Wenn jemand einen Kirchturm saniert, dann …

Ein Erfahrungsbericht aus Wittbrietzen

Eingerüstete Kirchturmspitze in Wittbrietzen

Segen und Fluch liegen oft dicht beieinander. Seit 1847 schmückt die spätromanische Feldsteinkirche von Wittbrietzen eine anmutige hölzerne Kirchturmspitze, Stolz und Zierde des ganzen Dorfes. Nach einem Teilabsturz 1911 musste diese Spitze 1989 wegen Baufälligkeit komplett abgetragen werden. Dankenswerterweise half die Partnergemeinde umgehend bei der Finanzierung eichener Balken für den Wiederaufbau. Doch dieser zog sich viele Jahre hin und in den Wirren der Wendezeit verschwanden diese Balken auf Nimmerwiedersehen. Durch die antreibende Kraft eines Fördervereins und die wunderbare Unterstützung der Dorfgemeinschaft kam es 2004 endlich zum kompletten Neuaufbau der Spitze. Doch nun leider aus Kiefernholz. Nichtsdestotrotz überwogen Freude und Stolz auf das weitgehend durch eigene Kraft und Geld Erreichte.

Seit 2020 war unübersehbar, dass es deutliche Schädigungen am Gebälk der Spitze gab und diese dringend eines Neuanstrichs bedurfte. Sonne, Regen, Insekten und Spechte hatten ihre zerstörerische Arbeit ‚gut‘ geleistet. Eine zeitnahe Reparatur scheiterte zunächst nicht am Geld, aber an Corona, am Weggang des Pfarrers, an ausbleibenden Angeboten von Baufirmen und an den kräftezehrenden Beratungen zur Gemeindefusion. Doch im Herbst 2023 tat sich plötzlich ein kleines Zeitfenster auf, um Reparatur und Neuanstrich auf den Weg zu bringen. Inzwischen suchten die Firmen wieder Aufträge und bis zum Jahresende 2023 war unsere Gemeinde juristisch noch selbstständig. Doch nun mussten wir mit Mehrkosten von 20.000 Euro rechnen. Unseren alten Grundsatz, dass Wittbrietzen solche Baumaßnahmen weitgehend selbst stemmen kann, mussten wir leider aufgeben. Dank der Unterstützung von Frau Molkenthin, Bausachverständige im Kirchenkreis Mittelmark-Brandenburg, wurden wir auf Fördertöpfe hingewiesen, so auch den vom Förderkreis Alte Kirchen (FAK).

Dann ging alles recht schnell. Vor Jahresfrist wurden die notwendigen Beschlüsse gefasst und die entsprechenden Anträge auf den Weg gebracht. Nach einem Vororttermin mit der Unteren Denkmalschutzbehörde (UDB) im Januar 2024 erhielten wir bereits Ende Februar die denkmalrechtliche Erlaubnis. Ohne Dissens konnten wir zusätzliche Zinkverkleidungen an der Laterne und an den backsteinernen Zinnen vereinbaren, um eine neuerliche Schädigung zumindest verzögern zu können. Auch vom FAK kam die Bewilligung bereits im Februar. Im Wissen, dass der Landkreis seine Bewilligung erst im Juli verschickt, erwirkten wir bei der UDB einen vorzeitigen Baubeginn. Das Risiko von Streicharbeiten im Herbst konnten und wollten wir nicht eingehen.

Eine sehr konstruktive Bauanlaufberatung im April erbrachte die günstige Aussicht, dass die Arbeiten in nur sechs Wochen bis Mitte Juli leistbar sind. Ein großer Irrtum. Die Nahansicht vom Gerüst zeigte, dass die Schäden am Holz und Blei weit größer als angenommen waren. Unterhalb der Laterne mussten zwei Stiele komplett erneuert werden. Zudem mussten Maurer aus fünf Gefachen die Ziegelsteine entfernen und wieder vermauern. Die Bleiabdeckung auf der Laterne erwies sich derart geschädigt, dass statt einer Reparatur eine Neueindeckung mit dickerem Blei erfolgen musste. Nebst weiteren Schädigungen zogen sich die Arbeiten – Gott sei Dank – nur bis Mitte August hin und die Mehrkosten stiegen um etwa 20.000 Euro. „Es ist ja nur Geld“, meinte trostvoll ein nach Wittbrietzen Zugezogener und sagte sogleich eine Überweisung zu. Mir persönlich bereiten die Mehrkosten immer noch etwas Kopfschmerzen, aber wir Wittbrietzener werden es sicher schaffen.

Detlef Fechner

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