Auf der Straße der Romanik
Ein Reisebericht von der Herbstexkursion am 23.09.2023
Von weitem grüßten uns schon die markanten Türme der Jerichower Stiftskirche. Auf dem Klostergelände angekommen, erwartete uns unsere Kirchenführerin Sabine Schönfeld vom Geschichtskreis und Marionettenbühne (GuM). Da wir uns ein wenig verspätet hatten, ging es zügig in die Stiftskirche, eines der bedeutendsten Bauwerke der Backsteinromanik in Norddeutschland. Mit dem Bau der Stiftskirche wurde 1149 begonnen. Sie war bereits nach 23 Jahren vollendet. Die ab 1256 errichteten Türme gehören hingegen schon der Frühgotik an. Nach einer kurzen Einführung in die Architektur der Stiftskirche wurden wir über die wichtigsten Ereignisse des Klosters informiert: Erst war es Chorherrenstift des Prämonstratenser Ordens, ab 1680 dann kurbrandenburgische Staatsdomäne. Durch den preußischen Staatskonservator Ferdinand von Quast erfolgten in den Jahren 1853-56 umfangreiche Instandsetzungs- und Restaurierungsmaßnahmen. Die Kriegsschäden an der Stiftskirche – betroffen war die Westfassade der Klosterkirche – und die Folgen eines Dachstuhlbrandes (1946) im Ost- und Südflügel konnten von 1955-60 beseitigt werden. Im Zusammenhang mit diesen Arbeiten erfolgte die Wiederherstellung des stilreinen romanischen Innenraumes der Kirche. Weitere Instandsetzungsarbeiten folgten, aber die verbliebenen Schäden an den Klostergebäuden waren so gravierend, dass 1998 wegen schwerer Bauschäden die gesamte Klosteranlage baupolizeilich gesperrt werden musste. Die eingeleiteten Sicherungs- und Restaurierungsmaßnahmen führten jedoch bereits 1999 zur Aufhebung der Sperrung. In den folgenden Jahren folgten weitere Arbeiten zum Erhalt der Klosteranlage.
In Melkow angekommen, stehen wir vor einer stattlichen romanischen Dorfkirche, die um 1200 entstanden ist, andere Quellen nennen als Entstehungsjahr 1175. Wir haben es hier mit einer Saalkirche – rechteckiges Kirchenschiff, Chor und halbkreisförmiger Apsis – zu tun. Auffällig ist die Stellung des Turmes, der nicht als eigenständiger Baukörper, sondern wie auf den westlichen Teil des Kirchenschiffs aufgesetzt erscheint, aber anhand des Befunds in einem Zug mit dem Kirchenschiff errichtet wurde.
Zur Ausstattung der Kirche gehören ein Kruzifixus (Anfang 14. Jh.) auf dem Altar und eine oktogonale Taufe aus Sandstein vom Anfang des 13. Jahrhunderts mit Figuren an den Ecken, von denen aber nur drei erhalten sind. Die Sandsteintaufe hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich: Über Jahrzehnte diente sie in einem privaten Garten als Pflanzschale. Erst im 20. Jahrhundert fand sie ihren Weg in die Melkower Kirche zurück. Ob sie zur ehemaligen Ausstattung der Dorfkirche gehörte, bleibt im Dunklen.
Nächste Station Wust. Die romanische Dorfkirche ist zwischen 1191 und 1206, bestehend aus Kirchenschiff, einem quadratischen Chor und halbkreisförmiger Apsis, entstanden. Das Innere ist heute geprägt durch die barocke Ausstattung. Besonders hervorzuheben ist die Kassettendecke, bestehend aus 92 Feldern, die mit Putti bemalt sind. An der Südseite der Apsis wird 1709 die barocke Gruftanlage angebaut und 1727 der Fachwerkturm errichtet. Die Dorfkirche Wust ist eng mit der preußischen Geschichte verbunden. In der Gruft ruhen die Gebeine des Jugendfreundes Friedrich des Großen, Hans Hermann von Katte, der 1730 in der Festung Küstrin hingerichtet wurde. Seit 1726 hatte die Familie von Katte das Patronatsrecht. In den 1930er Jahren verlor die Witwe des letzten Nachkommens ihr Interesse an der Dorfkirche und ein schleichender Verfall der Kirche setzte ein. Auf der Internetseite des GuM heißt es: „Für eine Sanierung fehlte der kleinen Kirchgemeinde einfach der Glaube, der Mut und das liebe Geld“
Der Sohn des damaligen Pfarrers – Holger Stephan – wollte dies nicht hinnehmen. Zusammen mit zwei Gleichgesinnten begann er 1978 die Kirche instand zu setzen. Damit lösten die drei Jugendlichen sprichwörtlich in letzter Minute eine einzigartige Rettungsaktion für die Kirche und die Gruft aus. Unter Beteiligung des ganzen Dorfes und Freunden aus der Bundesrepublik konnten die Arbeiten fortgesetzt werden. 1981 waren die wesentlichen Teile der Kirche instandgesetzt.
Weiter ging es nach Großwulkow. Die Dorfkirche ist ein romanischer Backsteinbau, der vermutlich um 1180/90 erbaut wurde und damit eine der ältesten Dorfkirchen im Umkreis von Jerichow ist. Der Turmaufsatz kam erst 1686 hinzu. Der Kircheninnenraum wird heute durch einen romanischen Kruzifixus beherrscht. Ursprünglich zu einer Triumphkreuzgruppe gehörend, wurde er vermutlich im 15. Jahrhundert verändert und ergänzt. Seit 1993 ist er an seinen angestammten Platz im Triumphbogen zurückgekehrt.
Letzte Station ist das Dorf Briest. Die frühgotische Kapelle auf dem Dorffriedhof wurde vermutlich um 1300 errichtet. Im 17. Jahrhundert errichtete man den Turm. Heute ist sie ein multifunktionaler Raum für Kirche, Theatersaal und Heimstätte der Marionettenbühne „Märchenvogel“. Die Puppenspieler:innen erfreuten uns mit einer Aufführung des Märchens „Frau Holle“. Beim anschließenden Kaffeetrinken hatten wir die Gelegenheit, mit den Puppenspieler:innen ins Gespräch zu kommen. Herzlichen Dank an die Vertreter:innen des GuM, insbesondere Sabine Schönfeld, für den sehr interessanten Tag in der Altmark.
Text und Fotos: Klaus-Peter Heinecke