Nicht lange drüber reden, machen…!

Ein Gespräch mit Theda von Wedel-Schunk, Vorstandsmitglied und Regionalbetreuerin des Förderkreises Alte Kirchen am 21. August 2024

Theda von Wedel-Schunk in der Geschäftsstelle des Förderkreises Alte Kirchen

Theda von Wedel-Schunk, geborene von Bargen, ist ein Kriegskind. Sie wurde am 04. Januar 1945 im pommerschen Köslin geboren. Drei Tage später ging sie mit ihrer Familie auf die Flucht und wuchs die ersten Jahre bei Bad Oeynhausen in Nordrhein-Westfalen auf dem Lande auf. „Nach dem Abitur wollten meine Eltern, dass ich Rechtspflegerin werde, aber ich wollte zur Zeitung. Damals war man erst mit 21 Jahren volljährig. Und da habe ich ein Jahr hauswirtschaftliches Praktikum in Hamburg gemacht und dann habe ich meinen Eltern gesagt: So, jetzt bin ich 21. Jetzt gehe ich zur Zeitung und habe in Kiel bei der VZ Kieler Morgenzeitung meine Ausbildung als Redakteurin gemacht. Man muss deutlich sagen, was man möchte. Und das lernt man, wenn man bei zehn Geschwistern die sechste ist.“ Theda von Wedel hat sich ihr Leben lang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit ihrer Eltern auseinandergesetzt und sich über das angeordnete Schweigen hinweggesetzt. Sie hat auch die Geschlechterrollen in ihrer Familie als Anlass gesehen, sich insbesondere für Frauenbelange einzusetzen.

Damit die 150 Euro in D-Mark im Monat einigermaßen reichten, ging von Wedel nebenbei putzen. Ihre Augen leuchten, als sie von dem Jahr berichtet, das sich an die Redakteursausbildung anschloss. „Ich bin 1967 nach Abschluss meiner Redakteursausbildung mit meinem damaligen Mann nach Prag gegangen.“ Er hat dort ein Postgraduate-Studium begonnen und sie war die erste Stipendiatin aus West-Berlin an der Prager Universität. Von Wedel wollte Politik studieren, aber angeboten wurde ihr Tschechisch. Sie hat dann auch für die FAZ für den dortigen Korrespondenten recherchiert und bei der Deutschen Zeitung in Prag gearbeitet, die es für die Deutschen in der Tschechoslowakei gab. „Ich sollte deren Texte in modernes Deutsch setzen, aber alle Leser waren entsetzt. Sie wollten kein modernes Deutsch, sondern ihr österreichisches Deutsch behalten.“ Von Wedel erinnert sich: „Wir hatten durch meinen Mann vor Ort viele Menschen kennengelernt und viele Ausflüge gemacht. Und Prag als Stadt war hinreißend. Es war noch halb unrenoviert und was renoviert war, fiel schon fast wieder zusammen. An was ich mich auch noch erinnere, ist der tschechische Begriff Ne mame – Haben wir nicht. Kein Klopapier, keine Nähnadeln, viele Sachen des täglichen Bedarfs. Als wir dann zurückkamen und ich ins Kaufhaus des Westens (KdW) gegangen bin und gesehen habe, dass es so viele Sorten Knäckebrot gibt, da fiel mir der Unterkiefer runter. Die Zeit war total spannend. Ein Tag vor Einmarsch der Russen war unsere Zeit dort zu Ende. Wir sind mit dem Auto zurück nach Berlin gefahren. Die Straßen waren dicht. Wir hatten nicht geglaubt, dass die Russen kommen. Vier Wochen vorher hätte man es bei den Verhandlungen bei Schwarzenbach gedacht. Und dann wollten wir nach Westberlin rein und das dauerte und dauerte. Schließlich habe ich mein heulendes Baby genommen, bin vorn in die Baracke gegangen und habe gesagt: Entweder wir kommen jetzt hier raus und rein nach Westberlin oder Sie geben mir heißes Wasser, damit ich was warm machen kann fürs Kind. Das Quengeln hat sich gelohnt.“

Die Rückkehr nach Westberlin führte mitten in die 68er-Bewegung. Theda von Wedel studierte Sozialarbeit, gründete mit anderen Eltern den zweiten Kinderladen von Berlin, Modell Felix, und ging zu Demonstrationen. Sie trat in die SPD ein und übernahm nach ihrem Berufspraktikum in der Strafvollzugsanstalt Tegel 1977 die Leitung des Berliner Frauengefängnisses in Lichterfelde. Als sie 1984 Stadträtin für Wirtschaft und Finanzen in Zehlendorf wurde, beendete sie die Gefängnistätigkeit. In der folgenden zweiten Legislaturperiode wurde sie Jugendstadträtin und stellvertretende Bürgermeisterin. Nach elf Jahren ging sie 1995 wieder in die Justiz zurück, dieses Mal aber als Leiterin des Referats für Aus- und Fortbildung in der Senatsverwaltung, wo sie für Haftanstaltsleiter Fortbildungen organisierte. Über ihren Berufswechsel sagt von Wedel „Ich hätte weitermachen und auf das Abgeordnetenhaus tendieren können. Das ist der klassische Weg. Aber das war nicht mein Weg. Ich wollte immer dort sein, wo auch was zu tun ist, also wo ich nicht nur reden muss. Ich wollte gern was machen.“

In ihrer ersten Ehe hatte von Wedel noch eine zweite Tochter bekommen. Sie trennte sich von ihrem Mann und lernte 1984 ihren zweiten Mann kennen, den sie 1988 heiratete und mit dem sie zu spannungsvollen Zeiten spannende Reisen nach Usbekistan, Guinea und in andere Gegenden der Welt unternahm. „Er ist 2008 plötzlich umgefallen, von einer Sekunde auf die andere und war einfach tot. Das war ein furchtbarer Einschnitt und hat mich sehr mitgenommen.“

Haertel: Wie sind Sie zum Förderkreis gekommen?

Mit meinem Mann zusammen habe ich den Förderkreis entdeckt. Gleich nach der Wende haben wir einen Hinweis auf den Förderkreis im Tagesspiegel oder im Rundfunk gehört und da sind wir hin. Das hat uns interessiert. Das waren Exkursionen mit dem Auto. Am Anfang waren es nur drei Autos, dann vier, am Ende war das dann eine ganze Schlange von Autos.

Nach dem Tod meines Mannes hatte Marianne Fiedler aus dem Vorstand, die inzwischen gestorben ist, vorgeschlagen, ob ich nicht meine Arbeitskraft im Förderkreis als Regionalbetreuerin einsetzen will. Also habe ich „Ja“ gesagt und meine Region war damals ganz Potsdam-Mittelmark, heute ist es der Süden davon. Ich habe ziemlich schnell gemerkt, dass mir die Tätigkeit unheimlich gut gefällt. Es fing so an, dass bei mir angerufen wurde und ich bin dann hin und habe Kontakt aufgenommen. Es war auch ganz spannend, auf wie viele Dächer ich gekrochen bin. Die Begehungen waren immer eine Herausforderung. Zu den fachlichen baulichen Fragen gab es Hilfestellung und wie man an Geld kommt, das habe ich mein ganzes Leben lang üben und lernen müssen. Etwa 2011–12 bin ich dann in den Vorstand gegangen.

Haertel: Was hat Sie an dem Thema Dorfkirchen gereizt?

Ich habe von klein auf mit der Kirche zu tun gehabt und möchte den sozialen Raum Dorf unterstützen. Mir liegt es am Herzen, dass es Menschen gut geht, dass sie in einer Situation sind, wo sie gerne sind. Ich mache immer wieder die Erfahrung, dass, wenn sich ein Kirchbauverein trifft, er so viel bindet und so viel Zusammenhalt gibt und den Leuten das Leben im Dorf, das Bleiben im Dorf ermöglicht und sie stabilisiert und ihnen Sicherheit gibt und Gemeinschaft. Es sind bei weitem nicht alle Menschen auf dem Dorf freundlich miteinander, aber sie können zueinander finden. Interessant ist, dass die Arbeit in den Dorfkirchen ganz stark von Frauen geprägt ist. Da sind zwar eher Männer die Vorsitzenden oder machen die Anträge, aber die ganze Arbeit ist gestützt und abgesichert von den Frauen im Dorf. Und ich meine nicht nur den Kuchen, den sie für die ganzen Feste machen. Es ist unglaublich, was die in den Veranstaltungen alles zusammenbringen, um Geld zu bekommen. Viele meiner Betreuungen haben sich über Jahre hingezogen: Von der ersten Idee bis zur fertigen Sanierung. Die Arbeit eines Regionalbetreuers bedeutet nicht nur zu sagen, wo und wie man einen Antrag stellt, sondern unendlich oft zu reden und zu telefonieren. Da geht es auch ums Zuhören und um ganz persönliche Schicksale.

Haertel: Was bewirkt aus ihrer Sicht die Arbeit des Förderkreises?

Für mich selber bewirkt es, dass ich gern in den Prozessen dabei bin, gucke, wie sich was entwickelt und was ich selber mitbewegen kann. So habe ich z. B. das Projekt „Blühwiesen auf Kirchengrund“ entwickelt. Für unser Zusammenleben ist es wichtig, das Stück Kultur, was in den Dörfern durch die Dorfkirchen da ist, zu bewahren, es zu erinnern und zu erforschen.

Haertel: Glauben Sie, dass sich Menschen auch in Zukunft für ein Ehrenamt finden werden?

Man sieht, der eine stirbt, der eine verlässt den Kreis und es kommt immer jemand Neues nach. Es gibt immer wieder Menschen, die sich für das Thema interessieren, in den Dörfern und von außen. Das ist auch die Geschichte unseres Vereins, eine Geschichte von engagierten Leuten zur jeweiligen Zeit. Es werden sich immer wieder Leute finden, die sich für die Dorfkirchen einsetzen, davon bin ich überzeugt.

Haertel: Wie sollte sich der Förderkreis in Zukunft entwickeln?

Wir sollten, was wir machen, weitermachen. Ich finde, dass der Förderkreis ganz gut aufgestellt ist. Solange es Dorfkirchen gibt, muss jemand da sein, der sich darum kümmert. Das machen die im Dorf und solange die im Dorf das machen und Unterstützung brauchen, brauchen sie uns auch. Ich mache mir natürlich Gedanken, wie das in den Dörfern bei veränderten politischen Mehrheiten aussehen wird. Und ich finde es sehr schön, dass der Förderverein nicht kirchlich gebunden ist. Das ist ganz wichtig. Vielen Menschen in den Dörfern geht es um die Kirche als Teil des Dorfes, nicht um die Kirche als Teil der Kirche. Warum man dann von außen dort mithilft, ist, weil sich die Kirche geöffnet hat, weil sie allen zur Verfügung steht, weil sie sich an die gesamte Dorfbevölkerung wendet. Und weil es zusammenschließt, dass man über viele Jahre an einer Sache arbeitet.

Haertel: Wie lassen sich Ihrer Meinung nach neue Mitglieder gewinnen?

Im Förderkreis hatte jeder in seiner Vereinszeit einen speziellen Schwerpunkt. Herr Krag hat zum Beispiel ganz viele Reisen durch Deutschland gemacht und eine Ausstellung zu den Brandenburger Dorfkirchen gezeigt. Ich schreibe für den Verein die Geburtstagskarten und merke an den Adressen, wie segensreich seine Vereinsarbeit quer durch Deutschland war. Wir haben ganz viele Mitglieder, die Krag auf seinen damaligen Reisen gewonnen hat und die bis heute dabei sind. Ich bin in mehreren Vereinen Mitglied. Überall geht es darum, wie wir junge Leute gewinnen. Meine Meinung ist: Pflegt die vielen Alten! Die Jungen werden auch irgendwann alt, dann kommen sie von selbst oder sie kommen auf andere Art und Weise. Eine ganze Reihe von uns ist am Ende seiner Berufstätigkeit geworben worden, da hat man Zeit übrig.

Haertel: Sie werden im nächsten Januar 80 Jahre alt. Was wünschen Sie sich für die kommende Zeit?

Ich wünsche dem Verein, dass wir offen bleiben für Veränderung, dass wir fröhlich bleiben und nicht so verkniffen sind. Leute im Rentenaltar sind noch leichter Streithähne als sie es im Beruf waren. Wir sollten da einfach ein Stück gelassen bleiben und die Form wahren: Streiten gehört mit dazu.

Ich bin dankbar für diese Aufgabe. Sie hat mir viele Jahre viel Freude gemacht und macht mir sicherlich auch noch weiter Freude.

Haertel: Vielen Dank für das Gespräch!

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