von Bernd Janowski und Konrad Mrusek

Holzwurm und leere Kirchen

Interview

Mit Werner Ziems, dem scheidenden Restaurator des Brandenburgischen Landesamtes für Denkmalpflege, sprachen Bernd Janowski und Konrad Mrusek. 

Werner Ziems im Depot des Landesamtes für Denkmalpflege mit Taufengel aus der Dorfkirche Laasow (Oberspreewald- Lausitz); Foto: Bernd Janowski

Solch einen prächtigen Arbeitsplatz haben nicht viele. Werner Ziems sitzt in einem hohen Raum mit riesigen Fenstern, umgeben von Gemälden und Skulpturen. An den Wänden Plakate, etliche Folianten und ein paar Regalmeter Akten. Ziems ist nicht etwa ein Galerist, was er von der Ausbildung und vom Habitus her durchaus sein könnte. Doch für eine Galerie wäre der Standort allzu provinziell; er befindet sich in einer ehemaligen Wehrmachts-Kaserne in Wünsdorf, etwa fünfzig Kilometer südlich von Berlin. 

Auch in anderer Hinsicht täuscht das schöne, kunstsinnige Ambiente des Arbeitsplatzes: Der Diplom-Restaurator Ziems, ein Spezialist für Kirchenausstattungen, Gemälde und Skulpturen, kann zu seinem großen Bedauern seit zehn Jahren nicht mehr praktisch tätig sein. Er hat schlicht keine Zeit mehr, um auf mittelalterlichen Tafelbildern Wasserflecken zu entfernen oder wurmstichige Taufengel zu reparieren. „Wir sind zu wenige, es gibt nur noch drei Restauratoren im Landesamt für Denkmalpflege“, sagt Ziems. „Früher waren wir zu viert, dazu kamen noch Praktikanten, mit denen zusammen man selbst an den Kunstwerken arbeiten konnte.“ 

In diesem Sommer geht der 66 Jahre alte Ziems in die wohl verdiente Rente. Schrumpft die Zahl der Mitarbeiter des Landesdenkmalamtes dann noch weiter oder wird seine Stelle wieder besetzt? Es scheint noch nicht ganz sicher. Ziems bleibt daher diplomatisch: „Ich hoffe es sehr, dass die Stelle neu ausgeschrieben wird“. Ähnlich wie Brandenburg sind auch andere Bundesländer nicht sehr großzügig ausgestattet mit staatlich besoldeten Restauratoren, sodass die Arbeiten meist an freie Spezialisten vergeben werden. Das Landesdenkmalamt ist im Gegensatz zu den regionalen Ämtern in Brandenburg auch keine Genehmigungsbehörde, sondern es ist in erster Linie die fachliche Aufsicht. Hier wird vor allem beraten und begutachtet.

Trotz dieser mehrheitlich administrativen Aufgaben, die mit vielen Reisen über Land und mit Büroarbeit verbunden sind, fühlt sich Ziems in seiner Tätigkeit arg beschnitten, seitdem er nicht mehr praktisch am Kunstwerk arbeiten kann. Denn diese Tätigkeit hat er sehr geschätzt, etwa die teils längeren Einsätze in Dorfkirchen. „Mit jeder praktischen Arbeit an einem Kunstwerk macht man neue Erfahrungen“, versichert Ziems. Solche Einsätze gab es bereits vor der deutschen Vereinigung, da half er mitunter unentgeltlich mit bei der Restaurierung von Inventar. Denn die amtliche Denkmalpflege der DDR steckte das wenige verfügbare Geld vor allem in die großen und bedeutenden Stadtkirchen, etwa in Bernau oder Frankfurt an der Oder. Für Dorfkirchen blieb da nicht viel übrig, außer es kam finanzielle Hilfe von Kirchengemeinden aus dem Westen.

Ziems, dessen Frau ebenfalls Restauratorin ist, hat in Dresden an der Kunsthochschule studiert. Die fünfjährige Ausbildung, die er 1977 begann, war seiner Meinung nach umfassender als jene im Westen, weil in der DDR nicht allein handwerkliche Kenntnisse vermittelt wurden, sondern man auch viel Wert legte auf die künstlerische Ausbildung. „Danach standen mir alle Türen offen, doch ich wollte nach Berlin zurück und ging zum Institut für Denkmalpflege, das damals in der Brüderstraße residierte und dort auch über großartige Werkstätten verfügte.“ Hier hatte Ziems bereits als Praktikant gearbeitet. Aus dem Institut wurde nach der „Wende“ das Landesdenkmalamt. „Man hatte in der DDR zwar nicht viel Geld für die Denkmalpflege, aber es ist ein westliches Vorurteil, dass überhaupt nichts restauriert wurde“.

Restaurierter Schnitzaltar in der Stadtkirche St. Marien Bernau; Foto: Wikipedia

Zu den heutigen Aufgaben zählt die Begutachtung und Einschätzung der Objekte, die restauriert werden sollen. Dafür müssen Anträge erstellt werden nach den Vorschriften des Denkmalschutzgesetzes, für die Erlaubnis einer Maßnahme muss sich dann die untere Behörde in den Regionen mit dem Landesamt „ins Benehmen setzen“, was hin und wieder eine bürokratische Umschreibung für einen Kompromiss sein kann. Bei künstlerisch besonders wertvollen oder stark beschädigten Objekten sind Gespräche mit den Restauratoren vor Ort notwendig. 

Wie groß ist denn der Nachholbedarf in den Kirchen? „Es gibt noch eine ganze Reihe von Problemfällen“, sagt Ziems. „Die Lage wird auch nicht besser, sondern tendenziell eher schlechter, weil immer mehr Kirchen kaum oder gar nicht mehr genutzt werden“. Die Gefahren für die Kirchenausstattung seien umso größer, je weniger ein Gotteshaus genutzt werde. „Für Taufengel findet man Interessenten, aber nicht für eine Kanzel oder eine Patronatsloge“. Sollte man dafür ein Kunstgut-Depot schaffen, etwa in einer verlassenen Klosterkirche? Eigentlich bräuchte man solch ein Depot, meint der Restaurator, und er erinnert daran, dass es dies bereits in der DDR gab. Doch er ist inzwischen unsicher, ob dies eher hilfreich oder nachteilig wäre. Denn dies könnte etwa dazu führen, dass allzu voreilig kirchliches Inventar aus Gotteshäusern verschwände und weggeschlossen würde, also seinem eigentlichen Zweck nicht mehr diente.


Aufbau einer Kulisse des „Himmlischen Theaters“ aus der Klosterkirche Neuzelle in der Restaurierungswerkstatt des BLDAM; Foto: Mechthild Noll-Minor 

Nach Ansicht von Ziems ist die Nicht-Nutzung von Kirchen auf die Dauer eine größere Gefahr für die Ausstattung als der Holzwurm. Die Sorge vor Vandalismus in ungenutzten Kirchen plagt den Restaurator dagegen weniger und auch nicht die Angst vor Kunstgut-Dieben, die den Schwarzmarkt bedienen. „Mir ist nicht bekannt, dass dies gegenwärtig ein größeres Problem wäre. In den neunziger Jahren hat es zweifellos zielgerichtete Diebstähle von Kirchengut gegeben.“ Von Nachteil sei es indes, dass Brandenburg bei der systematischen Erfassung von Kunstgut noch längst nicht fertig sei. Daher könne es durchaus vorkommen, dass Kirchen-Inventar auf irgendeine Weise heimlich „verschwindet“, sprich: In privaten Häusern aufgestellt wird. In seinem langen Berufsleben hat der Restaurator geholfen, so manches Kunstwerk vor dem Verfall zu retten. Manche Projekte haben ihn dabei emotional mehr berührt als andere. Zu diesen „Herzblut-Geschichten“ zählt er zum Beispiel den Hochaltar in der Brandenburger Kirche St. Katharina oder auch den Marien-Altar in Bernau, bei dem er bereits als junger Praktikant mit angepackt hat. Wichtig waren ihm auch die Arbeiten in der Hauptpfarrkirche St. Marien in Frankfurt (Oder) sowie die jahrzehntelange Restaurierung des „Himmlischen Theaters“, der Passionsdarstellungen vom Heiligen Grab in Neuzelle. Ziems muss in seinem Amt nur wenige Meter laufen, um in einer Werkstatt diese faszinierenden hölzernen Tafeln zeigen zu können, die er indes nur anschauen, aber nicht mehr selbst restaurieren kann.

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Nach der Reformation übermalt 

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