Der digitale Film fürs Land

Ein Verein erleichtert auch Dorfkirchen Werbung und Abrechnung

Wenn Jens-Hagen Schwadt auf Werbetour geht, dann hat er meist einen alten Filmprojektor dabei. Es ist ein imposantes Modell aus der ehemaligen DDR, der Tonkinokoffer Zeiss TK 35, mit dem früher die Filmvorführer der Organisation „Landfilm“ über die Dörfer zogen. Solch einen Projektions-Oldtimer benutzt  Schwadt seit etlichen Jahren nicht mehr, er verwendet nun digitale Technik. Doch sein Motto ist dasselbe wie in den einst analogen Kino-Zeiten: Der ehrenamtliche Cineast aus Güstrow, der im Hauptberuf in der öffentlichen Verwaltung tätig ist, will mit seinem Dorfkino-Projekt  Filme überall dort zeigen, wo es heute kaum noch kommerzielle Kinos gibt, aber dafür vielleicht Dorfkirchen, Scheunen oder andere Versammlungsräume, in denen man eine Leinwand aufstellen und die Menschen zum Lachen oder Weinen bringen kann.   Einen Film zeigen, das wollen heute viele Vereine oder Kirchengemeinden. Doch das ist kein einfaches und schon gar nicht immer billiges Unterfangen. Selbst wenn man ein Medium besitzt und einen BlueRay-Player hat, so ist es nicht erlaubt, einfach so in irgendeinem Raum eine öffentliche Vorführung zu machen. Das kann, weil es illegal ist, sehr ins Geld gehen. Denn für eine Filmvorführung gibt es auf typisch deutsche Weise viele Regeln, Richtlinien und Gebühren, man muss dazu schwierige Kürzel wie zum Beispiel FFA (Filmförderungsanstalt) oder Gema beachten. Auch gelten zum Beispiel Werbeverbote, wenn sich etwa eine Gemeinde die Lizenz von einem kirchlichen Film-Archiv besorgt. Denn eine Kirchengemeinde, so wird argumentiert, müsse für die Vorführung nicht eigens  öffentlich Reklame machen, denn dies würde kommerziellen Kinos Konkurrenz machen. Das Projekt „Dorfkino einfach machbar“ ist eine Lösung für all jene Veranstalter, die ihre Nerven schonen und auch die Finanzen kontrollieren wollen. Es verbindet die diversen Spielstätten auf dem Land zu sogenannten Abspielringen, was die Gebühren je Vorführung senkt und die Organisation vor Ort sehr erleichtert. Wer von Schwadt und seinem Filmklub Güstrow als Spielstätte akzeptiert wird und einen Vertrag unterschreibt, erhält die Zugangsdaten zu einer Online-Buchungsplattform. Das Film-Angebot umfasst derzeit etwa 140 Filme, es wechselt fortlaufend, zudem können auch Wünsche der Veranstalter berücksichtigt werden. Hier gibt es nicht die aktuellen Hollywood-Movies, die man überall in den Städten sehen kann, sondern eher Titel, wie sie Programm-Kinos bieten. Einer davon ist zum Beispiel „Gundermann“, der höchst erfolgreiche Film über einen DDR-Sänger; im Angebot sind aber auch bereits Oscar-Gewinner „Parasite“ oder volkstümliche Titel wie „Die Feuerzangenbowle“. Der Veranstalter bestellt online einen Film, erhält Tickets und Poster und schickt das Medium nach der Vorführung auf eigene Kosten zurück. Die Filmbuchung selbst ist kostenfrei, erst mit der Veranstaltung und der pünktlichen Meldung über die verkauften Tickets (Preise zwischen 3 und 7 Euro) erzeugt die Datenbank eine Rechnung über 62 Prozent der Einnahmen. Davon gehen 20 Prozent an das Dorfkino-Projekt zur Deckung der Verwaltungskosten, 42 Prozent erhalten Verleiher und Gema. Weil ein Film im Abspielring mehrfach läuft, gibt es keine fixe Mindestgebühr, die sonst bis zu 200 Euro betragen kann. Man zahlt entsprechend der jeweiligen Ticketeinnahme, also ist es einerlei, ob 5 oder 50 Besucher kommen. Wer zusätzlich zum Film auch Technik und Leinwand benötigt, zahlt 80 Euro plus Fahrtkosten. Für Open-Air-Veranstaltungen gelten spezielle Regeln. Schwadt gründete den Filmklub Güstrow 1990 und startete nach dem DDR-Vorbild „Landfilm“ zunächst sein Projekt als eine Art Kinomobil, das jeweils mit Vorführer und Technik in Mecklenburg-Vorpommern über’s Land reiste. Er selbst nannte es „Moki“ – mobiles Kino. Mit der Digitalisierung hat sich nicht nur die Technik verändert, sondern auch die Reichweite des Projekts. Der Filmklub mit seinen vier ehrenamtlichen Mitarbeitern erhielt für den Aufbau der Online-Buchungsplattform zwischen 2017 und 2019 von der Kulturstiftung des Bundes 80.000 Euro. Die Zahl der Spielstätten hat sich inzwischen auf knapp 200 erhöht. „Jeden Tag kommt eine dazu“, berichtet Schwadt. Wenn das so weitergehe, dann werde man Ende des Jahres vielleicht bei 300 Spielstätten sein.

Kino in der Kirche von Calau

Darunter seien auch immer mehr Kirchen, berichtet Schwadt. „Ich beobachte eine richtige Film-Bewegung auf dem Land. Denn das Kino ist doch wie eine schöne Kultur-Konserve, die man, anders als Theater oder Musik, ohne großen Aufwand zeigen kann.“ Längst ist das Projekt über den engeren Umkreis von Güstrow hinausgewachsen. Nicht nur in Brandenburg gibt es inzwischen Spielstätten, etwa in Calau oder Fürstenberg, selbst in Sachsen-Anhalt und Bayern hat der Filmclub schon Kunden. Dass ein derartiges Angebot gerade im Osten begehrt ist, dürfte nicht überraschen. Zum einen wird nicht allein in den Kirchen versucht, gemeinschaftliches Leben zu erhalten. Außerdem ist gerade im Osten die kommerzielle Kino-Landschaft arg geschrumpft, wurden nach der Wende in den neuen Bundesländern viele Spielstätten geschlossen. Dabei gab es in den Kleinstädten und Dörfern der DDR ein weit verzweigtes und überdies subventioniertes Kino-Netz, das hin und wieder neben der kulturellen und sozialen auch eine politische Funktion zu erfüllen hatte. Einer Studie aus dem Jahre 1996, die Wieland Becker für den Interessenverband Filmkommunikation in Berlin erstellt hat, ist zu entnehmen, dass sich zwischen 1988 und 1995 in Mecklenburg-Vorpommern die Zahl der Kinos halbierte. In Brandenburg schrumpfte ihre Anzahl um 45 Prozent. In Berlin dagegen haben sich die Leinwände wegen der vielen Multiplexe verdoppelt.

Infos: www.dorfkinoeinfach.de  E-Mail: info@dorfkinoeinfach.de
Telefon: 0177-46 87 804

    Konrad Mrusek

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