Buchstäblich in letzter Minute

Altarretabel der Zinndorfer Kirche (MOL) wird restauriert Abschluss der Arbeiten mit Gottesdienst am 1. Advent gefeiert

Seit Mitte des 13. Jh. gab es in der Gegend östlich Berlins mehrere Dörfer im Besitz des Klosters Zinna. Eine der größten und besonders sehenswerten Feldsteinkirchen aus der Zeit der Besiedlung ist die St. Annenkirche in Zinndorf (MOL). Den Dreißigjährigen Krieg und die beiden Weltkriege des 20. Jh. hat sie unversehrt überstanden, selbst der im 14. Jh. angebaute Turm ist erhalten.

Im Innern überrascht ein reiches Bildprogramm bäuerlicher Schnitzkunst. Eine bunt bemalte Balkendecke und Weihekreuze auf den weißen Wänden harmonieren mit dem braunroten Steinfußboden. Der Taufstein stammt aus dem 15./16. Jh. und wurde aus Rüdersdorfer Kalkstein in Pokalform gestaltet. Ansonsten schmucklos, wurde er in neuerer Zeit bemalt. Die Messingtaufschale stammt aus dem 16./17. Jh.

Besonders wertvoll ist das Renaissance-Altarretabel, aufgestellt 1606, mit einem vollständigen reformatorischen Bildprogramm in vier Ebenen. Auf der Predella eine Abendmahl-Darstellung, im Zentrum die Auferstehung Christi, flankiert von den Reformatoren Melanchthon (links) und Luther (rechts), darüber Christi Himmelfahrt, im Oberteil das Jüngste Gericht. Bekrönt wird das Retabel von einem Pelikan mit drei Jungen, an den Seiten Figuren der vier Evangelisten. 

Dieser farbenprächtige Altar musste dringend saniert werden. Schäden durch Holzwurmbefall wie auch Rückstände eines früher gebräuchlichen giftigen Holzwurmmittels waren zu beseitigen, auch hatten sich bereits originale Farbschichten gelöst und einige Schnitzdetails sind zu ergänzen. Diese Arbeiten werden nun von der Restauratorin Marita Reincke und ihren Kollegen sorgfältig ausgeführt. Die Rettung erfolgt buchstäblich in letzter Minute, denn die vor Jahrzehnten durchgeführten Sicherungsmaßnahmen waren unsachgemäß, auch hatte man zwei der vier Evangelisten ausgetauscht, erklärte Wilfried Bellach, der Fördervereinsvorsitzende. 

St. Annenkirche in Rehfelde. Sie birgt kostbare Ausstattungsstücke, u.a. einen Renaissance-Altar (siehe Bild oben), der der derzeit restauriert wird.

Als Pendant kann die hölzerne Kanzel an der Südwand des Kirchenschiffs betrachtet werden, sie entstand um 1600, am Kanzelkorb die geschnitzten Figuren Matthäus mit dem Engel, Markus mit dem Löwen, Lukas mit dem Stier und Johannes mit dem Adler. Die Holzrückwand zeigt ein Gemälde Christus als Lehrenden, im Schalldeckel ein Tetragramm mit den hebräischen Schriftzeichen des Gottesnamens (Jahwe). Die Restaurierung der Kanzel und eine Reparatur der Dinse-Orgel stehen als nächste Aufgaben an, jetzt erwartet die Gemeinde den baldigen Abschluss der Arbeiten am Altar, der beim Gottesdienst zum 1. Advent gefeiert wird.

Den größten Teil der Kosten in Höhe von 45.000 Euro, die im vorigen und in diesem Jahr aufzubringen waren, musste die Gemeinde tragen.  Der Förderverein leistete seinen Beitrag mit Konzerten und weiteren Veranstaltungen.

Links neben dem Altar steht in einer gemauerten Nische eine Figur der Anna Selbdritt, ebenfalls aus dem 16. Jahrhundert. Sie zählt zum wertvollsten Gut der Kirche. Der Annenkult erfreute sich seit Mitte des 15. Jh. großer Verbreitung in der Volksfrömmigkeit, überliefert ist Luthers Anrufung der heiligen Anna in seiner Not. In der Gegend um Strausberg findet man diese Andachtsbilder in mehreren Kirchen, es gibt bei Strausberg das Annafließ und das Annatal, Erinnerungen an diese heilige Großmutter Jesu.

Wer die schöne alte Kirchen besichtigen möchte, kann bei Frau Martina Elsholz, Zinndorfer Str. 3, 15345  Zinndorf, nach dem Schlüssel fragen.

Uwe Donath

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