Buchtipp

Kriegergedächtnismale in den Kirchen der Prignitz

Noch heute gehören sie zum Inventar zahlreicher Dorfkirchen: Kriegergedächtnistafeln für die gefallenen und vermissten Soldaten aus den Kriegen der vergangenen gut zwei Jahrhunderte. Heute und bereits seit einiger Zeit sind diese Gedächtnismale umstritten. Einerseits verkörpern sie die Erinnerung an oftmals sogar mehrere Angehörige von Familien, die über Jahrhunderte die Ortsgeschichte prägten. Zum anderen jedoch unterscheiden sie nicht zwischen Tätern und Opfern; sie verehren „Helden“ – und unser heutiges Verhältnis zum Heldentum hat sich glücklicherweise grundlegend geändert.

Für die Prignitz hat Sylvia Müller-Pfeifruck in Verbindung mit einer Ausstellung, die im vergangenen Jahr im Stadt- und Regionalmuseum Perleberg zu sehen war, ein Buch herausgegeben, das einerseits einen Katalog für noch heute über 300 in den Kirchen der Region vorhandene Kriegergedächtnistafeln darstellt, andererseits auch die historischen Hintergründe beleuchtet und hinterfragt.

Am 5. Mai 1813 erließ der preußische König Friedrich Wilhelm III. die „Verordnung über die Stiftung eines bleibenden Denkmals für die, so im Kampfe für Unabhängigkeit und Vaterland blieben.“ Unabhängig vom militärischen Dienstrang sollten diejenigen, die ihr Leben in den Befreiungskriegen gegen die napoleonische Fremdherrschaft gelassen hatten, auf Gedenktafeln in den jeweiligen Ortskirchen geehrt und ihr Gedächtnis bewahrt werden. Sogar einen Musterentwurf ließ der König entwerfen, der unter anderem das Eiserne Kreuz zeigte, das kurz zuvor von Karl Friedrich Schinkel entworfen und von Friedrich Wilhelm als militärische Auszeichnung gestiftet worden war. Die Überschrift hatte zu lauten: „Aus diesem Kirchspiel starben für König und Vaterland …“.

Die Tradition wurde ein halbes Jahrhundert später fortgesetzt, als in den sogenannten Reichseinigungskriegen – 1864 gegen Dänemark, 1866 gegen Österreich und 1870/71 gegen Frankreich – wiederum zahlreiche junge Menschen ihr Leben lassen mussten. Zur Widmung kam nun meist auch der religiöse Bezug hinzu. Jetzt hieß es: „Mit Gott für König und Vaterland …“.

Der Erste Weltkrieg trug dazu bei, dass weitere Tafeln die Wände der Kirchengebäude füllten. Als besonders erschreckendes Dokument zitiert Sylvia Müller-Pfeifruck im Zusammenhang mit der Aufhängung einer Gedenktafel in der Dorfkirche Klein Lüben den damaligen Lehrer Hartwig, der 1921 in seiner Schulchronik vermerkte: „Sie [die Tafel] hängt an der linken Seite des Altares. Herr Pfarrer Heimbach betonte in seiner Weiherede, der Platz zur rechten des Altars ist nun noch frei, dorthin soll die Gefallenentafel hinkommen aus dem Krieg, der Deutschland wieder frei macht.“

Wie Pfarrer Heimbach es sich wünschte, ließ der nächste, noch tödlichere, Krieg nicht auf sich warten. Bereits in den fünfziger Jahren wurden für die Gefallenen des Zweiten Weltkrieges in mehreren Kirchen wieder Gedächtnismale geschaffen, auch wenn dies nicht so flächendeckend geschah wie in den Jahrzehnten zuvor. Noch immer wurden diese Tafeln als „Kriegerehrungen“ verstanden. Auch nach der Wende entstanden in nicht allzu geringer Zahl neue Gedächtnismale in Kirchen. Deren Aussagen sind durchaus ambivalent. Während mancherorts noch immer lediglich der gefallenen und vermissten Soldaten gedacht wird, sind es anderswo die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft. Leider nur selten wird der Wunsch nach Frieden und die Verurteilung des Krieges ausdrücklich artikuliert.

Der Umgang mit diesen Ausstattungsstücken unserer Kirchengebäude bleibt schwierig. Auch unbequeme Denkmale müssen erhalten und ausgehalten werden. Vielleicht wäre es ja schon ein Anfang, diesen Gedächtnismalen – durchaus in ihren historischen Kontext gestellt – durch einen gegenwartsbezogenen Begleittext eine zukunftsbezogene Bedeutung zu geben.

Sylvia Müller-Pfeifruck: Gedächtnismale in den Kirchen der Prignitz. Herausgegeben vom Stadt- und Regionalmuseum Perleberg, 2020; ISBN 978-3-00-067025-1