Helena war die berühmteste Pilgerin

Ausstellungstipp: „Welcome to Jerusalem“ in Berlin

Man hätte denken können, es sei Absicht, aber dem war nicht so: Als die Exposition „Welcome to Jerusalem“ im Dezember 2017 im Jüdischen Museum Berlin ihre Pforten öffnete, hatte Donald Trump wenige Tage vorher publik gemacht, dass die USA ihre Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegen werden. Die Ausstellung war schon lange geplant und fiel rein zufällig mit dieser Entscheidung der USA zusammen. Aber sie verleiht ihr eine besondere Aktualität.

Die Ausstellung ist in 12 Stationen gegliedert, denen man nur zu folgen braucht, um ziemlich umfassend über Vergangenheit und Gegenwart der Stadt ins Bild gesetzt zu werden. Jede Station steht unter einem bestimmten Motto. So geht es zum Beispiel in Station 1 um ein dokumentarisches Porträt der Metropole. 70 Filmteams haben einen Tag lang 90 Bewohner Jerusalems in ihrem Alltag begleitet. Dabei wird die strikte Trennung der Stadt in einen Westteil, in dem die Israelis leben und einen Ostteil, in dem die Palästinenser zu Hause sind, schmerzhaft deutlich. Aber Jerusalem ist mehr als nur Konflikt. Es ist vor allem eine heilige Stadt, in der es von Kirchen, unterschiedlichen Religionsgemeinschaften und Pilgern nur so wimmelt. Eine Stadt, die natürlich auch ihr, zuweilen recht ärmlich anmutendes, Alltagsleben hat. Da drehen sich dürre Hähnchen im „Schlachtkreis“ der Fabrik und ein Gebäckverkäufer bringt am frühen Morgen seinen Karren so in Position, dass zahlreiche Berufstätige „auf die Schnelle“ noch zu einem Frühstück kommen.

Besonders berührt haben mich in Station 11 Interviews mit verschiedenen Bewohnern Jerusalems. Der prominenten Schriftstellerin Zeruya Shalev z.B., die Opfer eines palästinensischen Bombenattentäters in einem Bus wurde und die, vom Anblick brennender Menschen und herumliegender Körperteile schwer traumatisiert, jahrelang keinen Bus mehr betreten konnte. Oder der 85- jährige Palästinenser Abu Issam, der sehnsüchtig von Ost-Jerusalem auf das für ihn seit 1948 unerreichbar gewordene Haus seiner Familie schaut.

Über die Ursachen der Entstehung des tief gehenden Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern erfährt man einiges in der Station 8, wo ein Zusammenschnitt von historischen Filmaufnahmen gezeigt wird. Die Ermordung des jordanischen Königs Abdullah 1951 in der Al-Aqsa-Moschee zum Beispiel, der vielen Palästinensern aufgrund seiner versöhnlichen Haltung ein Dorn im Auge war. Das israelische Pendant dazu war die Ermordung von Ministerpräsident Yitzhak Rabin 1995, der sich um eine friedliche Lösung des Konflikts bemühte, was wiederum vielen „Scharfmachern“ in Israel missfiel.

Doch kommen wir zum Kern, zum eigentlichen Wesen dieser Stadt, ihrem religiösen Leben. Das spiegelt sich auch an eher „randständigen“ Themen wie Station 12 „Begraben in Jerusalem“ wider. Gläubige aus aller Welt wollen um jeden Preis auf dem Ölberg begraben werden. Warum? Weil er sich nahe dem Tempelberg befindet, wo der erste und zweite jüdische Tempel standen und Jesus angeblich am Ende der Zeit Gericht halten soll über die Lebenden und die Toten. Zu denjenigen, die es schafften, hier bestattet zu werden, gehört die deutsch-jüdische Schriftstellerin Else Lasker-Schüler, die 1945 verarmt und einsam in Jerusalem starb.

Der Tempel, bis zu seiner Zerstörung durch die Römer im Jahr 70. n.Chr. zentraler Ort jüdischen Glaubens, ist sowohl im Modell als auch in Gestalt einer anschaulichen medialen Installation zu bewundern. Filme über jüdische Gottesdienste heute lassen jüdische Glaubenspraxis für die Besucher anschaulich deutlich werden.

Modell des Tempelbergs

Anlaufpunkt für christliche Pilger aus aller Welt ist die Grabeskirche, die sich der Überlieferung nach über dem Ort von Kreuzigung, Grablegung und Auferstehung Jesu erhebt. Kaiser Konstantin der Große, der als erster römischer Herrscher 337 Christ wurde, ließ über den heiligen Stätten eine Basilika errichten. Seine Mutter Helena, die schon vor ihm den christlichen Glauben angenommen hatte, wurde 326 n.Chr. zu einer der ersten und berühmtesten Pilgerinnen der Antike: Sie soll Jesu Kreuz sowie die Grablege entdeckt haben und überwachte den Bau der Basilika ihres Sohnes. Diese wurde viele Male zerstört, aber immer wieder aufgebaut. Filme zeigen, wie die Kirche heute aussieht und wie sich religiöses Leben in ihr abspielt.

Die christlichen Pilger bestimmen seit den ersten Jahrhunderten nach Jesu Tod das Bild dieser Stadt mit. Eine ganze „Industrie“ lebt von ihnen, denn sie kaufen Andenken aller Art, insbesondere Kreuze, lassen sich Tattoos stechen und Urkunden ausstellen, die ihre Anwesenheit in Jerusalem bezeugen. Zu den stets zahlreich vertretenen deutschen Pilgern gehörte einst auch der deutsche Kaiser Wilhelm II., der 1898 eine Pilgerreise nach Jerusalem unternahm, die auf Station 06 doku- mentiert ist. Er ließ aus Anlass seiner Reise die Erlöserkirche in Jerusalem bauen, die bis heute die Silhouette dieser vielgestaltigen Stadt mitprägt und zu einem besonderen Anziehungspunkt für deutsche Besucher geworden ist.

Jerusalem hat unendlich viele Facetten und Gesichter. Man kann sich gut vorstellen, wie schwer es den Ausstellungsgestaltern gefallen sein mag, die vieltausendjährige Geschichte in ihren Grundzügen lebendig werden zu lassen. Und man muss ihnen einfach ein Kompliment machen: Es ist ihnen wirklich gut gelungen! Noch bis zum 30. April 2019 können sich alle Besucher der Exposition davon selbst ein Bild machen

Text und Foto: Elke Kreischer


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