Lieberose: eine Aufgabe zu groß für den Förderkreis?
Das Lieberoser Land wurde Mitte des 10. Jh. in das Deutsche Reich eingegliedert und seit 1350 ist eine Kirche in Lieberose nachweisbar, aber es hat schon seit dem 13. Jh. Vorgängerbauten gegeben. 1519 erwarben die Schulenburgs Herrschaft und Stadt Lieberose, d.h., sie trugen nun die Verantwortung für das Land, die Stadtobrigkeit und das Kirchenpatronat. In der Realität bedeutete dies die deutsche Kolonisierung, Gerichtsbarkeit und Christianisierung. Joachim II. von der Schulenburg (1522-1594, gen. „der Reiche“) ließ die Stadtkirche in den Jahren 1588-93 grundlegend umbauen und schuf so einen späten Höhepunkt mittelalterlichen Bauens in der Niederlausitz.
Joachim der Reiche war ein bedeutender adliger Reformator, 1574 erließ er eine protestantische Kirchenordnung, er ließ die sogenannte „wendische“ Kirche für die slawische Bevölkerung (katholisch) errichten, und die Familie erwarb sich hohes Ansehen bei sorbischen Gelehrten. 1646 wurden die Schulenburgs in den Freiherrenstand und 1734 in den Reichsgrafenstand erhoben. Die alte „deutsche“ Kirche diente als Grabeskirche der Schulenburgs; in der stark beschädigten Gruft sind noch mehrere Särge zu sehen.
1945 explodierte eine Fliegerbombe im Kirchenschiff und seitdem ist die Kirche Ruine. Das gerettete wertvolle Inventar, vor allem das Epitaph für Joachim II., wurde in die benachbarte „wendische“ Kirche, die sog. „Landkirche“ überführt. Anfang 1970 konnte ein Abriss der „deutschen“ Stadtkirche nur mit Mühe verhindert werden. Mitte 1990 wurde die Ruine endlich beräumt und gesichert, 2009 wurde der Chor teilüberdacht; jedoch musste die Ruine 2018 umzäunt werden, da das Mauerwerk zusehends poröser und gefährlich wurde.
So lautet die Preisfrage nun: was tun mit der Kirchenruine im Zentrum von Lieberose? Z.Zt. erhält der Leiter der Dokumentationsstelle Lager Jamlitz (ein Außenlager des KZ Ravensbrück), Herr Dr. Andreas Weigelt, das Thema Nutzbarmachung der Stadtkirche lebendig, bis endlich Bewegung in die Sache kommt.
Schon 1995 dachte der damalige Pfarrer Tilmann Kuhn ein Rettungskonzept an, das aber angesichts der großen Nachwendeprobleme eher eine Träumerei war und dies bis heute geblieben ist. Die Stadtkirche „solle als Ruine erhalten und nutzbar gemacht werden in der Art eines Forums, das allen öffentlichen Belangen einen Platz gewähren kann. Dabei seien fünf Aspekte besonders hervorgehoben: die Stadtkirche ein Ort der Begegnung (Forum), ein Ort der Geschichte (Ruine), ein Ort der Erholung (Kulturstätte). Ein Ort der Inspiration (Arbeitsstätte) und ein Ort des Glaubensvollzugs (Begräbnisstätte). In letztere Orientierung integriert ist die Vorstellung, ein geistliches Museum in einem Teil der Ruine zu konzipieren, das wesentlich die vorhandenen Grüfte, das Schulenburg-Epitaph an seinem ursprünglichen Ort und den Altarraum als liturgische Präsenzfläche umfasst. Eine Umsetzung dieser Konzeption ist allerdings aus eigener Kraft nicht zu gewährleisten. Nur unter der Voraussetzung, dass Mittel von außerhalb zur Verfügung gestellt werden, ist an eine dauerhafte Rettung und Erschließung dieses Bauwerks für künftige Generationen zu denken“.
Öffentliche Mittel gibt es erfahrungsgemäß nur, wenn das Projekt für die Öffentlichkeit auch attraktiv ist. Man muss also nach Möglichkeiten suchen, dieses Projekt so interessant zu gestalten, dass es Besucher anzieht und nicht nur in stiller Einsamkeit vor sich hindämmert. Dafür bietet sich z.B. eine „Vermarktung“ der Schulenburgs an, deren Schloss, wenn auch beschädigt, noch im Ort steht. Die Geschichte dieser Familie ist auch die Geschichte der deutschen Herrschaftsbildung im slawischen Raum östlich der Elbe sowie der Reformation in der Niederlausitz. Die Gruft könnte als Teil des Museums begehbar gemacht werden. Auch eine Information über Wendische Kirchen (es gibt nur noch elf) wäre denkbar. Der FAK z.B. könnte seine Ausstellung über die Brandenburgische Dorfkirchenlandschaft einbringen, die ja auch die Christianisierung verdeutlicht. Hinzu kämen Veranstaltungen wie „Theater in der Kirche“, „Musikschulen öffnen Kirchen“ oder Lesungen, Vorträge u.a.m., bei deren Vermittlung der FAK helfen könnte.
Schritt 1 ist nun erst einmal eine Sicherung der Ruine. Das Geld dafür wird in diesem Jahr von Kirchengemeinde, Kirchenkreis und Landeskirche zur Verfügung gestellt. Der Landkreis LDS und der FAK werden ebenfalls mit – wenn auch kleinen – Beträgen dabei sein. Im Herbst wird die Pfarrstelle wiederbesetzt werden, dann kann man als Schritt 2 mit konkreten Planungsarbeiten beginnen. Dann müsste auch der Vorstand des FAK endgültig entscheiden, ob der Förderkreis Teil dieses Rettungs- und Kulturprojekts sein will oder ob ihm das Vorhaben „zu groß“ ist…
Dr. Hans Krag