Kirchen ohne Zukunft?

Über Eindrücke einer Besichtigungsfahrt im Kirchenkreis Prignitz

Die Tür geht einfach nicht auf. Das Schloss klemmt. Silvana Schmidt holt Entroster und einen Kuhfuß. Nun versucht sich auch Kirchenkreis-Baubeauftragter Heiko Jaap mit dem Schlüssel – ohne Erfolg. Erst Klaus-Dieter Graf aus Perleberg gelingt es eine Viertelstunde später, die Tür endlich zu öffnen.

Die Mesendorfer Kirche ist wohl das Paradebeispiel für das Schicksal von sich selbst überlassenen Gotteshäusern, denen die engagierte Betreuung fehlt – zumindest denen von uns unlängst bereisten. Eingeladen dazu hatte der Bauausschuss des Kirchenkreises Prignitz, die Fahrt sollte sich dem Thema „Kirchen ohne Gemeinden“ widmen. Denn: Es gibt Kirchen, die offenbar nicht mehr gebraucht werden.

Die Mesendorfer Kirche befindet sich schon äußerlich in einem beklagenswerten Zustand Foto: Wolf-Dietrich Meyer-Rath

Wie die Gegebenheiten in Mesendorf – dessen schon äußerlich desolat erscheinende Kirche das letzte Mal vor drei Jahren geöffnet worden war – sind, ist von Silvana Schmidt, und später auch von ihrer Mutter, Elke Schmidt, die beide keine Kirchenmitglieder sind, zu erfahren: „Wir wollten ja einen Verein gründen, aber daraus wurde nichts, weil die Leute Angst davor haben, das alles selbst bezahlen zu müssen.“ Ja, einen Heimatverein gäbe es, aber der wolle mit der Kirche nichts zu tun haben. Außerdem gäbe es auch keine Kirchenmitglieder mehr; die letzten seien gestorben oder aus der Kirche ausgetreten. Und der Nachbarort, zu dem die Gemeinde seit längerer Zeit kirchlich gehört? – „Die wollen auch nichts mit uns zu tun haben!“ Ob man nicht mit Konzerten oder einer Ausstellung auf das Gebäude aufmerksam machen könne? „Haben wir auch schon probiert, aber es kommt ja keiner.“ Und dann erklären beide Frauen resigniert: „Das wird hier nichts!“

Ähnlich sieht es in Groß Woltersdorf aus, dessen Gotteshaus im Inneren die rohen Lehm-Füllungen des Fachwerkgebäudes zeigt. „Hier sollte noch zu DDR-Zeiten saniert werden, aber es ist nichts passiert“, erzählt Klaus Giesel, der zwar Kirchenältester unter noch zehn Mitgliedern ist, aber allein nichts ausrichten kann. Doch zumindest gibt es hier das CJD im Ort. „Und die machen hier manchmal etwas in der Kirche.“ Doch damit ist nicht das Handanlegen gemeint, sondern interne Veranstaltungen. Immerhin mäht der Rentner den Rasen vor der Kirche und pflegt die Bäume davor.

Die Boddiner Kirche präsentiert sich gut erhalten. Aber das Innere wirkt leblos. „Hier haben ABM-Kräfte nach der Wende die ganze Kirche ausgeweißt“, erzählt Christine Rosin-Bruhns, die hier getauft wurde. Seit wann es hier keinen Gottesdienst gibt, vermag sie nicht zu sagen. Und die Malereien, warum sind die übertüncht worden? – „Darum hat sich hier damals kein Mensch gekümmert.“

Die Kirche in Kuhbier, welches kirchlich längst zu Kuhstorf gehört, bestätigt – aber diesmal auf positive Weise – das in den drei vorangegangenen Gotteshäusern Erlebte. Hier treffen die Gäste auf Josefine von Krepl, die seit zwölf Jahren im einstigen Pfarrhaus, das sie in eine idyllische Oase verwandelt hat, lebt. „Damals sah ich mir erst einmal die Kirche an und sagte mir: Da musst Du was machen. Als erstes habe ich mit einem großen Industriestaubsauger alles sauber gemacht und dann die schöne Stein-Verzierung im Fußboden gesehen.“ Als nächstes ging die Gründerin des Meyenburger Modemuseums die nicht funktionierende Orgel an. Durch Konzerte gelang es, 6.000 € zu sammeln. „Und da die neuen Pfeifen noch nicht drin sind, habe ich Künstler aus Berlin darum gebeten, welche in Trompe-l’œil-Manier zu malen.“ Wer es nicht weiß, sieht nur „echte“ Pfeifen. Und da ist dann noch die Kanzel, die in den 60er Jahren grau übermalt wurde. „Wer das gemacht hat, der müsste heute dafür noch eingesperrt werden.“

Dazu hat die Modedesignerin – die übrigens kein Kirchenmitglied ist – junge Leute aus der Heiligengraber „Bauhütte“ engagiert. „Die legen jedes Jahr ein bisschen frei, und ich koche dann für sie eine Suppe und lade sie ins Pfarrhaus ein.“

Und hier konnte Heiko Jaap das, was er bereits in den vorigen Kirchen gesagt hatte, nur noch wiederholen: „Helfen können wir, aber es müssen Leute und damit Ansprechpartner vor Ort da sein. Und es gibt auch Fördermittel, aber das geht nur, wenn jemand einen Antrag stellt.“

Auf der Heimfahrt gibt es von drei älteren Damen aus Perleberg das Fazit: „Es ist ja schade um die schönen alten Kirchen, aber was soll‘s – die Leute sind ja nicht mehr da!“

Kerstin Beck

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