Wagenitzer Gruft derer von Bredow vor der „Wiederauferstehung“
Unter dem Ostteil der Dorfkirche zu Wagenitz (HVL) befindet sich eine eindrucksvolle Begräbnisstätte. Vermutlich wurde sie 1664 angelegt, zeitgleich mit dem Neubau der Kirche. Schrecklich muss der 30jährige Krieg in diesem havelländischen Dorf gewütet haben. Schwedische Söldner plünderten und brandschatzten alles, was sich ihnen in den Weg stellte. Auch die Einwohner wurden nicht verschont, allen voran die Gutsbesitzerfamilie derer von Bredow. Nur der kaum 8jährige Sohn Hans Christoph I. von Bredow überlebte die Katastrophe, weil er bei einem Onkel außerhalb von Wagenitz untergekommen war. In großer Dankbarkeit baute er später „sein“ Heimatdorf wieder auf, ein prächtiges Gutshaus, das Gutsgelände und die Dorfkirche.
Ein übergroßes Votivgemälde seiner Familie ziert bis heute den Altarraum, unter dem sich ein großzügiges Kellergewölbe befindet. Generationen der Gutsfamilie müssen dort ihre verstorbenen Familienmitglieder bestattet haben, bevor Ende des 19. Jahrhunderts ein Mausoleum auf dem Friedhof am östlichen Ortsrand entstand, der den Friedhof rund um die Kirche ablöste. Ende des 2. Weltkrieges brannte das Gutshaus und die letzte Bewohnerin der Bredows verließ den Ort. Die genealogische Linie der Wagenitzer Bredows ist zwar erloschen. Die Bedeutung für die heute weltweit lebenden Nachkommen der Familie wird jedoch darin sichtbar, dass von mehr als 80 Prozent unter ihnen die Vorfahren in der Wagenitzer Gruft beerdigt sind. Jeder Wagenitzer kannte zwar „die Gruft“, jedoch einzig durch die beiden kleinen Öffnungen im Sockelmauerwerk an der Süd- und Nordseite. „Nur unsere Katze weiß, wie es da unten wirklich aussieht“, sagte ein Anwohner. Viele hatten schon mal mit der Taschenlampe – die jüngere Generation mit dem Handy – in eine Öffnung hinein geleuchtet. An der Südseite bot sich ein schauriges Bild. „Da guckt ein Bein raus“, so lautete die Beschreibung eines halboffenen Sarges. Als dann noch bauliche Probleme am Gebäude auftraten, war es nur eine Frage der Zeit, wann man sich mit dem Erbbegräbnis wieder befassen würde. Eine Notöffnung der Gruft half dabei, statische Probleme im Mauerwerk oder gar schädigenden Pilzbefall auszuschließen. Bauhistoriker stellten bei dieser Gelegenheit fest, dass der vermutete Zugang an der Ostseite des Gebäudes noch in Spuren intakt war.
Im Inneren zählten Wissenschaftler anschließend nicht weniger als 26 Holzsärge, darunter etwa zehn Kindersärge; deren Zustand wurde als „zum größten Teil schlecht“ bewertet. Sie befinden sich in unterschiedlichen Räumen eines Gewölbes. Die halb geöffneten Türen und die beiden Öffnungen hatten für ein gutes Raumklima gesorgt, was die Schädigungen durch Nässe und leider auch Vandalismus allerdings nicht ausgleichen konnte. Bereits identifizierte Inschriften belegen die Beerdigung eines preußischen Ministers und die des eingangs genannten Hans Christoph I. Die Kirchengemeinde und der örtliche Förderverein haben über viele Jahre hinweg ein Konzept entwickelt und sich angesichts aktiver Unterstützung u.a. aus Politik und Landesdenkmalpflege entschlossen, die Freilegung und Restaurierung des Gewölbes vorzunehmen. Dabei steht der österliche Ansatz im Vordergrund, dass Gräber und Grüfte keine Orte des Verfalls, sondern der Auferstehung und des Gedenkens sind. Die Maßnahmen sollen unter dem Aspekt „Forschen und Bewahren“ ausgeführt werden. Gerade für dieses geschundene Dorf soll ein Stück Identität hergestellt und Geschichte wieder erlebbar werden.
Andreas Flender