Von Sternstunden unter dem Hut des Herrn
Auf Exkursion mit dem Förderkreis durch die Oberlausitz (1. Teil)
Das „Buswandern“ ist der FAK- Mitglieder Lust und das taten sie Anfang Juni auch wieder einmal, und dies sogar für drei Tage. Ziel war die Oberlausitz. Erste Etappe des „Kirchenmarathons“ war die größte Dorfkirche Deutschlands in Cunewalde. Sie verfügte bei ihrer Weihe im Dezember 1793 immerhin über 2.632 Plätze. Warum eine so große Kirche für einen so kleinen Ort, fragt man sich. Nun, Cunewalde ist keineswegs so klein, wie man denken mag. Das gesamte Kirchspiel erstreckt sich über eine Länge von zehn Kilometern und umfasst zahlreiche Ortsteile mit dazumal rund 5.000 Bewohnern. Erklärtes Ziel beim Bau der neuen Kirche auf altem Vorgängergrund war es, jedem Einwohner einen Platz zur Verfügung zu stellen. Aber ganz gereicht hat es scheinbar doch nicht, davon künden die vielen heute noch sichtbaren Namensschilder, die darauf hinweisen, dass ihre Besitzer sich einen Platz gekauft haben. Vielleicht wollten sie sich aber auch einfach nur einen Sitzplatz „in bester Lage“ sichern.
Weil das Geld für den Neubau knapp und die überwiegend aus Weberfamilien bestehende Einwohnerschaft arm war, war die Innenausstattung zunächst recht dürftig. Man übernahm etliches Inventar aus der abgerissenen Vorgängerkirche. Und das passte nicht immer in das neue Gotteshaus. So nahmen sich Altar und Orgel in der riesigen, 53 Meter langen Kirche regelrecht verloren aus. Erst im Laufe der nächsten 100 Jahre gelang es, die Kirche angemessen auszustatten. So wurden 1817 drei prachtvolle Kronleuchter aus böhmi- schem Kristall angeschafft und 1840 eine neue Orgel, die als eine der klangschönsten in der Oberlausitz gilt. 1890 wurden der Altar und der gesamte Innenraum erneuert.
Ein alter Brauch, zu dem heute Weihnachten Gäste aus nah und fern in die Kirche strömen, resultiert aus der einstigen Armut der Cunewalder, die sich früher keinen Weihnachtsbaum leisten konnten. Stattdessen nutzten sie wiederverwendbare Lichterpyramiden, mit denen am 24.12. um 17 Uhr Konfirmanden in die abgedunkelte Kirche ziehen und den Altarplatz in ein stimmungsvolles Lichtermeer verwandeln.
Dem Reichsgrafen Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf, Begründer der Brüdergemeine Herrnhut, wollte ich schon immer einmal meine Referenz erweisen. Auf unserer Reise bestand nun endlich die Gelegenheit dazu. 1722 erwarb Graf Zinzendorf das Gut Berthelsdorf. Noch im gleichen Jahr erlaubte er protestantischen Glaubensflüchtlingen aus Böhmen, sich auf der Berthelsdorfer Flur niederzulassen und dort eine Siedlung zu gründen. Das war die Geburtsstunde von Herrnhut. Dem Grafen Zinzendorf, vom Pietismus der Franckeschen Stiftung in Halle geprägt, ging es darum, eine christliche Lebensgemeinschaft zu schaffen. Doch das blieb zunächst ein schöner Traum. Man stritt sich bis aufs Messer, weil jeder meinte, im Besitz der alleinigen Glaubenswahrheit zu sein. Bis der charismatische Pfarrer Johann Rothe 1727 in der Berthelsdorfer Kirche eine donnernde Predigt hielt, die eine nachhaltige Wirkung zeitigte.
In Herrenhut entwickelte sich tatsächlich eine funktionierende Lebensgemeinschaft, die heute „Ableger“ in der ganzen Welt hat. Berühmt ist Herrnhut insbesondere durch die jährlich erscheinenden Losungen, die auf eine Idee Zinzendorfs zurückgehen und in ungebrochener Folge seit 1728 erscheinen. Sie werden seit Zinzendorfs Tod im Losverfahren ausgelost. Zufällig wurde kurz nach dem Mauerbau am 13. August 1961 der Spruch „Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen“ gezogen. Obwohl Bedenken dagegen laut wurden, nahm man den Spruch in das Losungsbuch auf. Der sich ja dann tatsächlich bewahrheiten sollte, wenn auch erst 30 Jahre später…
Am berühmtesten aber sind wohl die Herrnhuter Sterne geworden, die 1925 zum Patent angemeldet wurden. Heute werden jährlich rund 670.000 Sterne von 120 Mitarbeitern in Handarbeit gefertigt und in alle Welt verkauft. „Erfinder“ des Sterns ist ein Herrnhuter Mathematiklehrer, der ihn als Anschauungsobjekt im Geometrieunterricht von den Kindern fertigen ließ. In der Schauwerkstatt des Unternehmens kann man zusehen, wie aus vier- und dreieckigen Zacken die Sterne entstehen und auch welche erwerben. Einer der größten hängt übrigens in der Weihnachtszeit im Berliner Kanzleramt. Da kann man nur wünschen und hoffen, dass er dort für viele Sternstunden sorgt!
Elke Kreischer