Erstrangige Geschichtsschreibung und großartige Literatur

Nachruf auf den Dichter Günter der Bruyn

Erstrangige Geschichtsschreibung und großartige Literatur

Nachruf auf den Dichter de Bruyn

Günter de Bruyn 1926-2020

„Die Vorzüge der hier zu beschreibenden Gegend bestehen vor allem in dem was ihr fehlt. Sie hat weder eine nennenswerte Industrie noch fruchtbare Äcker, weder allgemein als sehenswert geltende landschaftliche Reize noch berühmte historische Denkmäler oder Denkwürdigkeiten, und auch in Flora und Fauna kommen Besonderheiten nicht häufiger vor als anderswo.“ So beschrieb Günter de Bruyn in seinem Buch „Abseits. Liebeserklärung an eine Landschaft“  die Region rund um das Dorf Görtsdorf, nur wenige Kilometer westlich des Städtchens Storkow. Nahe Görsdorf, im Wirtschaftsgebäude einer ehemaligen Wassermühle, schuf sich de Bruyn bereits Ende der 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts einen Rückzugsort aus dem  offiziellen Politik- und Kunstgeschehen der DDR, hier fand er seine „Waldeinsamkeit“. Die oben lakonisch beschriebene Landschaft mit all ihren Abwesenheiten gab ihm „die zur Liebe nötige Gewissheit, einander gemäß zu sein.“

Mit seinen vor 1989 erschienen Romanen zeichnete de Bruyn ein subtiles Gesellschaftsbild des vermeintlichen Arbeiter- und Bauernstaates. Für damalige Leser unvergessen (und noch heute zu empfehlen) sind seine Romane: „Buridans Esel“, Neue Herrlichkeit“ oder „Märkische Forschungen“ – letzterer von Roland Gräf 1981 mit Hermann Beyer und Kurt Böwe in den Hauptrollen kongenial verfilmt. Seine bereits 1975 erschienene Biographie über den Dichter Jean Paul hat bis heute nichts an Faktendichte und Brisanz verloren. Günter de Bruyn prangerte die Zensurpraxis im Literaturwesen an und verweigerte im Mai 1989 die Annahme des Nationalpreises der DDR.

Nach der sogenannten Wende mischte sich Günter de Bruyn in die Diskussion um das Zusammenwachsen der ehemals zwei deutschen Staaten ein und veröffentlichte zwei autobiographische Bücher: In „Zwischenbilanz“ berichtet er über seine Berliner Jugend in der Zeit des Nationalsozialismus“; im zweiten Band „Vierzig Jahre“ reflektiert er kritisch und selbstkritisch sein Leben und Wirken sozialistischen Teil Deutschlands.

Zunehmend wendete sich Günter de Bruyn in den folgenden Jahrzehnten Themen aus seiner märkischen Heimat zu. Als opus magnus erschienen 2006 und 2010 zwei Bände einer Berliner Kulturgeschichte der Jahre 1786 bis 1815: „Als Poesie gut“ und „Die Zeit der schweren Not“. Auf insgesamt fast 1000 Seiten wird „Preußens fruchtbarste Epoche“ als detailreiches und spannendes Panorama ausgebreitet. Wie ein Kritiker bemerkte: „Erstrangige Geschichtsschreibung und große Literatur!“

Für die Zeitschrift „Offene Kirchen“ gelang es, den vielbeschäftigten Dichter zu überreden, uns ein Kapitel  aus seinem Buch „Kossenblatt. Das vergessene Königsschloss“ zur Verfügung zu stellen. Die Fotos dazu fertigte sein Freund, der Regisseur Hermann Zschoche. Über viele Jahre war Günter de Bruyn als Anreger und regelmäßiger Spender dem Förderkreis Alte Kirchen Berlin-Brandenburg verbunden. Im Rahmen einer Busexkursion zu Kirchen im Storkower Land las der Schreiber dieser Zeilen unterwegs Passagen aus de Bruyns Büchern vor. Den Abschluss der Fahrt bildete ein Benefizkonzert in der Dorfkirche Wulfersdorf mit ihrer hübschen Barockausstattung. Für die Besucher war es eine erfreuliche Überraschung, Günter de Bruyn dort als bescheidenen Zuhörer zu erleben. Die Wulfersdorfer Kirche lag ihm besonders am Herzen; für ihre Instandsetzung spendete er größere Summen aus ihm zugedachten Preisgeldern. Seine Zuneigung zum Wulfersdorfer Gotteshaus verband ihn auch mit unserem verstorbenen Vorstandsmitglied Günter Schöne, der als Ruhestandspfarrer im nahen Ahrensdorf lebte.

Günter de Bruyn starb am 4. Oktober 2020 im Alter von 93 Jahren in Bad Saarow. Wir werden ihn mit seinem bescheidenen, fast aristokratischen Auftreten in dankbarer Erinnerung behalten. Mit ihm verlor der Förderkreis Alte Kirchen einen guten Freund und Deutschland einen großen Dichter.

Bernd Janowski

Vorheriger Beitrag
Dachsanierung mit Hindernissen in Tornow

Die ehemalige Gutskapelle Tornow wurde als neugotischer Putzbau in den Jahren 1827 und 1828 erbaut. Die Westfassade wurde mit Backsteinen gemauert und ist als Schaufassade gestaltet. Der barocke Kanzelaltar stammt […]

weiterlesen