Das lachende Dorf

Andreas Flender ist ehrenamtlicher Baubeauftragter der evangelischen Kirchengemeinde Havelländisches Luch und Regionalbetreuer des Förderkreises Alte Kirchen Berlin-Brandenburg e.V. für die Landkreise Havelland und Prignitz.

Die Sanierung der Dorfkirche Kriele

Südseite der Kirche

Wer den Ort Kriele (Havelland) besucht, kommt dort nicht zufällig vorbei. Als Sackgasse endet hier die Kreisstraße 6314, der man etwa fünf Kilometer von der Bundesstraße 188 aus folgen muss. Und auch der postalische Ort Kotzen, der der Kommune seit der Gemeindegebietsreform seinen Namen gibt, ist von hier aus nicht direkt per PKW erreichbar. Es sei denn, man ist mit dem Rad unterwegs. Denn auf dem Havelland-Radweg kommt man unweigerlich durch den 174-Seelen-Ort. Der Havelland-Radweg folgt hier dem Gleisbett der Schmalspurbahn „Stille Pauline“, die von 1901 bis 1961 zwischen Rathenow und Nauen mit einem Abzweig nach Fehrbellin (Ostprignitz-Ruppin) hier Halt machte und sowohl Personen- als auch Güterverkehr betrieb.

Im Jahr 1248 schenken die Markgrafenbrüder Johann und Otto das Dorf dem Kloster Lehnin. 1353 erscheint der Name in der Form Krele und 1375 als Kryle. Er dürfte von Einwanderern aus der Umgebung Kölns mitgebracht worden sein und auf den heutigen Stadtteil Kriel zurückgehen.

Die Krieler Kirche ist in der Region eine der ältesten noch erhaltenen Backsteinkirchen aus dem 14. Jahrhundert.

Vor dem gotischen Stufenportal an der Nordseite befindet sich eine barocke Vorhalle. An der Westseite wurde im 15. Jahrhundert ein Turm aus Feldsteinmauerwerk angefügt, der nach einem Blitzschlag 1779 ein verbrettertes Oberteil mit einem Zeltdach erhielt. Eine Holzbalkendecke überspannt das Innere der Kirche. Erhalten sind Reste einer ornamentalen Bemalung und ein Wandschrank mit spätgotischen Beschlägen. Zur schlichten hölzernen Ausstattung aus dem Jahr 1779 gehören die westliche Doppel- und die Nordempore mit darunterliegender Patronatsloge sowie eine hölzerne Taufe mit Deckel. Eine Lütkemüller-Orgel von 1848, überarbeitet 1917, mit neun Registern auf zwei Manualen und Pedal steht auf der nördlichen Empore. Im Prospekt fehlen diverse Pfeifen, im Inneren finden sich Spuren von Vandalismus, die dafür gesorgt haben werden, dass das Instrument nicht mehr spielfähig ist. Das Gestühl ist nicht mehr vorhanden. Das Untergeschoss des Westturmes ist in seinem Inneren als Winterkirche gestaltet worden. Im Turm ist noch eine der beiden Bronzeglocken erhalten, die um 1890 vom Patronatsherrn Max von Bredow zur Zeit des Pfarrers Jakobi gestiftet wurde.

1736 wurde im benachbarten Landin ein neuer Kanzelaltar geschaffen. Die bauzeitliche Kanzel in dieser Kirche gefiel der damaligen Patronatsfamilie offenkundig nicht mehr, aber sie war wohl zu schade für eine Entsorgung. Denn der Bildhauer bekam – wie im Kirchenrechnungsbuch zu Landin nachzulesen ist, die Auflage („den credit“), sie in der „Krielener Kirche wieder aufzurüsten“. Dabei durfte die gesamte Arbeit in Landin und der Neuaufbau in Kriele 60 Thaler nicht überschreiten. Noch im gleichen Jahr wurden die Kanzel und der Altar von Landin nach Kriele überbracht. Dort sollte also mit diesen „Zutaten“ ein Kanzelaltar im Zeitgeschmack hergestellt werden. Der Kanzelkorb aus Landin trägt das verschlungene Monogramm der Patronin Johanne Wilhelmine von Metzsch (verh. von Bredow). Er war als Leihgabe zu sehen in der Ausstellung „König & Kartoffel. Friedrich der Große und die preußischen Tartuffoli“, die 2012 im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte in Potsdam stattfand, und steht heute im Vorraum des nördlichen Eingangsportals. Nach einer alten Chronik ist von der bauzeitlichen Krieler Kanzel nur noch die Wange für die Kanzeltreppe erhalten und zur Rückwand der jetzigen Kanzeltreppe verwertet. Auf ihr sieht man in drei Feldern die Ölbilder der Apostel Bartholomäus, Matthias und Paulus im Renaissancestil. Der Verbleib dieser Wange war lange unbekannt, bis sie bei den Vorbereitungsarbeiten für die Sanierung im Herbst 2022 wiederentdeckt wurde.

Ein dritter Kanzelaltar ist heute reduziert aufgebaut vorzufinden, wobei der nicht mehr vorhandene Altarblock durch einen einfachen Tisch ersetzt ist. Das darüber aufgehende Gehäuse stammt aus dem Jahr 1737. Der Kanzelkorb ist nicht begehbar. Der hölzerne Aufbau ist an einem aus vier Kanthölzern montierten Baugerüst befestigt, das fast bis zur Decke reicht und daher den Schalldeckel weit überragt. Das Gehäuse wurde teilweise historisierend wiederaufgebaut. Dem früheren Pfarrer war das wertvolle Inventarstück 1981 angeboten worden. Der damalige Restaurator des kirchlichen Bauamtes hatte den Altar in dem kleinen Dorf Klinge begutachtet, unweit der Stadt Forst (Spree-Neiße). Die dortige Kirche wurde devastiert, der Ort selbst 1981 abgebaggert, um dem Braunkohletagebau Jänschwalde zu weichen.

Theodor Fontane besuchte Kriele im Jahr 1889. Er lernte Pastor Jakobi und den Lehrer Zowe kennen. Pastor Jakobi soll ihm viele Anregungen für sein Werk gegeben haben. Lehrer Zowe wurde als märkisches Original das Vorbild für den Lehrer Krippenstapel im Roman Der Stechlin. Im dritten Band seiner Wanderungen durch die Mark Brandenburg beschreibt Fontane die Landschaft und vergleicht sie mit einem „Teppich“, an dessen „blühendem Saum“ sich Kriele (und weitere) „lachende Dörfer“ befinden.

Trostlos hingegen muss der Zustand des Gebäudes in den 1980er Jahren gewesen sein. Im kirchlichen Bauamt dachte man laut über den Abriss des Fachwerkturmes nach, was die Dorfbewohner offenbar erfolgreich verhindern konnten. Ähnlich verfallen wird das Interieur ausgesehen haben. In den 1990er Jahren wurde damit begonnen, die sehr verfallene Kirche zu sanieren. Chor und Schiff haben seit 1991 eine in gleicher Höhe verlaufende hölzerne Flachdecke, die die nicht mehr vorhandene ursprüngliche Putzdecke ersetzt. 1998 deckte man das Kirchenschiff und den Turm neu ein. Vor dem gotischen Eingangsportal wurde im 18. Jahrhundert ein Fachwerkvorbau errichtet, der 1998 rekonstruiert wurde. Er diente einst auch als Aufbahrungsraum für bevorstehende Beerdigungen auf dem heute noch genutzten Friedhof rund um die Kirche. Heute steht auf dem Gelände eine kleine Friedhofskapelle.

Jetzt also soll der nächste Abschnitt der Sanierung erfolgen. Dazu gehören erneut der Dachstuhl und nun auch die Außenhülle. Bei der früheren Sanierung wurde zunächst nur auf die Dacheindeckung geachtet, was den Zustand des darunterliegenden Gebälks nicht unbedingt verbessert hat. Hier müssen zahlreiche Trägerbalken ganz oder teilweise ausgetauscht werden. Das Backsteinmauerwerk ist entsprechend seines Alters stark in Mitleidenschaft gezogen und muss durchgängig nachgearbeitet werden. Im Fachwerk des Turmes sind auch statische Maßnahmen erforderlich. Der in den 1990er Jahren erneuerte Innenputz weist an einigen Stellen starke Ausblühungen auf. Die kleine Winterkirche unterhalb des Turmes wird als Gruppenraum gestaltet und soll eine gläserne Trennwand zum Kirchenschiff bekommen. Toilette und Küche im vorhandenen Nebengebäude werden demnächst folgen. Damit können gemeindliche Aktivitäten und Gruppentreffen wieder ermöglicht werden. Dieses uralte Denkmal wird noch so manchen Radfahrer und andere Besucher erfreuen.

Zur Kirche
Vorheriger Beitrag
Dornröschenschlaf oder Ruine

Die Sanierung der Dorfkirchen in der Zeit nach der friedlichen Revolution ist eine Erfolgsgeschichte. Von den über 1900 Kirchen und Kapellen, darunter 1600 unter Denkmalschutz stehende Sakralgebäude in unserer Landeskirche wurden seitdem über drei Viertel wiederhergestellt.

Nächster Beitrag
Aneignung durch Umwandlung

Die Zahlen haben gewaltige Ausmaße: Angesichts der ständig sinkenden Zahl von Kirchenmitgliedern werden bis zu 30 Prozent aller Kirchen in Berlin und Brandenburg in den nächsten zwanzig Jahren für den Gottesdienst selten bis gar nicht mehr genutzt werden.