, dass die zumeist heute unbekannten Schöpfer dieser Bilder nur in den seltensten Fällen eigene Kompositionen schufen, sondern fast ausschließlich nach druckgraphischen Vorlagen arbeiteten. Mit bewundernswerter Akribie und Ausdauer beschäftigt sich seit einigen Jahren der in Lübbenau lebende pensionierte Diplom-Geologe Rudolf Bönisch mit der Suche nach den Vorlagen für sakrale Bildwerke in Ost- und Norddeutschland. Davon zeugen auch etliche Beiträge in den vergangenen Ausgaben unserer Jahresbroschüre „Offene Kirchen“.

Im Vorwort des Buches erzählt Pfarrer i.R. Wolfram Steinacker, dass Rudolf Bönisch ihn bei einem Besuch in der Kirche von Alvensleben scherzhaft fragte: „Wissen

Sie eigentlich, dass ein Rubensbild in ihrer Kirche hängt?“ Und tatsächlich entstand das Tafelbild im Mittelfeld des Altarretabels, das eine Kreuzigungsszene zeigt, nach der Vorlage eines Kupferstiches, den der holländische Graphiker Boetius Adams Bolswert nach dem Gemälde „Der Lanzenstich“ von Peter Paul Rubens geschaffen hatte. Das Abendmahlsgemälde in der Predella wiederum entstand nach einem Kupferstich von Matthäus Merian dem Älteren, der auch in der berühmten Merian-Bibel enthalten ist.

Nach den ausführlichen Auslassungen zu den Bildwerken der Alvenslebener Kirche stellt Bönisch stichpunktartig Emporenbilderzyklen in den Kirchen der Börde und deren graphischen Vorlagen vor. An vier Altaraufsätzen der Region finden sich jeweils in der Predella Abendmahlsdarstellungen, die nach der gleichen Vorlage entstanden sind, die jedoch bisher nicht gefunden werden konnte. Ein letztes Kapitel beschäftigt sich mit der recht seltenen Darstellung des sogenannten Gnadenstuhles in

der Dorfkirche Schermcke. Das Motiv des Gnadenstuhles stellt die Trinität (Dreifaltigkeit) in besonderer Art und Weise vor: Gottvater, der meist gekrönt dargestellt ist (in Schermcke trägt er eine Tiara), hält den Leichnam seines Sohnes Jesus Christus in den Armen. Über beiden schwebt eine Taube als Verkörperung des Heiligen Geistes. Die hier beschriebene Darstellung bildet das oberste Bildfeld eines 1581 von Adam Offinger geschaffenen Renaissance-Retabels. Als Vorlage diente hier ein Holzschnitt von keinem Geringeren als Albrecht Dürer. Interessanterweise geht Bönisch etwas ausführlicher auf die Thematik ein und stellt weitere Darstellungen des in der protestantischen Ikonographie nicht sehr häufigen Gnadenstuhl-Motivs und deren Vorlagen vor.

In seinen Schlussbemerkungen weist der Autor des schön illustrierten und gut zu lesenden Buches darauf hin, dass die vorgenommene Zusammenstellung von Gemälden aus den evangelischen Kirchen der Börde zwar die große Vielfalt der Darstellungen biblischer Themen zeigt, dass hier jedoch die Bildprogramme selbst nur angerissen werden konnten. Vielleich regt die Publikation ja dazu an, auch auf die dargestellten Bildmotive und ihren biblischen Ursprung näher einzugehen. In unserer säkularen Gesellschaft ist da vieles in Vergessenheit geraten.

Rudolf Bönisch: Himmelsfenster. Kupferstiche als Vorlagen der biblischen Bilder in St. Jakob Alvensleben und weiteren Kirchen der Börde. Herausgegeben von der Evangelischen Kirchengemeinde Bebertal; 19,90 €;
Bestellungen über: Wolfram Steinacker; Am Alten Markt 11; 39343 Bebertal; Tel.: 039026-402