Prunksärge und Mumien

Die Restaurierung der Familiengruft Golzow

Heute sind sie im Pensionsalter, die Jugendlichen, die in den späten siebziger Jahren die Gruft derer von Rochow in der Patronatskirche in Golzow (Potsdam-Mittelmark) verwüsteten, die Särge umwarfen, den Mumien die Köpfe abrissen, die Totenfahnen zertraten, die Ringe von den Fingern zerrten, Waffen, Orden und Schmuck stahlen. Und das wohl im sicheren Gefühl, von der Umwelt für die Schändung einer Kirche und dann noch einer adligen Grablege eines preußischen Staatsfeindes darin, nicht belangt zu werden.

Im Oktober 2022, fast ein halbes Jahrhundert später, ist das ganze Dorf auf den Beinen, um an dem Festgottesdienst zur Fertigstellung der Restaurierungsarbeiten an der Gruft teilzunehmen. Fast zwei Jahre haben die beiden Archäologen Regina Ströbl und ihr Ehemann Andreas Ströbl, zwei ausgewiesene erfahrene Fachleute, in mühseliger Kleinarbeit die 28 Särge rekonstruiert, die mumifizierten Körper nach Möglichkeit darin zurechtgelegt und vor Ort in der Gruft platziert.
Die von Rochows sind eines der ältesten Adelsgeschlechter Preußens und erhielten 1138 von Albrecht dem Bären Golzow zum Lehen. In der Gruft liegt, mit großer Sorgfalt hergerichtet, auch Friedrich Wilhelm von Rochow, Erbherr auf Golzow, ein preußischer Generalleutnant. Rochow genoss sowohl das Vertrauen König Friedrich Wilhelms I. als auch des Kronprinzen und späteren Königs Friedrich II. Er wurde 1689 in Reckahn geboren und ist 1757 in Golzow gestorben.
Mit eindringlichen Worten vermittelt Pfarrer Notzke im Festgottesdienst, was Totenruhe bedeutet, damals und heute. Beim jüngsten Gericht, so waren sich die Christen damals sicher, wird der Körper wieder mit der Seele vereinigt und lebendig auferstehen. Darum war der tote Körper und seine Lagerung von besonderer Bedeutung und hatte unbedingt Respekt verdient. Verbrennung war verboten und galt als absolute Todsünde. Heute gilt dies nicht mehr. Aber die Wahrung der Totenruhe ist ein fester Bestandteil unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens und durch das Grundgesetz geschützt.


Golzow, das kleine Dorf in der Nähe der Stadt Brandenburg und seine Kirche sind einen Besuch wert. Die oktogonal gestaltete Barockkirche wurde 1750 auf einem künstlichen Hügel als zweigeschossige Emporenkirche mit Patronatsloge erbaut. Weithin sichtbar – aber noch immer zu Fuß nicht ganz ohne Anstrengung zu erreichen. Die Kirche kann besucht werden, am besten vorher im Gemeindebüro gegenüber anmelden (Hauptstraße11 in 14778 Golzow, 033835/60610).
Das Amtshaus von 1717 war das erste Landratsamt des Zaucheschen Kreises. Im Museum „Alte Brennerei“ auf dem Gutshof werden die Kunst des Schnapsbrennens und Gegenstände zur Geschichte des Ortes gezeigt. Auf dem Gelände des Gutes sind alte landwirtschaftliche Geräte ausgestellt. Golzow ist mit zwei PlusBus-Linien (580 und 581) und weiteren Regionalbuslinien auch ohne PKW gut erreichbar.

Text: Theda von Wedel-Schunk
Fotos: Birgit Basigkow

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