Den Engagierten den Rücken stärken
Eine Stiftung des Bundes unterstützt das Ehrenamt in strukturschwachen Regionen
Der Online-Auftritt der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt (www.dsee.de) ist schon sehr attraktiv, doch ihre Attraktivität für Mitarbeiter scheint bisher nicht so groß zu sein. Gut ein Jahr nach ihrer Gründung hat die Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt zumindest noch nicht ihre angepeilte Zahl von 75 Mitarbeitern erreicht. Denn sie sitzt in der Provinz, genauer gesagt in Neustrelitz (Mecklenburg-Vorpommern). Und das ist auch gut so, denn diese Organisation soll besonders Vereine im ländlichen und zudem strukturschwachen Raum unterstützen, etwa bei der digitalen Kompetenz, bei juristischen Fragen oder der Rekrutierung von Ehrenamtlichen. Doch junge IT-Spezialisten oder smarte Juristen wohnen lieber in der Großstadt als in der Provinz. Daher ist die Stiftung nun wohl etwas großzügiger geworden, wenn ihre Mitarbeiter lieber in Berlin wohnen und nach Neustrelitz pendeln wollen; mit dem Zug dauert das nur eine gute Stunde. Im Herbst, so versichert der Presse-Sprecher der Stiftung, Mario Schulz, werde die Mannschaft komplett sein.
Das ist auch notwendig, denn die Stiftung hat sich ein hehres Ziel gesetzt: Sie will den vielen Engagierten in strukturschwachen Gebieten gewissermaßen den Rücken stärken, mit Rat und mit Geld. Ihre Programme und die regelmäßigen Newsletter, die die Stiftung digital verbreitet, gleichen schon jetzt einem großen Füllhorn an kreativen Ideen. Um all dies aber auch analog, also im wirklichen Leben, zu verwirklichen, um Service für Vereine zu bieten und Millionen von Fördergeldern an viele zivilgesellschaftliche Organisationen zu verteilen, dazu braucht es sicher ein großes Team. Denn an Geld fehlt es nicht: Das reguläre Budget für 2021, das der Bund bereitstellt, beträgt 30 Millionen Euro. Hinzu kommen für die Jahre 2021/22 noch einmal 30 Millionen Euro, die unter der Überschrift „Zukunftsmut“ besonders gedacht sind für Programme, in denen Vereine oder andere Engagierte Kinder, Jugendliche und Familien unterstützen, die in der Corona-Pandemie bei Sport oder Bildung zu kurz gekommen sind, weil die Schulen oft geschlossen waren oder nur digital unterrichtet wurde. Das Geld stammt aus dem Aktionsprogramm der Bundesregierung „Aufholen nach Corona“.
Warum die Stiftung ausgerechnet in Neustrelitz (22.000 Einwohner) ansässig ist und nicht in einer anderen Kleinstadt in Ost oder West, vermag niemand so recht zu erklären. Vermutlich war es eine Kungelei zwischen Ministerien und Politikerinnen. Die Stiftung für Engagement und Ehrenamt ist eine Initiative von drei Bundesministerien (Familie, Inneres sowie Ernährung und Landwirtschaft), die sich allesamt um dieses Thema zu kümmern suchen. Weil die Familien-Ministerin bei der Gründung der Stiftung noch Franziska Giffey (SPD) hieß, kam es vermutlich zu einer Absprache mit ihrer SPD-Kollegin, Manuela Schwesig, der Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern. In diesem Land gibt es, ähnlich wie in Thüringen, bereits eine ähnliche Stiftung. So kam vermutlich die ehemalige Residenzstadt Neustrelitz zum Zuschlag.
Die Gründung einer Bundes-Stiftung hatte die Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ empfohlen. Noch sitzen die Mitarbeiter im ehemaligen Landratsamt der Stadt, doch in ein paar Jahren sollen sie in das sanierte Carolinum-Palais umziehen. „Das wird es uns erleichtern, ein aktiverer Teil der Stadtgesellschaft zu werden“, sagt Pressesprecher Schulz
Das bürgerschaftliche Engagement soll auf zweierlei Art und Weise gestärkt werden. Da ist zum einen die Beratung von Vereinen oder Initiativen per Telefon oder Internet. Es gibt Online-Seminare zu diversen Themen, vor allem zum digitalen Wandel in Engagement und Ehrenamt, aber auch zum Vereinsrecht oder etwa zu der Frage, welche Kosten Ehrenamtlichen erstattet werden dürfen. Hinzu kommen diverse Förderprogramme, um die man sich bis zu einem Stichtag bewerben kann und bei denen teils erhebliche Finanzmittel verteilt werden. Das Projekt „Engagiertes Land“ fördert Netzwerke in strukturschwachen Dörfern, Kleinstädten und Gemeinden mit bis zu 10.000 Einwohnern. Das Programm „Ehrenamt gewinnen“ soll dabei helfen, auf innovative Weise Nachwuchs zu gewinnen.
Dafür gibt es bis 2500 Euro. „100xDigital“ unterstützt bis zu 100 gemeinnützige Organisationen bei der Umsetzung einer digitalen Herausforderung. Neben einer finanziellen Förderung von regelmäßig bis zu 20.000 Euro erhalten die Organisationen Qualifizierungsmaßnahmen und werden durch erfahrene Ausbilder unterstützt. Und das in diesem Sommer gestartete Corona-Programm „Zukunftsmut“, das bis Ende 2022 läuft, unterstützt Projekte für junge Menschen in strukturschwachen Gebieten, bei denen gemeinnützige, vorrangig ehrenamtlich getragene Vereine oder Organisationen Lern- oder Freizeitangebote machen. Damit sollen Einbußen ausgeglichen werden, die die jungen Menschen wegen der Pandemie in Bildung oder Sport erlitten haben. Je nach Umfang des Angebots gibt es einen Zuschuss zwischen 70 und 90 Prozent der Kosten, die den ehrenamtlichen Helfern entstehen.
Konrad Mrusek