von Peter Knüvener

„… einen Vorzug an Schönheit vor denen meisten umliegenden Kirchen.“

Die Dorfkirche in Friedersdorf an der Landeskrone und ihre Ausstattung

Dr. Peter Knüvener ist Direktor der Städtischen Museen in Zittau. Er promovierte zur spätmittelalterlichen Kunst in der Mark Brandenburg.

Foto: Peter Knüvener
Dorfkirche Friedersdorf von Osten

Die Dorfkirche in Friedersdorf an der Landeskrone (Landkreis Görlitz) gehört zu den eindrucksvollsten mittelalterlichen Sakralbauten in der Oberlausitz. Sie ist verhältnismäßig groß und besteht aus verschiedenen Bauteilen: dem Chor mit der halbrunden Apsis, dem Langhaus und dem Turm. Ähnlich wie großartige Niederlausitzer Dorfkirchen in Lindena oder Riedebeck handelt es sich damit um eine „vollständige Anlage“; anders als bei diesen ist in Friedersdorf aber nicht alles mittelalterlich: So handelt es sich beim Turm um eine Ergänzung aus dem 17. Jahrhundert und damit aus der Zeit, in der die mittelalterliche Kirche nicht nur fertiggestellt, sondern auch grundlegend umgestaltet wurde.

Die Bedeutung der Friedersdorfer Kirche liegt nicht allein in der eindrucksvollen Architektur, sondern im herausragenden Ausstattungsensemble der frühen Barockzeit, das mit dem mittelalterlichen Bau eine großartige Einheit bildet. Verschiedene Künstler, hauptsächlich aus Zittau und Bautzen, waren hier tätig, die in dieser Weise auch anderswo gemeinsam auftraten. Das Besondere in Friedersdorf ist jedoch, dass wir durch Berichte des Pfarrers Christian Knauthe aus den Jahren 1750 und 1760 in einzigartig weitgehender Weise darüber unterrichtet sind, wer die treibenden Kräfte zur Schaffung der Ausstattungsstücke waren und wie deren Herstellung von statten ging. Knauthe (1706 – 1784) gehörte zu den wichtigsten Gelehrten der Oberlausitz und wertete die ihm zugänglichen schriftlichen Überlieferungen im Kirchenarchiv akribisch aus.

Foto: Peter Knüvener
Liebenswürdiges Detail auf der oberen Empore: schmale Bänke mit Lehnen. Durch einen Sitzplan des Pfarrers Knauthe sind wir auch darüber unterrichtet, wer wo in der Kirche saß.

Die barocke Baugeschichte beginnt um die Mitte des 17. Jahrhunderts. Nur ein Jahr nach dem Dreißigjährigen Krieg ließ man einen Dachreiter auf dem Langhaus errichten, dann die Fenster vergrößern, Emporen einbauen und einen neuen Altar aufstellen. Mit dessen Herstellung und mit der Ausmalung der zu dieser Zeit noch mit einer Flachdecke versehenen Kirche wurden die Zittauer Künstler Friedrich Kremsier und Nikolaus Prescher beauftragt. In der Chronik von Pfarrer Knauthe heißt es dazu: „Als nach dem westphälischen Frieden die Einwohner stark angewachsen, sind nicht allein denselben neue Stellen in der Kirche gefertiget, sondern auch die Kirche selbst innerlich merklich verändert worden. Denn Ao. 1651 fing man an auf jeder Seiten eine Emporkirche, hinten aber 3 übereinander zu bauen. Ferner täfelte man die Decke, zierte sie mit Gemälde und goldenen Knöpfen. Man bauete einen ganz neuen Altar, und bekam der Tischler vor seine Arbeit 200 Mrk. Der Maler aber vor das Altar und Decke zu malen, über 200 Mrk.“

Bereits 1661, kurz nach der Fertigstellung der Modernisierung, brannte die Kirche in Folge eines Blitzschlages aus. Die Gemeinde sorgte schnell für einen Wiederaufbau und abermals für eine kostbare Ausstattung, die in dieser Form bis heute erhalten blieb. So ließ man den Bautzener Baumeister Martin Pötzsch den Turm errichten und die Kirche einwölben. Die charakteristischen und prägenden Stuckaturen gehen ebenfalls auf Pötzsch zurück, der kurz vorher die Zittauer Klosterkirche umfassend renoviert und umgebaut hatte. Auch hier finden sich ähnliche Stuckarbeiten. Berühmt ist Pötzsch auch für die prächtigen Giebel der Bautzener Ortenburg (gut von der Autobahn aus zu sehen!) und den stadtbildprägenden Giebel des Heffterbaus am Franziskanerkloster in Zittau. Die Zittauer Tischler, Schnitzer und Maler Georg Bahns, Hans Bubenick und Friedrich Kremsier – jener bereits bei der Friedersdorfer Ausstattung vor dem Brand beteiligt – wurden beauftragt, Emporen, Kanzel und Altar zu bauen und letzteren zu bemalen. Damit erhielt die Kirche ihren feierlichen Eindruck mit den schwarzgoldenen Prinzipalstücken im späten Knorpelstil – geradezu ein Erkennungszeichen der Werkstatt von Georg Bahns. In Zittau korrespondieren zum Friedersdorfer Ensemble die Klosterkirche, die Kirche zum Heiligen Kreuz (diese beiden sind Teil der Städtischen Museen) sowie die Hospitalkirche St. Jacob. Die Übereinstimmungen sind teilweise verblüffend, etwa wenn man feststellt, dass die Altarbilder in Friedersdorf und in der Zittauer Kreuzkirche beide von Kremsier sind und jeweils auf denselben Kupferstich von Ägidius Sadeler aus Antwerpen zurückgehen.

Foto: Peter Knüvener
Ansicht des Innenraumes von der oberen Empore aus, deutlich sichtbar die einzigartigen Stuckaturen von Martin Pötzsch

Angesichts der Professionalität, die mit der Ausstattung der Friedersdorfer Kirche durch große Werkstätten der benachbarten Städte erreicht worden ist, verblüffen die davon völlig abfallenden, in ihrer Naivität geradezu erstaunlichen Emporenbemalungen, die keinesfalls von einem professionellen Maler stammen können. Völlig gegensätzlich zur dürftigen Qualität dieser nichtsdestotrotz liebenswürdigen Malereien ist die theologische Komplexität der oft emblematischen Darstellungen. Nach den Ausführungen Knauthes wurden die Malereien erst 1701 ausgeführt, also eine Generation nach den zuvor genannten Arbeiten. Knauthe gibt den damaligen Pfarrer Chalibäus als „Erfinder“ an – was in diesem Falle wohl nicht nur den Konzepteur meint, sondern vielleicht gar den dilettantischen Maler an sich. Bemerkenswert ist darüber hinaus, dass die Emporen Inschriften tragen mit Namen von Gemeindegliedern, die die Malereien finanziert haben. Alles in allem resümiert der Chronist: „Solchem nach hatte diese Kirche in Friedersdorf einen Vorzug an Schönheit vor denen meisten umliegenden Kirchen.“Seit jener Zeit erfreut die Friedersdorfer Kirche durch ein vielfältiges und ungemein ästhetisches Inneres, das viel darüber aussagt, wie und durch wen die Dorfkirchen ausgestattet wurden. Schön ist, dass es einen sehr aktiven Kirchbauverein gibt und dass die Kirche sich heute in bestem Zustand präsentiert. Schließlich heißt es bereits in den Aufzeichnungen von Pfarrer Knauthe: „Wenn man sich nur des äußerlichen Wohlstandes der Kirchengebäude rühmet … und also denselben nicht also gebrauchet, daß dadurch der Hertzenstempel gebauet werden möge, so hat Gott nicht nur keinen Gefallen, sondern einen Greuel daran.“

Zum Weiterlesen: Ulrich Schubert (Hg.): Die Emporenbilder der Friedersdorfer St. Ursula-Kirche, Görlitz/Zittau 2011

Vorheriger Beitrag
Von Engeln behütet

Die Sanierung der Dorfkirche Pessin

von Andreas Flender

Nächster Beitrag
Gegen den Verlust der dörflichen Identität

Die Widerbelebung der Ortsmitte in Gortz und Butzow

von Hans Tödtmann