Zukunft Kirchenimmobilien
„In 30 Jahren werden wohl mehr als die Hälfte aller Kirchen für Gottesdienste aufgegeben werden.“ Das prophezeit Winfried Schwatlo, Professor für Immobilienwirtschaft an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) Nürtingen-Geislingen. Die Diskussion über die Zukunft der Kirchengebäude in Deutschland ist angesichts schrumpfender Mitgliederzahl, Gemeindefusionierungen und zunehmender Säkularisierung nicht neu. Regelmäßig gibt es zu dieser Problematik Tagungen, Diskussionen, Publikationen und Handreichungen von Theologen, Denkmalschützern und Kunsthistorikern. Nun hat auch die Immobilienbranche das Thema entdeckt. Eine Hochschul-Projektgruppe unter der Leitung von Professor Schwatlo hat sich zwei Jahre mit der Fragestellung beschäftigt, „was mit Kirchenimmobilien geschehen soll, die schon heute oder bald nicht
mehr genutzt werden“ und „wie Property und Facility Manager mit den neuen Anforderungen der Kirchen umgehen sollen“.
In einer bereits 2018 erschienenen Abschlussbroschüre zum Projekt werden etliche mehr oder weniger gelungene Umnutzungsprojekte vorgestellt – vom Einbau von Wohnraum über das bereits weithin bekannte Restaurant GLÜCKUNDSELIGKEIT in der Martini-Kirche zu Bielefeld bis hin zum „EinTanzHaus“ in der Mannheimer Trinitatiskirche und der Turnhalle in St. Maximin Trier. Dazu kommen Interviews mit Pfarrern sowie kirchlichen Bau- und Finanzverantwortlichen hauptsächlich aus der katholischen Kirche. Die Beteiligten des Projektes haben es sich nicht leicht gemacht: Nachgedacht wird über die Grenzen von Umnutzungen ebenso wie über Bürgerbeteiligungen. Bei einer Passage zur Beteiligung des bei der Immobilienwirtschaft noch nie so recht beliebten institutionellen Denkmalschutzes heißt es dann jedoch bedauernd: „Das oberste Ziel der deutschen Denkmalschutzbehörden ist der Erhalt des Denkmalwertes eines Gebäudes, dies steht zumeist im Widerspruch mit den geplanten Nutzungsänderungen und damit in vielen Fällen dem Erhalt des Gebäudes.“ Das alte Lied vom Denkmalschutz als dem großen Verhinderer…
Besondere Beachtung finden in der Publikation nach eigener Aussage gewerbliche Umnutzungen; Beispiele des bürgerschaftlichen Engagements zur Erhaltung von Kirchengebäuden und von gemeinwohlorientierten Non-Profit-Projekten finden keine Berücksichtigung. Und so zieht einer der Teilnehmer des Studentenprojektes denn auch folgendes Fazit: „Für die mittelständische Immobilienwirtschaft besteht hier die große Chance, agil auf die individuellen Gegebenheiten reagieren zu können und mit neuen Konzepten erhaltenswerte Teile der Immobilienlandschaft in Deutschland zu bewahren, während die Nutzung und auch die Renditemöglichkeiten neu definiert werden.“
Die Pfarrpfründestiftung der Erzdiözese Freiburg und die Evangelische Landeskirche in Baden haben das Projekt auch finanziell unterstützt. Wäre es nicht sinnvoller, wenn die Institution Kirche sich selbst verstärkt mit dem Problem ungenutzter oder nur selten genutzter Kirchen beschäftigt, anstatt diese Fragestellung der Immobilienbranche zu überlassen?
Zukunft Kirchenimmobilien. Herausgeber: CoRE Campus of Real Estate e.V. an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen. Zu bestellen unter mailbox@schwatlo.eu. Eine digitalisierte Fassung ist als pdf-Datei auch im Internet abrufbar unter https://www.immobilienverlag-stuttgart.de/wp-content/uploads/2018/12/Broschuere-Kirchenimmobilien-2018-doppelseiten-100dpi.pdf