In Pinnow trübt der Turm die Festfreude
Nicht frostbeständige Ziegelsteine haben angefangen zu bröckeln
Ende September wollte man in Borgsdorf-Pinnow (Oberhavel) groß feiern, erst mit einem Festgottesdienst und dann mit einem Konzert. Denn nach fast zwei Jahrzehnten mühevoller Arbeit ist die Restaurierung der Stüler-Kirche vollbracht.
Nicht nur der blaue Himmel erstrahlt in der Apsis, auch sämtliche Wände haben nun jenes filigrane Marmor-Imitat wieder erhalten, das der kreative, aber zur Sparsamkeit genötigte preußische Baurat Friedrich August Stüler im 19.Jahrhundert etlichen Dorfkirchen verschaffte. Doch das Fest musste auf den Juni 2021 verschoben werden.
Es ist nicht allein die Corona-Pandemie, die Klaus Sokol, den Vorsitzenden des Fördervereins Kirche in Pinnow, zur Vertagung zwang. Seine Festfreude wäre auch ohne die Pandemie getrübt worden, denn es ist in letzter Zeit außen an der Kirche etwas passiert, was Sokol und der Verein überhaupt nicht erwartet hatten: Der erst vor knapp dreißig Jahren neu gemauerte Turm-Helm bröckelt, er zeigt typische Frostschäden, bei denen Gestein abplatzt. Denn Stüler wollte den Turm nicht etwa mit Dachziegeln decken lassen, wie es meist geschieht, er entwarf als Besonderheit einen kunstvollen Helm, der aus Ziegelsteinen gemauert wurde. Als nun Anfang der neunziger Jahre die Kirche, die vor der Wende zeitweise vom Abriss bedroht war, zusätzlich zum Dach auch eine neue Turmspitze erhielt, wurden offenbar zu weiche, nicht frostbeständige Ziegelsteine eingebaut. Die Ursache dafür sei eine zu geringe Brenntemperatur, heißt es in einem Gutachten des Forschungslabors Fead in Berlin. Martin Petsch von der Denkmalschutzbehörde in Oranienberg sagt, solche Ziegel-Schäden beobachte er bei etlichen Kirchen, weil parallel zum weichen Ziegel oft ein zu harter Fugenmörtel verwendet wurde. Dessen Zementanteile sorgten dafür, dass Salz in den weichen Stein eindringe, das Wasser anziehe und dann im Winter zu Frostschäden führe. Wie auch immer die Fachleute die Ursache der Schäden begründen – die Folgen sind gravierend und auf Dauer ein Sicherheitsrisiko für die Besucher der traditionsreichen Kultursonntage in Pinnow. Es gäbe theoretisch drei Möglichkeiten: Eine Verkleidung des Turms mit Blech, was die Denkmalschützer nicht akzeptieren. Die zweite Variante bestünde darin, in regelmäßigen Abständen einen Hubsteiger zu engagieren, wie es vor kurzem geschah, der das lockere Material vom Turm holt. Doch diese nicht gerade billige Putzaktion könne keine Dauerlösung sein, so ergab nun eine Besprechung in Pinnow. Also muss wohl eine neue Turmhaube gemauert werden und das dürfte rund 280.000 Euro kosten. Der Förderverein, der mit großem Engagement und vielen Kultursonntagen die Innensanierung finanzieren half, sieht sich nicht in der Pflicht, nun auch noch den Turm zu reparieren. Das sei, so Sokol, vor allem eine Aufgabe der Kirchengemeinde Borgsdorf-Pinnow. Sie hat seit Jahresbeginn mit Ulrike Telschow eine junge Pfarrerin, die sich darum kümmern will. Es gibt bereits einige Finanzierungs-Ideen, wie der Turm der ersten brandenburgischen Radfahrer-Kirche wetterfest gemacht werden kann. Doch vor 2022, so ist zu vermuten, wird dies kaum möglich sein.
Konrad Mrusek