Was uns bewegt – der Vorstand berichtet

Vergessene Kunstwerke brauchen Hilfe

Wer besuchsweise durch das Land Brandenburg fährt, wird erfreut feststellen, dass in den vergangenen drei Jahrzehnten zahlreiche Kirchengebäude instandgesetzt werden konnten. In vielen Orten sind frisch gedeckte Kirchendächer zu erblicken. Frisch vergoldete Turmbekrönungen und Wetterfahnen grüßen bereits von weitem. Und so manches Gotteshaus hat einen neuen Anstrich bekommen. Auf die Ergebnisse können wir – auch wenn es noch viel zu tun gibt – alle stolz sein.

Detail des Schönfelder Altars Foto: Autor

Nicht so gut steht es um das Inventar. In unseren Kirchen haben sich zahlreiche Kunstgegenstände aus allen Epochen erhalten. Viele von ihnen erfüllen noch heute ihren ursprünglichen liturgischen Zweck, andere erinnern an vergangene Bräuche der Religionsausübung. Gemeinsam ist diesen Kunstwerken, dass sie nicht nur materielle Werte darstellen, sondern das Gedächtnis der Städte und Dörfer bilden. Für ihre Konservierung und Restaurierung Gelder aufzutreiben ist wesentlich schwerer, als für Arbeiten an der Bauhülle.

Ein gutes Beispiel sind die zahlreichen erhaltenen barocken Taufengel. Vielerorts fristeten sie, ausgelagert auf den Kirchenboden oder gar in eine Rumpelkammer, ein trauriges Dasein. Irgendwann waren sie „aus der Mode“ gekommen und wurden als kitschig und unmodern empfunden. In der Adventszeit des Jahres 2009 bat der Förderkreis Alte Kirchen unter dem Motto „Menschen helfen Engeln“ gemeinsam mit dem Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege und der evangelischen Landeskirche erstmals um Spenden für die Restaurierung der geflügelten Himmelsboten. Die Resonanz war größer als gedacht. Bis heute gingen Spenden in Höhe von etwa 85.000 Euro ein, mit deren Hilfe mehr als 25 Taufengel restauriert werden konnten. Etliche von Ihnen haben inzwischen Taufen erlebt und damit ihre ursprüngliche Zweckbestimmung wiedererlangt.

Der Erfolg der drei Jahre währenden Taufengel-Aktion brachte uns dazu, weiterzumachen und den Radius der Spendenobjekte zu erweitern. Seit 2011 wird nun jedes Jahr kurz vor dem 1. Advent eine Spendenaktion unter dem Motto „Vergessene Kunstwerke brauchen Hilfe“ vorgestellt – traditionell lädt dazu die Kulturministerin zu einem Pressetermin in die Potsdamer Staatskanzlei ein. In den vergangenen Jahren wurden so für recht unterschiedliche Objekte erfolgreich Spenden eingeworben: In Ruhland (OSL) und in Laubst (SPN) konnten kunsthistorisch wertvolle Altaraufsätze restauriert werden. Prospektfiguren der 1573 von Hans Scherer dem Älteren erbauten Renaissance-Orgel, die lange Zeit unbeachtet und ungeschützt auf einer Seitenempore der Bernauer Marienkirche gelagert wurden, sind nun wieder im Kirchenraum – an der Westwand neben der „neuen“ Orgel aus dem 19. Jahrhundert –  zu bewundern. Ein wertvolles Epitaphgemälde für Anna von Schlabrendorf aus der Dorfkirche Blankensee (TF) wurde fachgerecht restauriert. In Dedelow (UM) konnten Sicherungsmaßnahmen am Altaraufsatz durchgeführt und der Deckel des hölzernen Taufbeckens restauriert werden. Den bisher größten Erfolg hatte unser Spendenaufruf für die Restaurierung emblematischer Malereien des 18. Jahrhunderts am Gestühl der Dorfkirche in Kunow (UM): Mehr als 28.000 Euro kamen zusammen. Von den insgesamt 61 Bildfeldern sind elf bereits wunderschön restauriert. Gegenwärtig wird ein Gesamtkonzept für die Gestaltung des Innenraumes entwickelt, bevor die Restauratoren sich mit weiteren der barocken Bilder beschäftigen werden. Für die Rettung der im vergangenen Jahr vorgestellten Epitaphien in der Dorfkirche von Groß Jehser (OSL) konnten wir kürzlich knapp 11.000 Euro überweisen. Insgesamt kamen bei unseren Spendenaktionen bis heute fast 200.000 Euro zusammen.

In manchen Fällen reichten die gesammelten Beträge für die notwendigen Arbeiten nicht aus. Dort war es dann aber immer möglich, weitere Geldgeber zu motivieren, sich an der Finanzierung zu beteiligen. Unsere Spendenaktionen sollen auch dazu beitragen, die Problematik der Bewahrung der zahlreichen Kunstschätze in unseren Kirchen einer breiten Öffentlichkeit ins Bewusstsein zu bringen. Viele dieser Kleinode brauchen dringend Hilfe! Seit einigen Jahren läuft in unserer Landeskirche eine akribische Erfassung des Kunstgutes in allen Kirchengebäuden. Oftmals wird den Kirchenmitgliedern vor Ort bei dieser Gelegenheit erst klar, wie wertvoll in materieller, aber auch ideeller Hinsicht die Ausstattung ihres Kirchengebäudes ist.

In einer Zeit, da immer öfter Gemeinden zusammengelegt werden, Pfarrstellen längere Zeit vakant sind, Zuständigkeiten häufig wechseln und manche Dorfkirche nur noch sporadisch oder gar nicht mehr für die Feier des Gottesdienstes genutzt wird, liegt die Notwendigkeit einer umfassenden Inventarisierung auf der Hand. Auch können dabei Schäden entdeckt werden, die nach fachkundiger Beratung behoben werden müssen. In ungenutzten Kirchen sind regelmäßige Kontrollen dringend geboten. In manchen Fällen sollte dann vielleicht doch darüber nachgedacht werden, ob besonders empfindliche Dinge ausgelagert werden müssen.  Die „nicht-museale“ Lagerung und Aufbewahrung bringt auch ein erhebliches Gefahrenpotential mit sich. In der Regel ist das Inventar in den historischen Kirchengebäuden einem veränderlichem Raumklima ausgesetzt. Heizung, Belüftung und sporadische Reinigung sind zwar gut gemeint, manchmal in ihrer Wirkung aber eher kontraproduktiv. Hier ist in den Kirchengemeinden noch immenser Beratungsbedarf.

Auch in diesem Jahr bitten wir Sie wieder für ein (eher im übertragenen Sinne) „vergessenes Kunstwerk“ um Ihre Spende. In dem Beitrag „Was uns bewegt…) stellen wir Ihnen den Renaissancealtar aus der Kirche in Schönfeld (Uckermark) vor. Falls Sie auch die Druckausgabe der ALTE KIRCHEN vom November 2020 erhalten haben, so finden Sie zu diesem Heft einen beiliegenden Folder und Postkarten zum Schönfelder Altar. Helfen Sie gern mit, ihn zu erhalten!

Bernd Janowski

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