Der Zwiebelturm am Beetzsee

Die Dorfkirche Radewege (Potsdam-Mittelmark) hat das barocke Turmdach zurück

Die neue Schweifhaube am Haken

Was für ein Freudentag! Das ganze Dorf ist am 27. Juni 2023 auf der Straße und schaut nach oben zum Kirchturm. 50 Jahre hat Radewege auf diesen Augenblick gewartet. Ein riesiger Autokran ist vorgefahren und hat die neue Kirchturmspitze am Haken. Christel Langhoff, Gründungsmitglied des Fördervereins „Kirchdach“ stehen Freudentränen in den Augen. Felicitas Wilkening, die Vorsitzende des Vereins, und Pfarrer Stefan Hartmann geben ein Presseinterview nach dem anderen. Was ist los in Radewege?
Die Radeweger Dorfkirche wurde um 1460 im Stil der späten Gotik in Feldstein-Mauerwerk errichtet. Das Kirchenschiff schließt nach Osten mit einem polygonalen Chor. Der Turm ist bündig in den Westgiebel eingebunden und in Backsteinmauerwerk ausgeführt. 1756 wurde der Turm um das außen verputzte Uhrengeschoss erhöht und mit der weithin über den Beetzsee sichtbaren Schweifhaube versehen. Es handelte sich um eine auf einem flach geneigten Zeltdach sitzende Zwiebel, auf die wiederum eine hohe pfeilförmige Spitze aufgesetzt ist.
Am 4. Mai 1973 setzte ein Blitzschlag die Holzkonstruktion des barocken Turmdaches in Brand. Übrig blieb der angekohlte, bis heute erhaltene Balkenrost über dem obersten Geschoss des wuchtigen Kirchturmes. Es wurde ein einfaches Zeltdach als Notlösung aufgesetzt. Während der Zeit der DDR war an eine Rekonstruktion der charakteristischen Schweifhaube nicht zu denken. Aber auch in den ersten Jahren der Deutschen Einheit, wo so manche Kirchengemeinde froh gewesen wäre, wenn ihre Kirche wenigstens ein Notdach gehabt hätte, erschien die Erneuerung der Schweifhaube noch als kaum vorstellbarer Luxus.
Aber die Leute im Dorf wollten sich auf Dauer nicht mit dem in die Jahre und Jahrzehnte gekommenen Notdach ihres Kirchturmes abfinden. Im Jahr 2000 gründete sich der Förderkreis Dorfkirche Radewege und gab sich den programmatischen Namen „Kirchdach e.V.“. Der Verein setzt sich in Zusammenarbeit mit der Kirchengemeinde für die Bewahrung der Dorfkirche ein und führt Kulturveranstaltungen durch, die sich im Dorf und in der Umgebung einer guten Resonanz erfreuen. Auch hat der Verein schon bisher bedeutende Sanierungsmaßnahmen maßgeblich unterstützt, vor allem die Neudeckung des Daches von Kirchenschiff und Chor, die Instandsetzung der Schuke-Orgel und die Sanierung des Läutewerks. Eine wichtige Vorarbeit zur Rekonstruktion der Schweifhaube legte Florian Müller 2016 mit seiner Masterarbeit (FH Potsdam) vor.

Der Zimmermann bei der Verschalung der Turmhaube

Im Sommer 2022 war es dann soweit. Mehr als zehn verschiedene Fördergeber und Spender, darunter auch der Förderkreis Alte Kirchen Berlin-Brandenburg, beteiligten sich an der Finanzierung der Rekonstruktion der barocken Turmhaube und der vorbereitenden Arbeiten: Erneuerung des Außenputzes des obersten Turmgeschosses und Herstellung eines Schwellenkranzes aus Stahlträgern über dem verkohlten Holzrost.
Die Zwiebel und die pfeilförmige Spitze der Turmhaube wurden von Zimmerleuten der Chemnitzer Firma „Aufbau“ neben der Kirche am Boden hergestellt. Jetzt nach der spektakulären Montage der Schweifhaube muss noch das Turmgerüst erhöht werden, damit die Schieferdeckung aufgebracht, die Turmzier mit dem erhaltenen Knopf wieder errichtet und last not least ein Blitzableiter installiert werden kann.

Felicitas Wilkening und Pfarrer Stefan Hartmann im Interview

Text und Fotos: Hans Tödtmann

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